Der Distelfink von Donna Tartt – Film, Buch, Hörbuch

Der Distelfink von Donna Tartt - AstroLibrium

Der Distelfink von Donna Tartt

Fünf Jahre sind seit dem Lesen vergangen. Fünf Jahre, in denen mir ein Buch nicht mehr aus dem Kopf gegangen ist. Fünf Jahre, die ich jedoch habe verstreichen lassen, ohne einen der relevantesten Romane meines Lebens zu rezensieren. „Der Distelfink“ von Donna Tartt liegt in der Erstausgabe aus dem März 2014 immer noch in Griffweite. Er ist durchzogen mit PostIts eines vergangenen Lesens und ein kleines ScriptBook für die Rezension liegt seitdem im Giftschrank der kleinen literarischen Sternwarte. Auf der ToDo-Liste meines Lesens steht dieser Artikel seit fünf Jahren ganz oben, und doch ist es mir bis heute nicht gelungen, meine Gedanken zu bündeln und dem Pulitzer-Roman meine Referenz zu erweisen.

Warum jetzt? Was treibt mich an, den „Distelfink“ mit neuen Augen zu sehen und ihm 2019 Raum zu geben? Hat sich das Fußkettchen endlich gelöst, das den kleinen Vogel mit der Fußstange vor dem grauen Deckelkasten verband? Ist es die Verfilmung, die im Oktober auf mich zukommt? Ist es meine Urlaubsreise nach Delft, die mir schmerzhaft in Erinnerung ruft, dass ich dem Bild von Carel Fabritius im Mauritshuis in Den Haag begegnen werde? Oder liegt es auch daran, dass ich mich inzwischen in einem kleinen Schreibprojekt der niederländischen Heimatstadt des großen Malers angenähert habe? Delft und die große Katastrophe des Jahres 1654. Jener Delfter Donnerschlag in dem der Künstler den Tod fand? 

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Der Distelfink von Donna Tartt

Es ist wohl eine Mischung aus allen Faktoren, die mir den „Distelfink“ erneut vor Augen führt. Ohne die Explosion des Pulvermagazins in Delft und den Tod des Malers Fabritius hätte sich Donna Tartt für ein anderes Kunstwerk im Mittelpunkt ihres Romans entschieden. Die Parallele zwischen dem Künstler und dem Beginn ihrer Geschichte ist einfach zu relevant, um sie zu vernachlässigen. Denn hier startet alles. Hier erhebt sich der „Distelfink“ wie der Phoenix aus der Asche und wird zum Symbol einer Erzählung, die mich nachhaltig geprägt hat. Es ist ein heftiger Donnerschlag, der das New Yorker Metropolitan Museum erschüttert. Es ist ein terroristischer Donnerschlag, der alles in Schutt und Asche legt, dem erst 13jährigen Theodore Decker die Mutter raubt und sein Leben für alle Zeiten verändert.

Da ist der alte Mann, dem er beim Sterben hilft. Da ist dessen Nichte Pippa, die den Anschlag gerade so überlebt hat. Da ist die drängende Bitte des Sterbenden, Theodore solle das Gemälde Der Distelfink in einer Plastiktüte an sich nehmen und zuletzt ist da neben dem Ring, der ihm geschenkt wird, eine Adresse, an die sich der Junge wenden soll. Die Antiquitätenwerkstatt, die der Verstorbene mit seinem Geschäftspartner James Hobart betrieben hatte. Mit diesem Urknall beginnt eine Geschichte, in der ein Gemälde und dessen unrechtmäßiger Besitzer fortan lebenslänglich miteinander verbunden sind, wie der Distelfink mit seiner Sitzstange. Es ist der laute Doppelknall, der die Explosion eines Delfter Pulverturms mit einem New Yorker Museum verbindet. Kunst und Leben sind untrennbar miteinander verbunden.

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Hier vermischen sich Handlungsebenen und Wahrnehmung zu einem grandiosen Mix aus Kunstleidenschaft, rauschhafter Wahrnehmung und fetischistischer Qual. Theo und das gestohlene Gemälde kommen nicht mehr voneinander los. Seine Odyssee seit dem Tod seiner Mutter entwickelt sich zur Irrfahrt des Heranwachsenden mit all seinen Lieben, Leidenschaften und Traumata. Ist sein Distelfink zunächst die letzte Erinnerung an die noch lebende Mutter, so wird das Gemälde langsam zum Faszinosum, dem sich Theo nicht mehr entziehen kann. Er versteckt das Bild auf seinem weiteren Lebensweg und macht sich selbst zum Sklaven seines großen Geheimnisses. Unfassbar dicht und empathisch erzählt. Donna Tartt spielt mit ihren Lesern. Jeder hat seinen Distelfinken. Jeder verbirgt den Schatz seines Lebens vor den Augen anderer Menschen. Und jeder würde so reagieren, wie Theo, als die Wahrheit über das Kunstwerk ans Licht kommt.

Man kann sich ein Bild eine Woche lang anschauen
und nie wieder daran denken. Man kann sich ein Bild
eine Sekunde lang anschauen und es sein Leben lang
nicht mehr vergessen…“
 

In diesen Momenten fand ich mich wieder in diesem Roman. Mein Distelfink hängt im Lenbachhaus zu München, entstammt der Zeichenfeder von Franz Marc und ist als Blaues Pferd weltbekannt. Ich kann persönlich nachvollziehen, welche Faszination ein Gemälde auf seinen Betrachter ausüben kann. Ich kann den Bann nachvollziehen, der den Betrachter gefangen nimmt. Und ich kann Theodore gut verstehen, der angesichts des ganz eigenen Lebensweges an der Seite seines Distelfinks zu allem bereit ist, um ihn nicht zu verlieren. Donna Tartt konfrontiert uns mit einem Entwicklungsroman, der die verschiedenen Lebensphasen ihres Protagonisten begleitet. Sie lässt uns mit ihm in rauschhafte Zustände verfallen, sie zeigt die verstörende Wirkung auf ihn, als der lange verschollene Vater plötzlich auftaucht und sie begleitet uns an seiner Seite in ein Leben als gewiefter Geschäftsmann. Zweifel, Selbstbetrug, Leugnung und Läuterung werden zu den Wegmarken eines Lebens, das eine explosive Wendung nahm.

