Anne Frank – Zum 85. Geburtstag einer guten Freundin

Anne Frank - Zum 85. Geburtstag einer guten Freundin

Anne Frank – Zum 85. Geburtstag einer guten Freundin

Herzlichen Glückwunsch zum Geburtstag, liebe Anne!

Ich denke, dass man an diesem ganz besonderen Tag einen Artikel über Anne Frank genau so beginnen darf. Seit ich denken kann, begleitet sie mich durch mein Leben und meine ganze Schulzeit war geprägt von Gedanken an ein junges jüdisches Mädchen, das niemals erwachsen werden durfte. Gedanken an eine junge Frau, die im KZ Bergen-Belsen auf grausame Weise starb

Anfang März 1945 – also kurz vor dem Ende des Zweiten Weltkrieges – endete für die erst fünfzehnjährige Jüdin Anne Frank ein langer Leidensweg. Gemeinsam mit ihrer drei Jahre älteren Schwester Margot erkrankte sie an einer der unzähligen Epidemien, die im Konzentrationslager Bergen-Belsen grassierten und verstarb ohne medizinische Versorgung, geschwächt und ohne dass man das Todesdatum genau aufzeichnete. Ihr Leben war nichts wert – nicht für die im Rassewahn wütenden Nationalsozialisten.

Um der Verfolgung durch die neuen Machthaber zu entgehen flüchtete die Familie Frank in weiser Voraussicht bereits 1934 von Frankfurt nach Amsterdam. Als sich nach der Besetzung Hollands durch die Wehrmacht die Lebensumstände auch dort für die jüdische Bevölkerung täglich verschlimmerten und die drohende Gefahr der Deportation in ein Konzentrationslager immer greifbarer wurde, entschloss man sich 1942 dazu, im Untergrund zu verschwinden – abzutauchen.

Worüber wir reden, wenn wir über Anne Frank reden...

Worüber wir reden, wenn wir über Anne Frank reden…

Annes Vater, Otto Frank, hatte im Hinterhaus der Prinsengracht 263 ein Versteck für die Familie vorbereitet, in das man sich ab dem 06. Juli 1942 zurückzog. Ohne sich von Freunden oder Menschen aus dem Umfeld verabschieden zu können, verschwand die Familie Frank von der lebensgefährlichen Bildfläche…

Gute Freunde von Anne standen völlig verwundert vor der leeren Wohnung und vermuteten, dass die Franks in einer Nacht- und Nebelaktion geflüchtet sein mussten. Die Lebensumstände in diesem Versteck waren dramatisch. Ständige Angst entdeckt zu werden, der tägliche Kampf um die Versorgung mit den lebenswichtigen Dingen und die völlige Abschottung von der Außenwelt stellten nicht nur für die Erwachsenen eine enorme psychische Belastung dar.

Anne Frank flüchtete sich seit dem 12. Juni 1942 (ihrem 13. Geburtstag) in die Welt ihres Tagebuches, in dem sie das tägliche Leben der ganzen Familie, ihre Ängste und Gedanken, sowie die fehlenden sozialen Kontakte zu verarbeiten versuchte. Sie schrieb in Briefform an teilweise fiktive Freunde oder Verwandte, für die sie Codenamen erfand, damit im Falle einer Entdeckung das Tagebuch nicht zuviel verraten würde. Ein weises Mädchen.

Anne Frank - Die Gesamtausgabe - Fischer Verlag

Anne Frank – Die Gesamtausgabe – Fischer Verlag

Mit der „Anne Frank – Gesamtausgabe aus dem Fischer Verlag liegt seit wenigen Wochen erstmals eine umfassende Veröffentlichung dieses Tagebuchs vor. Nicht nur die eigentlichen Tagebuch-Texte sind hier veröffentlicht, man erkennt auch deutlich, dass Anne Frank sich schreibend darauf vorbereitete, diese privaten Aufzeichnungen nach dem Krieg zu veröffentlichen.

Diese überarbeiteten Passagen zeugen von dem unfassbaren Erzähltalent dieses jungen Mädchens, da sie es schafft, ihre Leser zu Mitbewohnern der Prinsengracht zu machen. Niemand wird diese Zeilen voller Tragik, Angst, Gefühl und Hoffnung jemals vergessen. Niemand kann sich dieser jungen Frau entziehen und ihre Worte bleiben zeitlos gültig, tragfähig und verleihen dem Gedenken an die Opfer des Holocaust ein Gesicht.