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Jetzt sitze ich hier mit dem Buch und meinem ScriptBook vor Augen. Es fühlt sich gerade an, wie eine Zeitreise in mein vergangenes Lesen. Die Puzzlesteine finden sich und Bilder entstehen erneut in meinem Kopf. Da sind die Bilder des Todes von Mathew Brady, die den Amerikanischen Bürgerkrieg auf Glasplatten einbrannten. Da taucht Las Vegas als Ziel des Roadtrips mit Theos Vater auf. Die Chance auf ein neues Leben mit einem trockenen Alkoholiker. Da wird der Betrug wieder greifbar, mit dem man sich an Theo bereichern will. Da wird seine Flucht zurück nach New York wieder lebendig. Der Laden hinter dem Laden und die illegalen Geschäfte, Drogen, Sehnsüchte und unerfüllt gebliebene Liebe. Pippa, das Mädchen, das wie Theo den Anschlag überlebte wird zur Fata Morgana des „Was-hätte-sein-Könnens“.

Pippa war das vermisste Königreich, der unverletzte Teil meiner selbst. Sie war der goldene Faden in allem, eine Linse, die die Schönheit vergrößerte, sodass die ganze Welt gebannt war. Sie war wie die kleine Meerjungfrau, zu zerbrechlich, um an Land zu laufen…“

Hier berührt Donna Tartt sprachgewaltig und voller Tiefgang. Es gibt keinen Weg zurück. Es bleibt nur die Flucht nach vorne. Und letztlich ist nichts mehr so, wie es mal schien. Am Ende überstrahlt die Unfreiwilligkeit die Läuterung des Protagonisten. Es ist wie im wahren Leben. Die Unausweichlichkeit der Ereignisse öffnet die Augen und der letzte Ausweg wird zum Königsweg. Donna Tartt dreht und wendet das Schicksal, wie in der griechischen Mythologie. Ob ihr dabei ein Happy End gelang? Hier darf und kann man getrost streiten. Ich werde das Ende des Romans vor Augen haben, wenn ich bald in Delft vor einem Gemälde stehe. Ich weiß schon jetzt, dass aus dem kleinen Bild des zu früh verstorbenen Malers ein völlig neues Gemälde für mich entsteht. Ich werde den Ruß der Explosion sehen. Ich werde wissen, wo das Bild versteckt war. Und ich muss ganz sicher an Theodore Decker und Pippa denken. Nichts davon ist wahr. Und doch wird es für mich immer die Wahrheit hinter dem „Distelfink“ sein.

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Der Distelfink von Donna Tartt

Zur Vorbereitung auf den Film vertiefte ich mich im Hörbuch zu „Der Distelfink“. Ich wollte nochmal in die Atmosphäre eintauchen. Wollte nachempfinden, was ich einst so an dieser Geschichte liebte. Ich wollte schreibend in Schwung kommen, um meinen Erinnerungen wieder auf die Sprünge zu helfen. Ich wollte gerne New York, Las Vegas, Greenwich Village und Amsterdam neu erleben. Bei alldem wollte ich das Gemälde im Gepäck spüren. So, wie ich mein Blaues Pferd in Gedanken bei mir trage. Ich wollte für die neuen Eindrücke des Films bereit sein. Und ich wollte zurückblicken auf die Zeit, in der mein Blog AstroLibrium das Licht der Welt erblickte. Vor mehr als fünf Jahren war ich intensiv mit diesem neuen Kapitel meines Lebens beschäftigt. „Der Distelfink“ blieb damals auf der Strecke. Jetzt hat er sein Recht eigefordert. Man trifft sich mehrmals im Lesen.

Das Hörbuch: So, wie „Der Distelfink“ seinen Besitzer immer tiefer in einen Sog aus Lügen, Fehlentscheidungen und Fluchtbewegungen treibt, so ist es auch die Hörbuchfassung, die mit einer Spieldauer von 33 Stunden und 26 Minuten einen ganz eigenen Kosmos dieser Erzählung entfaltet. Wie die Buchvorlage ist auch das Hörbuch nichts für den schnellen Genuss für zwischendurch. Nichts für das beiläufige Zuhören, sondern vielmehr ein literarisches Hörereignis, auf das man sich mit Haut, Haaren und Ohren einlassen muss. Matthias Koeberlin verleiht der Erzählperspektive Theodore Deckers eine fast schon staatstragende Tiefe. Aus seiner Sicht entwickelt sich alles im Rückblick auf sein eigenes Leben. Im Amsterdamer Hotelzimmer, in dem es eigentlich endet, beginnt die Reise nach New York. Koeberlin wird dieser Rolle gerecht. Er weiß wovon er spricht, als wäre es seine eigene Geschichte in der Rückschau. Sentimentale und melancholische Facetten vertiefen diesen Eindruck. Ja, es ist ein Rückblick auf ein Leben das anders verlaufen wäre, wenn doch nur seine Mutter überlebt hätte. Stark!

Der Film: Bislang kann man nur den Trailer bestaunen. Zum Release gibt es immer noch widersprüchliche Aussagen. Aber ob Ende September oder Anfang Oktober, das ist letztlich fast unerheblich. Entscheidender ist, dass „Der Distelfink“ fast zeitgleich in den großen Kinoländern USA, England und Deutschland erscheinen wird. Das kommt recht selten vor und hilft uns dabei, den Film exklusiv, und nicht schon mit Kritiken aus anderen Ländern überlagert, betrachten zu können. Der Trailer lässt den Lesegefühlen von einst ausreichend Freiraum, sich in der Szenerie einzuleben. Das wirkt authentisch und gut umgesetzt. Hierfür steht auch der Name des Regisseurs: John Crowley. Seine filmische Adaption von „Brooklyn“ nach dem Roman von Colm Tóibín war brillant. Er hat ein feines Händchen für große literarische Stoffe. 

Der Cast sieht ebenfalls vielversprechend aus. Ansel Elgort als Theo trifft für mich punktgenau auf den Charakter zu, der hier schauspielerisch durch die Handlung trägt. Spätestens seit „Das Leben ist ein mieser Verräter“ weiß man, wie facettenreich und tiefgründig Elgort agieren kann. Ihm zur Seite stehen neben Nicole Kidman und Sarah Paulson auch Luke Wilson und Aneurin Barnard. Namen, die bei Kinofreunden den Puls schon leicht beschleunigen. Ob der Film funktioniert? Ob er die facettenreiche und tiefgründige Geschichte im Kinoformat so erzählen kann, dass er dem Roman gerecht wird? Das wird sich erst beantworten lassen, wenn der Vorhang fällt.

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Und spätestens dann werde ich allen Fragen auf den Grund gehen. Versprochen. Wie habt ihr den „Distelfink“ erlebt, habt Ihr den Roman noch in guter Erinnerung? Geht Ihr ins Kino und welche Gefühle begleiten Euch dabei? Schreibt mir und wir werden im Herbst dieses Jahres erleben, ob sich Hoffnungen erfüllen oder ob sich der alte Spruch „Der Film ist immer schlechter als das Buch“ mal wieder bewahrheitet. Stay tuned.

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Club der roten Bänder – Wie alles begann (Der Film)

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Club der roten Bänder – Wie alles begann

Es ist nicht schlimm zu sterben.
Es ist schlimm sein Leben nicht zu leben.

(Benito)

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Club der roten Bänder – Wie alles begann

Vielleicht wird das jetzt persönlicher, als es bei einer Filmvorstellung sein sollte. Vielleicht ist dies aber auch der einzige Zugang, der es mir ermöglicht erneut über eine TV-Serie zu schreiben, die mit meinem Leben extrem verwoben ist. Drei Staffeln haben wir Leo, Jonas, Emma, Alex, Toni und Hugo begleitet. Wir haben sie in ihren Rollen als Anführer, zweiter Anführer, Mädchen, der Hübsche, der Schlaue und guter Geist erlebt. Wir kennen sie als „Club der roten Bänder“. Wir haben dreißig Folgen der Geschichte verfolgt und kennen das Werk von Albert Espinoza, der sein Schicksal zur Vorlage der weltweit erfolgreichen Fernsehproduktionen werden ließ. Am 11. Dezember 2017 habe ich das Ende der Geschichte gesehen und war der Meinung, wirklich am Ende zu sein. 

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Club der roten Bänder – Wie alles begann

Selten hat mich eine Serie um Krankheiten, Klinikalltag und Freundschaft dermaßen gefesselt und berührt. Und doch habe ich in meinem Artikel im Jahr 2016 beschrieben, dass diese roten Bänder für mich und meine Familie in einer lebensbedrohlichen Phase mit jenen aus der Serie nur wenig gemein hatten. Sie verbanden meine Tochter mit der Außenwelt, die sehnsüchtig auf sie wartete. Sie zogen mein Mädchen aus dem Koma, aus der Klinik und hinein in ein neues und unbeschwertes Leben. Die Bänder haben es geschafft, ihr im Krankenhaus jenen Halt zu geben, den sie später umso mehr zuhause benötigte. Die Bänder haben gehalten. Bis heute, auch wenn unser wichtiges Band mit unserem Border Collie „Schneeflocke“ nur noch in unserer Erinnerung besteht. Er hat Lena zurück ins Leben gezogen, sie aus dem Rollstuhl gebellt und bei ihr gelegen, als sie keine Kraft mehr hatte. Puh… es schreibt sich schlecht, wenn man weint…

„Wir sind Kinder in einem Krankenhaus. Wir haben schlechte Tage. Wir haben gute Tage. Und dann gibt es Tage, die sind voller Wunder.“ (Hugo)

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Club der roten Bänder – Wie alles begann

Alles Geschichte, könnte man meinen. Alles vorbei und vergangen. Und doch holt einen die Vergangenheit mit einem gewissen zeitlichen Abstand wieder ein und lässt es zu, sich mit den Erinnerungen an diese Tage in der Klinik zu befassen. Und so passt es auch zu den Roten Bändern, wie ich sie erlebt habe, dass sie nun ihren Weg ins Kino finden. Wir haben es hier nicht mit einer Fortsetzung oder einem verzweifelten Versuch zu tun, dem Fernseherfolg auch den Kassenschlager folgen zu lassen. Es geht hier um das Prequel, die Vorgeschichte der jungen Menschen, die erst im Krankenhaus zu dem werden, was wir so gut kennen. Dem Club der roten Bänder….

„Du kannst hier drinnen an Krebs sterben, aber auch an Langeweile. Das sag ich dir.“ (Leo)

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Club der roten Bänder – Wie alles begann

Ein Jahr nach dem letzten Dreh versammelte man die Schauspieler der Serie, um mit der Arbeit am neuen Film zu beginnen. Der Club der roten Bänder – Wie alles begann. Ein tiefer Blick in die Vergangenheit der Einzelschicksale. Ein Blick zurück in eine Zeit, die noch nicht von Krankheit geprägt war. Oder zumindest in die Zeit, die sich noch außerhalb der Klinik abgespielt hat. Ein Leben ohne rote Bänder, Operationen mit oder ohne Hoffnung auf Erfolg und ein Leben ohne die Station als Heimatersatz. Es ist ein Rückblick, den man selbst erst wagt, wenn eine Krise überstanden ist. Oder, wenn man an einen Punkt gelangt ist, sich an jemanden zu erinnern, um den man trauert. Im Film treffen wir auf begeisterte Fußballspieler, Jugendliche, die sich nach Freundschaft sehnen oder einfach nur auf einen Jungen, der von einem Zehn-Meter-Turm springen möchte. Wir wissen, wo all dies endet. Und doch schärft es unseren Blick, weil wir jene Menschen mit einer Vergangenheit erleben, denen das Schicksal keine große Zukunft schenkt.

Von zehn Leuten überleben neun diese Art von Krebs, sagte mein Arzt Schön, sage ich, ich bin dabei!

Der Club der roten Bänder und die roten Geheimnisse

Ohne Magersucht, das Asperger-Syndrom, den Krebs, ein Koma oder ein krankes Herz hätten sich die Mitglieder dieses denkwürdigen Clubs niemals kennengelernt. Hier haben wir die Chance, in einem bewegenden Film den Anfang einer Geschichte sehen zu können, die uns seit der Ausstrahlung der Serie begleitet hat. Ich freue mich schon darauf, diesen jungen Menschen erneut zu begegnen. Ich freue mich darauf, erneut zu spüren, dass sich die Geschichte von Albert Espinoza auf die Schauspieler ausgewirkt und sie verändert hat. Hier entstand etwas Einzigartiges, das im Fernsehen Wellen und Wogen geschlagen hat. Ich hoffte sehr darauf, dass es dem Film ebenfalls gelingt. Und ich wurde nicht enttäuscht. Unser kleiner Lebens-Club ist einerseits kleiner geworden. Flocke fehlt an allen Ecken und Enden.