„O ja, ich will nicht umsonst gelebt haben wie die meisten Menschen. Ich will den Menschen, die um mich herum leben und mich doch nicht kennen, Freude und Nutzen bringen. Ich will fortleben, auch nach meinem Tod.“ 

Tagebucheintrag, 5. April 1944

Diese absolut lesenswerte Anne Frank-Gesamtausgabe wird durch weitere, zum Teil bisher unveröffentlichte Ereignisse aus dem Hinterhaus, Erzählungen, Briefe, Fotos und Dokumente ergänzt und zum unverzichtbaren Bestandteil einer privaten Bibliothek Gegen das Vergessen!

Deine beste Freundin Anne Frank - Jacqueline van Maarsen - KJB

Deine beste Freundin Anne Frank – Jacqueline van Maarsen – KJB

Interessant ist natürlich auch die Perspektive von außen. Wie reagierten Freunde und Weggefährten Anne Franks auf ihr Verschwinden? Was hatte man bis zu diesem Tag gemeinsam erlebt und wie reagierten sie auf die Nachricht, dass Anne nie ganz weg war? Konnte man eigentlich begreifen, dass der Mensch, der einem nahe stand, nicht vertrauen konnte und heimlich verschwinden musste? Wie ging man mit diesen Gedanken um und wie konnte die Nachricht vom Tod der Freundin in Bergen-Belsen verkraftet werden?

Deine beste Freundin Anne Frank von Jacqueline van Maarsen ist aus meiner Sicht hier das aussagekräftigste Zeitdokument – erschienen bei Fischer KJB. Gute, ja sogar beste Freundinnen waren sie. Die junge Jacqueline und die gleichaltrige Anne. Schule und Freizeit, gemeinsame Hobbys und Leidenschaften teilten sie und ebenso hart war der gemeinsam Weg durch die Entrechtung der jüdischen Bevölkerung Hollands.

Jacqueline überlebt als Halbjüdin den Zweiten Weltkrieg nur durch Zufall und sucht nach Antworten auf all ihre Fragen rund um das plötzliche Verschwinden ihrer besten Freundin. Erst als Anne Franks Vater ihr das Tagebuch seiner Tochter zeigt, erkennt Jacqueline, dass sie nie voneinander getrennt waren. Die Abschiedsbriefe an die beste Freundin aus der Feder von Anne Frank sind bewegend und stimmen für alle Zeiten nachdenklich!

Anne Frank - Papa kommt nach Hause... Die einsame Heimkehr des Otto Frank

Anne Frank – Papa kommt nach Hause… Die einsame Heimkehr des Otto Frank

Die Familie Frank wurde schließlich verraten und am 4. August 1944 verhaftet, verhört und schließlich in Konzentrationslager deportiert. Nur Anne Franks Vater, Otto, überlebte. Der Rest der Familie Frank wurde in verschiedenen Konzentrationslagern ermordet, oder sie starben an Krankheiten, gegen die man nichts unternahm. Bei seiner Rückkehr nach Amsterdam wurde Otto Frank das Tagebuch seiner Tochter von einem Freund übergeben, der es im Versteck gefunden hatte. Der Rest ist Teil einer Welle, die ein junges Opfer des Holocaust weltweit zum Symbol des Erinnerns machte.

Für die politische Malerin Peggy Steike und mich ist das Erinnern an die Opfer des Holocaust mehr als eine Mission geworden. Namen statt Zahlen steht über dem Projekt und wir versuchen den Opfern durch ihre individuellen Geschichten wieder ein Gesicht zu geben. Die Anonymität in der sinnlosen Auslöschung menschlichen Lebens ist der größte Baustein in der Mauer des Vergessen. Ihn wollen wir zertrümmern.

Wir wollen diesen Artikel zum Geburtstag von Anne Frank mit einem Geschenk von Peggy Steike schließen. Wir sehen Otto Frank nach dem Krieg bei seiner Rückkehr in das Familienversteck und können uns denken, wie verzweifelt er gewesen sein muss. Sein verzweifelter Kampf um die bleibende Erinnerung an seine Familie und die Veröffentlichung des Tagebuchs seiner Tochter haben dem Erinnern zeitlos Farbe und Identität verliehen. Anne Frank lebt in uns weiter.

In aller Verzweiflung, Hoffnungslosigkeit und Trauer, die Otto Frank im Versteck von einst beschlichen hat… Seine Tochter hat dort auf ihn gewartet. Leuchtend wie immer.

Anne Frank - Unsterblich in der Erinnerung - Gemälde von Peggy Steike

Anne Frank – Unsterblich in der Erinnerung – Gemälde von Peggy Steike

Peggy Steike hat dieses Gemälde für uns alle, aber auch ganz besonders für die vielen namen- und gesichtslosen Opfer geschaffen. Es wird uns fortan begleiten – es wird unsere Hannah auf ihrem weiteren Weg in die Schulen und Herzen junger Menschen begleiten.

Herzlichen Glückwunsch, Anne. Wir sind bei Dir!

(Unser Anne-Frank-Tag auf Facebook auf einen Blick… hier)

Anne Frank – Ein offener Brief aus bestem Grund… 

Zum 90. Geburtstag von Anne Frank wurde ihr Lebenstraum erfüllt. Ihr Roman hat das Licht der Welt erblickt. „Liebe Kitty“ – Hier geht´s zur Buchvorstellung.

Das Tagebuch der Anne Frank – Graphic Diary

Ein besonderer Tag bei AstroLibrium

Ein besonderer Tag bei AstroLibrium – Mit nur einem Klick zur Zusammenfassung

Hannah – Ein erster Schultag „Gegen das Vergessen“

Hannah - Ein Projekt gegen das Vergessen der Opfer des Holocaust

Hannah – Ein Projekt gegen das Vergessen der Opfer des Holocaust

Hannah“… inzwischen ist dieser Name bereits zum Synonym für unser gemeinsames Projekt Gegen das Vergessen der Opfer des Holocaust geworden. Die politische Malerin Peggy Steike und AstroLibrium haben sich zu einer Allianz des Erinnerns verbündet und wir versuchen hierbei neue Wege zu gehen, um Jugendliche im Dialog zu erreichen.

„Hannah“ steht hierbei für die Individualisierung des Erinnerns„Namen statt Zahlen“ – diesen Leitspruch haben wir uns auf die Fahnen geschrieben und im Artikel zur Darstellung des Projekts sehr umfangreich beschrieben. Von „Hannahs“ Geburtsstunde bis zu ihrem „Ersten Schultag“ war es wirklich kein weiter Weg. In unseren Herzen und Wünschen ging es sogar sehr schnell, bis wir von der ersten gemeinsamen Idee nun schließlich zusammen mit „Hannah“ erstmals jungen Menschen in ihrem Umfeld begegneten. Der Zeitpunkt hätte nicht günstiger sein können.

Wir hatten unseren Besuch angekündigt und nach einem wundervollen Nachmittag im Kinderheim St. Alban stand bereits am Folgetag der erste Schulbesuch bei zwei 8. Klassen einer Mittelschule in Fürstenfeldbruck auf dem Programm. Unterschiedlicher konnten die Rahmenbedingungen kaum sein. Vom gemütlichen Wohnzimmerambiente des Kinderheims am Ammersee bis hin zum Klassenzimmer und in die letzten beiden Schulstunden am Freitag vor dem Wochenende. Genau diese beiden Situationen haben wir gesucht, um selbst beurteilen zu können, wie unser Projekt ankommt.

Hannah - Ein Besuch im Kinderheim und der erste Schultag

Hannah – Ein Besuch im Kinderheim und der erste Schultag

Wir versuchen, den Weg in die erinnernden Herzen junger Menschen mit Hilfe von Bildern und Worten zu finden. Wechselweise und im gemeinsamen Dialog möchten wir bewegende Einzelschicksale vorstellen, die es Jugendlichen ermöglichen sollen, vom individuellen Opfer des Holocaust auf die erdrückende Masse zu schließen. Die reine Vermittlung von Zahlen und Fakten findet hierbei indirekt und aus unserer Sicht noch wirkungsvoller statt, als in der reinen Fixierung auf anonymes Gedenken.