Und er hat sich um Menschen erweitert, die das rote Band in die Hand genommen haben, von dem nur noch ein loses Ende vorhanden war. Lebensgefährten und wahre Herzensmenschen nun an der Seite „unserer Kinder“ zu wissen, ist ein wundervolles Gefühl. Wir gehen zusammen ins Kino und erzählen danach, wie es früher bei uns war. Ohne die Serie hätten wir nie die Zeit der Erkrankung von Lena aufarbeiten können. Es geht sicher nicht nur uns so. Jeder hat ein rotes Band. Jeder wurde vom Schicksal und dem Zufall an die Seite wichtiger Menschen gespült, die man braucht, um zu überleben. Nun wird es Zeit, für den letzten Vorhang dieses Filmprojekts. Licht aus. Taschentücher bereit. Film ab…

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Club der roten Bänder – Wie alles begann

Die Filmrezension

Man kann mir erzählen, was man will. Natürlich kann man sich den Film anschauen, ohne auch nur eine Folge der Serie vorher gesehen zu haben. Es geht durchaus, aber für mich liegt die Magie dieses Prequels eben darin verborgen, dass die Zuschauer, die dem Zauber der vorherigen Staffeln erlegen sind, nun einfach alles wissen, was auf die Protagonisten des Films zukommen wird. Man verleiht uns fast „seherische“ Qualitäten und versetzt uns in die Lage, die Macht der Zufälle im Leben neu zu erkennen. Wir sind es, die Zusammenhänge herstellen, wo der Film die Bildsequenzen liefert. Wir sind es, die in einem Szenenwechsel auf der Straße eine Verbindungslinie zwischen einem Opa mit seinem autistischen Enkel, einer schlanken Joggerin, einem aufgewühlten Biker und anderen Menschen ziehen. Wir wissen, dass sie sich sehr bald begegnen werden. Wir wissen, dass sie durch ein rotes Band miteinander verbunden sein werden. Das ist der magische Aspekt des Films.

Emotionen und Empathie entstehen genau in diesem Mehrklang aus Bekanntem und Neuem. Dabei blickt der Film hinter die Kulissen der Charaktere und öffnet uns die Augen für persönliche Geschichten, die jeder gerne für sich behalten hätte. Wir haben vieles geahnt, viel vermutet, versucht zu verstehen, warum Leos Vater sich in der Klinik rargemacht hat. Jetzt verstehen wir. Das normale Leben wird durch Diagnosen zerstört, normale Fußballspiele werden zum Alptraum und familiäre Enttäuschungen münden in Magersucht. Dieser Blick zurück auf das Vorher bewirkt, dass wir mit einem Gefühl aus dem Kino gehen, das mehr als wertvoll ist. Das Leben zu genießen, weil man nicht alle Zufälle beherrschen kann, ist der Schlüssel zum persönlichen Glück.

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Club der roten Bänder – Wie alles begann

Wie alles begann“ ist in vielerlei Hinsicht ein großer cineastischer Wurf. Man spürt der gesamten Crew an, dass hier etwas Magisches fortgesetzt wird. Die Atmosphäre dieser Verfilmung knüpft nahtlos an die Staffeln an, denen sie eigentlich den Weg bereitet. Es wühlt auf, treibt uns die Tränen in die Augen und besticht in Dialogen und Bildern. Dazu ein grandios aufspielender Jürgen Vogel, den man anfänglich hassen und dann später lieben muss. Das fehlende rote Band ist gefunden. Ein absolutes Muss für alle Fans. In jeder Beziehung gelungen und viel mehr als ein simples Prequel. Und wer ganz genau hinschaut, der erkennt am Ende des Films sogar jemanden, der hier mehr als nur eine kleine Gastrolle spielt. Einer der vielen Wow-Momente dieses Films. Nach dem Film ist vor dem Film. Raus aus dem Kino und hinein in die „alten“ Staffeln. Ich konnte einfach nicht anders. „Club der roten Bänder – Wie alles begannist eine Initialzündung für einen erneuten Blick auf eine Serie, die uns verändert hat. Großartig!

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Club der roten Bänder – Wie alles begann

Schloss aus Glas von Jeannette Walls (Buch und Film)

Schloss aus Glas von Jeannette Walls

Was geben wir unseren Kindern mit ins Leben? Sind unsere Lebensentwürfe gute Wegweiser oder versagen wir in unserer Vorbildfunktion? An welcher Stelle erweist es sich, ob wir die Weichen falsch gestellt und unsere liebsten Kinder aufs Abstellgleis der Gesellschaft manövriert haben? Fragen, die sich Eltern immer wieder stellen. Fragen, die sich auch in der Literatur widerspiegeln. Ich blicke selbst auf mein Elternhaus und die Lebensphilosophie zurück, die mir dort vermittelt wurde. Und gerade als Vater bin ich zutiefst gefesselt von Romanen, die Geschichten erzählen, die nie erzählt werden müssten, hätten sich Väter nicht so unverantwortlich und lebensfremd verhalten. Möge mein Weg in der Rückschau für meine Kinder nicht in einen solchen Roman münden.

Ich hoffe, ich habe ihnen niemals Luftschlösser gebaut. Ich hoffe, ich habe nicht in den Sand gesetzt, was ein solides Fundament braucht. Ich hoffe, ich war ein passabler Architekt für das Lebenshaus mit vielen bunten Zimmern, in denen sich meine beiden Kinder einrichten mussten. Ich hoffe, ich habe ihnen kein „Schloss aus Glas“ in den Himmel gemalt, ohne es jemals wirklich zu bauen. Ich kann es nur hoffen.

Schloss aus Glas von Jeannette Walls

Rex Walls ist ein solcher Vater. Alkoholiker, Tagträumer, Lebenskünstler und sogar Vater von vier Kindern und Ehemann. Dieser Lebensentwurf passt zum egomanischen und lebensfremden Charakter seiner Frau Rose Mary. Keine Jobs, keine Einkommen und Träume von völliger Unabhängigkeit in einer kapitalistisch ferngesteuerten Welt im Kopf. Würden die realitätsfremden Eltern ihren Lebensentwurf für sich realisieren, alles wäre gut. Was sie ihren vier Kindern jedoch damit antun, erzählt uns Jeannette Walls in ihrem unfassbar eindringlichen Roman „Schloss aus Glas„. Autobiografisch ist der Roman mit Sicherheit, wenn wir jedoch denken, er sei die Generalabrechnung mit dem katastrophalen Elternhaus, dann haben wir uns getäuscht.

Denn abgesehen von allem Materiellen, von Stabilität und einem Zuhause, hat das junge Mädchen alles, was sich eine Tochter nur wünschen kann. Ihr Vater holt ihr im wahrsten Sinne des Wortes die Sterne vom Himmel, liebt sie aufrichtig und bringt ihr vagabundierend in der freien Natur vielleicht mehr bei, als sie in einer Schule jemals gelernt hätte. Ihre Kindheit verläuft wie ein wilder Road Trip und ihr Klassenzimmer ist die Weite des Landes. Ein amerikanischer Traum, ein Rebellenleben, ein Ausstieg, der von den Walls konsequent gelebt wird. Zusammenhalt und gemeinsame Werte strahlen über ihrer Familie, die doch davon träumt, irgendwann sesshaft zu werden. Der Glaube und die Hoffnung an dieses Zuhause hält alles zusammen. Ihr Vater hat einen Plan, wie dieses Zuhause aussehen soll. Ein „Schloss aus Glas“ plant und zeichnet er für seine Familie. Ein Plan der immer nur ein leerer Traum bleiben wird.

Schloss aus Glas von Jeannette Walls

Liebevoll beschreibt Jeannette Walls diese Momente der Geborgenheit. Für ihre Geschwister und sie könnte das Leben immer so weitergehen. Das kleine Glück dieser Familie liegt im Zusammenhalt und in der Zuneigung, die alles verbindet und übertüncht was fehlen könnte. Man besetzt leerstehende Häuser, stiehlt sich durch die Shops am Rand der Straßen und flieht vor der Vergangenheit des Vaters, die sie immer einholt, wenn sich das Leben gerade eine konstante Pause gönnt. Ohne Krankenversicherung zu leben bringt die Kinder in Lebensgefahr und selbst die schwer verbrühte Jeannette wird aus dem Krankenhaus entführt, um Geld zu sparen. Das Gleichgewicht kippt mit zunehmendem Alter der Kinder. Die Aussagen ihres Vaters verlieren den letzten Rest von Glaubwürdigkeit und sein Alkoholismus tritt immer bedrohlicher zutage. Der Rausch des Vaters wird vom Essensgeld der Familie bezahlt.

Zerrissen zwischen Liebe und Zukunftsangst zieht Jeannette Walls im Alter von 17 Jahren die Notbremse. Jeden müden Cent hatte sie für sich und ihre Geschwister vom Mund abgespart. Gemeinsam entwerfen sie einen Fluchtplan. Als Jeannette flieht, lebt ihre ältere Schwester bereits in New York. Die Geschwister schaffen den Absprung und ein neues Leben beginnt. Jeannette macht ihren Schulabschluss, arbeitet sich bis zu einem Studium hoch und wird zu einer beliebten Klatsch-Kolumnistin des New York Magazine. Sie geht einen Weg, den ihre Eltern verabscheut hätten. Heirat, Einkommen und ein sicheres Zuhause. Wie ihre Geschwister findet sie ihr Glück. Als sie ihre Mutter jedoch in New York beim Betteln erkennt, bricht die Vergangenhei9t auch in ihr neues Leben ein. Das Schloss aus Glas zersplittert in der letzten Konfrontation mit Rex Walls.

Schloss aus Glas von Jeannette Walls

Hassliebe durchzieht diesen Roman, wie ein roter Faden. Doch in keiner Sekunde verleugnet Jeannette Walls die tiefe Beziehung zu ihren Eltern. Versöhnlich klingt der Roman nicht, allerdings auch nicht wie eine Anklageschrift. Was können Eltern ihren Kindern noch mehr antun, um gehasst zu werden? Wie mutig ist es, ein solches Buch zu schreiben und der ganzen Welt zu zeigen, woher man kommt und was man erleben musste, um sein kleines Glück zu finden? Der Roman wurde zum absoluten Bestseller. Kein Wunder, dass ihm schnell seine Verfilmung folgte. „Schloss aus Glas“ überzeugt mit einem grandiosen Aufgebot herausragender Schauspieler. Brie Larson, bekannt aus „Raum„, als Jeannette Walls spielt ebenso perfekt, wie Naomi Watts in der Rolle von Rose Mary, ihrer Mutter. Besonders gelungen jedoch ist die Besetzung der Kinder in der frühen Phase der Entwicklung dieser Geschichte.

Der bewegende Film adaptiert das Buch nicht nur, er macht es zum Kunstwerk auf der Kinoleinwand. Selten habe ich eine stimmigere, stimmungsvollere Verfilmung einer literarischen Vorlage gesehen. Selten habe ich so viele Leitmotive eines Buchs im Kino wiedererkannt und selten zuvor war ich im Kinosessel ebenso gefesselt, wie in meinem Lesesessel. Ich kann diesen Roman und seine Filmfassung nur empfehlen. Beides ist erhellend für Eltern, wichtig für unser Selbstverständnis und einfach ganz großes und emotionales Kino fürs Herz und den Geist. Lest und schaut. Und dann denkt über die Luftschlösser nach, denen wir so lange nachjagen. Denkt dabei an die Kinder, die von unseren Entscheidungen abhängig sind. Verbaut ihnen nicht mit den Traumgebäuden, die niemals Realität werden, den Weg zu ihren eigenen Schlössern..

Schloss aus Glas von Jeannette Walls

Wenn Kinder an den persönlichen Lebensentwürfen ihrer Eltern scheitern. Ein interessanter literarischer Aspekt, der zwei Romane auf besondere Weise miteinander verbindet. Ein weltfremder Vater spielt im „Schloss aus Glas“ von Jeannette WallsAtlantik Verlag, die wesentliche Rolle, während die ziellose Mutter namens Glass ihren Kindern in „Die Mitte der Welt“ von Andreas SteinhöfelCarlsen Verlag, den Boden unter den Füßen wegzieht.

Ein Aspekt, den ich aus Vatersicht beschrieb. Glas in beiden Romanen. Eine sehr brüchige und doch gleichsam magische Verbindung…

Schloss aus Glas von Jeannette Walls

Raum von Emma Donoghue – Platzangst im Kino

Raum von Emma Donoghue - Jetzt als Film

Raum von Emma Donoghue – Jetzt als Film

Vor vier Jahren hieß es für mich, ein Buch aufzuschlagen und bereits beim Lesen der ersten Zeile leicht zusammenzuzucken. Vier Jahre ist dies nun her, und seitdem hat dieser Roman seine ganz eigene Erfolgsgeschichte geschrieben. „Raum“ von Emma Donoghue hat unzählige Leserherzen erobert, obwohl er eine Geschichte erzählt, die so aufwühlend und verstörend ist, wie man es sich in seinen schlimmsten Albträumen nicht erhofft. Und nun, genau vier Jahre später, wirft die Verfilmung von „Raum“ ihre ersten Schatten voraus.

(Weiterlesen -> einfach scrollen / Weiterhören -> hier bei Literatur Radio Bayern)

Sie möchten lieber zuhören? Ein Klick genügt - Literatur Radio Bayern und Raum - Astrolibrium

Sie möchten lieber zuhören? Ein Klick genügt – Literatur Radio Bayern und Raum

Mit vier Oscar-Nominierungen geht die cineastische Adaption des Romans in die diesjährige Oscar-Nacht in Los Angeles. Und dabei gilt es, auf einige Besonderheiten zu achten. Der Film „Raum“ ist nominiert in den Kategorien bester Film, beste Regie, beste weibliche Hauptrolle und bestes adaptiertes Drehbuch. Womit wir erneut bei Emma Donoghue angelangt sind, denn die Bestseller-Autorin hat es sich nicht nehmen lassen, das Drehbuch zur Verfilmung selbst zu verfassen. Dies scheint eine Garantie dafür zu sein, dass die Leinwandadaption dem Buch so nah kommt, wie man es sich als Leser wünscht.. Die Kritiken in Amerika scheinen dies zu bestätigen.

Bevor wir uns am 17. März im Kino davon überzeugen können, möchte ich einen Blick zurückwerfen auf den Roman, der mich seit 2011 nicht mehr losgelassen hat. Ich möchte einen Blick zurückwerfen auf diesen Moment des Lesens der ersten Zeilen von „Raum„. Einen Lesemoment, den ich fast auf den Tag genau vor vier Jahren in meiner Rezension auf LovelyBooks so beschrieb, wie ich ihn zuckend erlebte.

Raum von Emma Donoghue - Besondere Momente

Raum von Emma Donoghue – Besondere Momente

„Ich wohne in Raum – ich schlafe in Schrank. Ich wache im Dunkel in Bett auf.“

Waren der Schriftstellerin Emma Donoghue die Präpositionen ausgegangen, oder wer versuchte hier zu erzählen? Das Zucken dauerte nur einen kleinen Moment und ich freundete mich mit dem fünfjährigen Jack an. Ich tauchte in seine kindliche Realität ein und die ist durch Raum definiert.

Nur Raum ist real. Draußen existiert nicht. Wenige Quadratmeter groß, spartanisch eingerichtet, wahrlich kein Kinderparadies, wahrlich kein schöner Ort zum Aufwachsen, weil Raum einfach keinen Raum dafür lässt.

Ein weiterer gezielter Blick in Raum beruhigte mich – zumindest für den Moment – Jack ist gar nicht allein. Er bewohnt Raum mit seiner Mom und die beiden sind in jeder Beziehung ein mehr als großartiges Gespann. Mom motiviert Jack, sich zu bewegen, seine Zähne ordentlich zu putzen und alles brav aufzuessen. Vorbildlich.

Aber was sie ihm von der Welt erzählt ist schlichtweg falsch – sie belügt ihn und bringt ihn dazu, sich damit abzufinden, dass nur Raum existiert. Alles andere ist einfach nicht vorhanden. Unfassbare Lügen tischt sie ihrem Sohn auf. Schlimm.

Raum von Emma Donoghue - Jetzt als Film

Raum von Emma Donoghue – Jetzt als Film

Bis man begreift. Erst langsam und dann mit schlagartiger Helligkeit. Erkenntnisblitze erhellen jeden Winkel von Raum und dann bemerke ich, dass außerhalb von Raum noch etwas existiert. Nick – der böse Nick – sehr viel älter als Mom und immer, wenn er das Kombinationsschloss öffnet, muss Jack im Schrank schlafen, während seine Mom und der böse Nick auf dem Bett komische Geräusche machen. Und wenn Mom dabei brav ist, gibt es sonntags eine Belohnung.

Raum ist ein Gefängnis.
Mom ist eine vor langer Zeit entführte junge Frau.
Nick ist der Entführer und Kerkermeister zugleich.

Jack ist die Frucht dieses Wahnsinns.

Doch Jack ist die Hoffnung. Er muss nur wachsen und tapfer sein, lernen und gesund bleiben und wenn alles gut geht, dann kann er Mom helfen, aus Raum zu fliehen.

Dann wird Draußen real – dann muss sie Jack viel erklären – sehr viel….

Beklemmung macht sich breit… Breiter als Raum…

Raum von Emma Donoghue - Jetzt als Film

Raum von Emma Donoghue – Jetzt als Film

Emma Donoghue erweitert das Lebensspektrum einer Natascha Kampusch um die Dimension Kind. Sie erweitert die Qualen der Entführung um die Ebenen Fürsorge und Muttersein. Sie erweitert alles bisher Gelesene um die Dimension Jack. Sie macht aus Raum eine eigene Welt. Sie nimmt sich Raum, in dieser umschlossenen Welt die beste Mutter zu sein und das gelingt in dieser Zelle…

Jack ist nun fünf. Alt genug für Mom, ihren Plan endlich wahr werden zu lassen. Den Traum vom Leben in Freiheit zu realisieren, dem Draußen Raum zu geben, Raum gegen Weite zu ersetzen und gemeinsam mit Jack zu fliehen. Der Fluchtweg führt allein über ihren Sohn…

Großer Junge – Großes Buch – Jetzt auch als Film….

Natürlich sind dies viele Vorschusslorbeeren, aber ich habe das Gefühl, dass ich im März eine mehr als gelungene Umsetzung dieses Romans im Kino erleben werde. Brie Larson wurde bereits mit dem Golden Globe für ihre Rolle in „Raum“ ausgezeichnet. Und nun gilt es, ihr auch am 28. Februar in Los Angeles für den Oscar die Daumen zu drücken. Dass sie auf dem besten Weg ist zeigt auch einer der wichtigsten Gradmesser für die Oscar-Verleihung. Am 16. Februar wurde Brie Larson mit dem begehrten British Academy Film Award als beste weibliche Hauptdarstellerin in „Raum“ ausgezeichnet. Sie gilt nun noch mehr als DIE Top-Favoritin auf einen der Oscars von Los Angeles.

UPDATE: Sie hat es natürlich geschafft.

Ich werde diesen Artikel aktualisieren und um die Dimension Film erweitern, wenn ich ihn gesehen habe. Genau hier werdet ihr dann erfahren, ob „Raum“ im Kino die gleiche Platzangst verursacht, wie das Buch. Genau hier werdet ihr erfahren, ob es mir gelingt, mit Jack zu fliehen. Denn nur im Draußen liegt die Wahrheit. Wir suchen unser Heil in der Flucht. Drückt uns die Daumen.

Raum von Emma Donoghue - Jetzt als Film

Raum von Emma Donoghue – Jetzt als Film

Brandheiße NEWS:

Der Piper Verlag wird pünktlich zum Filmstart im März das Taschenbuch zu „Raum“ in neuem Gewand herausgeben. Das Buch zum Film wird auch in der Aktualisierung des Artikels eine Rolle spielen! Hier ganz exklusiv das neue Cover (ET. 01.03.)

Ab März bei Piper - Das Buch zum Film "Raum"

Ab März bei Piper – Das Buch zum Film „Raum“

Es sind Tage im Zeichen von Buch und Film. Tage des intensiven Vergleichens, denn vier Romane, die ich gelesen habe sind die Grundlage für 18 Nominierungen bei der diesjährigen Oscar-Verleihung Ende Februar. Und nicht nur sie tragen dazu bei, dass dieses Fest des Films wohl so literarisch wird, wie nie zuvor.

Über 40 Oscars stehen diesmal in ganz engem Kontakt zu den Büchern, die als Vorlage zur Verfilmung dienten. Ich bin auf Augenhöhe. Habe gelesen und war im Kino. Und ich werde meine Auszeichnung für den Film vergeben, der seiner Romanvorlage besonders nah ist. Bald mehr dazu. Die Reportage entsteht… Und man wird sie hören können.

Literaturverfilmungen und die Oscarverleihung 2016

Literaturverfilmungen und die Oscarverleihung 2016 – Ein Special

Eine weitere kindliche Perspektive: Zach Taylor aus Alles still auf einmal und Jack Newsome aus „Raum“ haben viel zu erzählen. Es lohnt sich, ihnen zuzuhören.

Alles still auf einmal von Rhiannon Navin - AstroLibrium

Alles still auf einmal von Rhiannon Navin

Brooklyn – Eine Liebe zwischen zwei Welten [Film und Buch]

Brooklyn - Eine Liebe zwischen zwei Welten von Colm Tóibín

Brooklyn – Eine Liebe zwischen zwei Welten von Colm Tóibín

Es ist eine kleine und eng umrissene Welt, in die ich heute entführen möchte. Es ist eine Insel, die vom Grün dominiert wird, und auf der sich das Leben nicht so schnell verändert, wie in anderen Ländern. Ich möchte mit Euch einen kurzen Abstecher nach Irland machen, bevor wir dann gemeinsam in See stechen. Irland. Kaum ein anderes Land wird von seinen Menschen so patriotisch und aufrichtig verehrt. Kaum ein anderes Land wird in unzähligen Herzen in die ganze Welt getragen. Mit all seiner Farbe, seiner Musik und seinem Lebensgefühl.

(Weiterlesen oder hören… Sie haben die Wahl.)

Brooklyn - Film und Buch im Vergleich - Auch im Radio ...

Brooklyn – Film und Buch im Vergleich – Auch im Radio …

Denn aus kaum einem anderen Land wanderten im Lauf der Jahrhunderte so viele Menschen aus, um in Amerika ihr Glück zu suchen. Sie trugen Irland in ihrer Seele und prägten ganze Städte, während sie fernab der Heimat ein neues Land entstehen ließen. Weit entfernt von von Armut und Unterdrückung. Fernab von der Hoffnungslosigkeit und doch immer mit der grünen Insel verbunden. Heimat.

Eilis Lacey ist Irin. Sie lebt mit Mutter und Schwester in Enniscorthy. Klangvoll schön, aber ohne große Perspektive. Sie träumt davon, Buchhalterin in einem Büro zu werden, doch die Realität hält sie als Aushilfe hinter der Theke eines kleinen Ladens fest. Bis ihre Mutter und ihre Schwester, unterstützt von einem irischen Priester aus Brooklyn, beschließen, Eilis die große Chance auf ein neues Leben zu ermöglichen. Brooklyn. So weit entfernt und doch verheißungsvoll und faszinierend.

Es ist die Chance ihres Lebens. Brooklyn.

Brooklyn - Eine Liebe zwischen zwei Welten von Colm Tóibín

Brooklyn – Eine Liebe zwischen zwei Welten von Colm Tóibín

Als Eilis 1952 an Bord eines Ozeandampfers geht, verlässt sie eine ganze Welt und folgt den Spuren abertausender Emigranten. Irland und ihre Familie im Herzen. Und die Sehnsucht nach dem Leben in einer Stadt, in der nicht jeder die eigene Tante kennt. Sie braucht ihren Freiraum, auch wenn er einen sehr hohen Preis fordert. Heimweh. Ihr neues Leben nimmt langsam Fahrt auf. Als Verkäuferin in einem Warenhaus bietet sich ihr die Chance, sich in Abendkursen weiterzubilden. Sie findet in ihrer Pension zaghaft Anschluss, verliebt sich in Tony Fiorello und seine italienische Familie, und wächst von Tag zu Tag mehr mit ihrer neuen Heimat zusammen.

Das Heimweh bleibt jedoch ständiger Wegbegleiter und, als würde ihr Irland immer wieder zart an dem unsichtbaren Band ziehen, das beide verbindet, verliert sie niemals den Kontakt in die geliebte Heimat. Briefe wandern über den Ozean. Leben verlaufen getrennt voneinander in völlig anderen Bahnen. Als ihre Schwester überraschend stirbt, beschließt Eilis für einen Monat nach Irland zurückzukehren. Nicht jedoch ohne zuvor Tony heimlich zu heiraten. Sie will ihm dadurch beweisen, dass sie zurückkehren wird.

Zur Beerdigung ihrer Schwester kommt sie zu spät. Ihre Vergangenheit holt sie ein. Aus dem großen Leben in Brooklyn wird für wenige Wochen wieder das ganz kleine beschauliche und behütete Leben an der Seite ihrer Mutter, die nichts mehr fürchtet, als Eilis wieder zu verlieren. Wer nun denkt, Irland würde sich leichten Herzens von seinen Kindern trennen, der erlebt nun, wie Enniscorthy den Kampf um die verlorene Tochter aufzunehmen beginnt. Ihre Abreise verschiebt sich. Mal ist es die Hochzeit ihrer besten Freundin, mal ist es ein neuer Job, der ihr angeboten wird und der sie fordert. Und dann ist es nicht zuletzt ihr Jugendfreund Jim Farrell, der sich in Eilis verliebt und sie nicht mehr gehen lassen möchte.

Brooklyn - Eine Liebe zwischen zwei Welten von Colm Tóibín

Brooklyn – Eine Liebe zwischen zwei Welten von Colm Tóibín

Der klassische Gewissens- und Herzenskonflikt stürzt mit voller Wucht auf die jungen Frau ein. Die Heimat klammert, eine berufliche Selbstverwirklichung scheint möglich und zarte Gefühle ummanteln das neue Rundum-Wohlfühlpaket namens Irland. Doch in Brooklyn wartet Tony. Er schreibt ihr und hofft, dass Eilis den Weg zurück in ihr neues Zuhause findet. In ein Zuhause, das er mit eigenen Händen aufbauen wird. In einer neuen Welt, in einer Stadt, in der man frei sein kann und nicht jeder Schritt unter Beobachtung steht. Weit oder eng? Fern- oder Heimweh? „Eine Liebe zwischen zwei Welten“. Passender könnte ein Untertitel zu Brooklyn von Colm Tóibín nicht sein.

Eine einfache und kleine romantische Geschichte, könnte man vielleicht meinen. Eine klassische Herz-Schmerzgeschichte voller Klischees, könnte man denken. Ein rein emotionales Rührstück für Zwischendurch? Könnte man annehmen. Gäbe es da nicht einen irischen Autor, dem es gelingt, auch den leisesten Hauch von oberflächlichem Kitsch aus seiner Geschichte zu verbannen. Gäbe es da nicht jenen Colm Tóibín, der aus dieser Geschichte der Zerrissenheit das Portrait einer jungen Frau entstehen lässt, das berührt und mitreißt.

Und gäbe es da nicht einen Drehbuchautor. Einen mit ganz großem Namen. Nick Hornby. Gäbe es da nicht einen Schriftsteller, der diesen Roman für seine Verfilmung adaptierte. Jenen Nick Hornby, den die Faszination für die junge Eilis gepackt hatte und der sich auf die Fahne schrieb, ihr (noch mehr als im Buch) mit filmischen Mitteln Gehör zu verschaffen. Dazu hat er ihre individuelle Lautstärke erhöht, so formulierte er es in einem Interview. Hornby hat der Perspektive des Betrachters das Innenleben von Eilis eröffnet und ihr mit Gestik, Mimik und Worten in der Geschichte den Raum verschafft, den sie im Roman oft nur indirekt einnimmt.

Brooklyn - Eine Liebe zwischen zwei Welten von Colm Tóibín

Brooklyn – Eine Liebe zwischen zwei Welten von Colm Tóibín

Und gäbe es da nicht die Schauspielerin Saoirse Ronan, die eine Eilis verkörpert, die in jeder Nuance ihres Blickes die Sehnsucht, das Heimweh und die Suche nach einem neuen Leben ins Herz des Betrachters trägt. Eine junge Schauspielerin, deren Entwicklung im Film an den Augen abzulesen ist. Deren Haltung sich verändert, die an sich und in sich wächst, sich behutsam an Neues herantastet und in magischen Szenen des Films, nur zu einer irischen Melodie die Augen schließen muss, um den Zuschauer zu Tränen zu rühren.

Und gäbe es da nicht die Verfilmung selbst. Einen Film, der mit Farben spielt und die Menschen im Vordergrund lässt. Einen Film, der nicht durch seine Sequenzen hetzt, sondern mit viel Tiefenschärfe Raum für Entwicklung gibt. Einen Film, der das Grün von Irland im Mantel von Eilis mit an Bord des Dampfers nimmt, und der diese Farbe in Brooklyn immer weiter verblassen lässt und es schließlich durch leuchtendes Blau und Gelb ersetzt. Ein szenisches Farbenspiel, das seinen Betrachter genau in dem Moment trifft, wenn Eilis in einem tiefen Sehnsuchtsmoment den Blick nach oben wendet und im grünen Blätterregen eines Baumes verharrt. Irland.

Drehbuchautor, Schauspielerin und Film sind in ihren Kategorien für drei Oscars nominiert. Und das aus gutem Grund. Das Bild von Saoirse Ronan als Eilis ziert das Buchcover der Neuauflage des Romans bei dtv. Der magische Blick lädt ein, mit ihr an Bord zu gehen. Ihr Gesicht ziert die Filmplakate in aller Welt und weckt Empathie mit einer jungen Frau, in der Stärke und Schwäche in einem charakterlich ausgewogenen Mix die wahre Persönlichkeit zeigen. Ein Film, der seiner Romanvorlage in besonderer Weise gerecht wird, weil eben ein Nick Hornby am Lautstärkeregler gedreht hat.

Am 16. Februar wurde „Brooklyn – Eine Liebe zwischen zwei Welten“ als bester britischer Film mit dem begehrten British Academy Film Award ausgezeichnet.

Brooklyn - Eine Liebe zwischen zwei Welten von Colm Tóibín

Brooklyn – Eine Liebe zwischen zwei Welten von Colm Tóibín

Doch wie kann man sich der Geschichte am besten nähern? Lesen oder schauen? Wo sind die Unterschiede? Sind sie gravierend? Ich empfehle Euch den Film. Er ist ein Meisterwerk in seinen Bildern, den Farben, seinen Schauspielern und der feinfühligen Musik von Michael Brook. Ich empfehle den Film, weil Saoirse Ronan so sehr Eilis ist, wie man sie sich nur vorstellen kann. Ich empfehle ihn, weil er Szenen beinhaltet, die Stein aufweichen können. Wenn Eilis zum Beispiel bei einer Armenspeisung alte irische Einwanderer in Brooklyn bewirtet und man ihr zum Dank ein Volkslied singt. Ihr werdet diese Szene nicht mehr vergessen.

Und doch empfehle ich auch das Buch, denn im Film gelingt es nur, die Zuschauer mit eineinhalb Lieben zu konfrontieren. Jim Farrell ist nett und sympathisch, bleibt aber hinter dem in Brooklyn wartenden Tony zurück. Er ist im Film nicht die emotionale Konkurrenz für den Mann, den Eilis kurz zuvor geheiratet hat. Hier fehlt dem Film die Verlockung des Buches. Hier entfaltet dieser Roman das ganze Konfliktpotenzial einer Liebe zwischen zwei Welten und lässt die Romanze zwischen Eilis und Jim substanziell und gefährlich werden. Hier strömt das Buch eine melancholische Zerrissenheit aus, die nur durch eine Entscheidung von Eilis aufzulösen ist.

Und letztlich empfehle ich den Film, denn er geht am Ende dieser Geschichte einen Schritt weiter als das Buch. Er zeigt eine Szene, die wir uns lesend erträumen, sie aber nicht erlesen dürfen. Der Film öffnet einen letzten Vorhang, ohne den ich nicht leben möchte. Einfach schön. Denn Geschichten dürfen auch einfach schön sein, egal wie sie enden. Ich empfehle beides. Toll, gell? Ihr findet die Dialoge und Gefühle des Buches im Film wieder und seht eure Lesegefühle an der Leinwand zur Realität werden. Wenn dann die Musik Euer Lesen und Schauen umhüllt, dann seid Ihr angekommen. In Brooklyn. Erst dann wisst Ihr, was „Eine Liebe zwischen zwei Welten“ bedeutet. Und Ihr habt Eilis kennengelernt.

Das ist das größte Geschenk.

Brooklyn und Dre Mann, der das Glück bringt - New York und Emigration...

Brooklyn und Der Mann, der das Glück bringt – New York und Emigration…

Irland in meinem Lesen und Schreiben:

Die Geschichte des Regens von Niall Williams – DVA + Audio-Rezension
Ein langer, langer Weg von Sebastian Barry – Steidl Verlag

New York / Brooklyn vor dem Hintergrund Migration:

Der Mann, der das Glück bringt von Catalin Dorian Florescu – C.H. Beck

Und wer mehr von Saoirse Ronan sehen mag: Maria Stuart – Ein Spektakel

Literaturverfilmungen und die Oscarverleihung 2016 - Eine Reportage folgt

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