Peggy Steike ist bis an die Zähne bewaffnet, wenn sie einen Raum betritt. Sie hat ihre Bilder dabei und je mehr sie von ihnen preisgibt, je eindringlicher erschließen sich die Geschichten hinter den Portraits, Skizzen und Impressionen. Ihre Waffen sind scharf und sie richten sich „Gegen das Vergessen“ – sie richten sich gegen Ignoranz und Intoleranz. Sie richten sich nicht gegen die Zuhörer und Betrachter. Ganz im Gegenteil. Sie gibt jungen Menschen diese Waffen in Form ihrer Bilder in die Hand, lässt sie selbst abwägen und ausbalancieren und erreicht auf sehr bewegende Weise, dass Jugendliche etwas Greifbares in Händen halten, das ihnen ein Erinnern ermöglicht.

Ihre Bilder sind schonungslos. Sie beschönigen nichts und lassen nichts aus – und doch erzählen sie auf den zweiten Blick und mit den erklärenden Worten der Künstlerin eine Geschichte von Leid, Entbehrung, Misshandlung, Verlust und Tod. Sie erzählen von nicht gelebten Leben und unerfüllten Träumen. Sie erzählen von der einzigen Hoffnung, die blieb: „Ich möchte dass sich jemand daran erinnert, dass es einen Menschen mit meinem Namen gegeben hat.“

Hannah - Peggy Steike und die Macht der Bilder

Hannah – Peggy Steike und die Macht der Bilder

Peggy Steike geht hierbei einen bildhaften Weg und ich unterstütze die Tragfähigkeit der von ihr gebauten Brücke durch die Vorstellung von Opfern des Holocaust, die ihre Erlebnisse zum Teil selbst niederschreiben konnten. Mutige Jugendbücher, in denen die Leidtragenden selbst zu Wort kommen, in denen sie sich unmittelbar an uns wenden und dabei versuchen, nicht nur ihre eigene Geschichte zu erzählen. Sie beziehen alle mit ein, nennen sie beim Namen und bitten verzweifelt um Erinnern.

Wenn Peggy in ihren Bildern das Tor des Konzentrationslagers Auschwitz zeigt und von Selektion spricht, lassen wir Schoschana Rabinovici zu Wort kommen und ich lese aus ihrem Überlebens-Buch Dank meiner Mutter (Fischer FJB) vor, wie sich aus Sicht einer 10jährigen eine solche Trennung in Leben und Tod, das Auseinanderreißen von Familien und der spürbare Verlust des kindlichen Lebens angefühlt hat.

Wenn Peggy Bilder junger Opfer zeigt und darauf hinweist, dass sie in Auschwitz von Dr. Josef Mengele ermordet wurden, dann zitiere ich aus Eva Mozes Kors bewegendem Lebensbericht Ich habe den Todesengel überlebt (CBJ) und gemeinsam vermitteln wir das unfassbare Gefühl von Zwillingsschwestern, von denen jeweils immer nur eine mit tödlichen Krankheitserregern infiziert wurde, um einen direkten medizinischen Vergleich zu haben.

Hannah - Arndt Stroscher und die Macht der Worte

Hannah – Arndt Stroscher und die Macht der Worte

Bei all diesen Bildern und Worten spüren wir, dass wir im aktuellen Bezug zum heutigen Leben Anknüpfpunkte finden, die das Erinnern greifbar werden lassen. Wenn Peggy Steike das Portraitbild des Fußballnationalspielers Julius Hirsch zeigt und wir gemeinsam den Vergleich wagen, dass man im Dritten Reich gewillt war, einen Weltklasse-Fußballer aufgrund seines jüdischen Glaubens „aus dem Panini-Album der Weltgeschichte“ zu tilgen, dann horchen Jugendliche auf. Wenn man dann auf unseren WM-Kader zu sprechen kommt, auf Mezut Özil und Lukas Podolski, und auf rassistische Ausschreitungen in Stadien, dann erkennt man, warum Erinnern wichtig ist.

Wenn Peggy das Eingangstor des KZ Buchenwald zeigt und die Frage in den Raum stellt, wie die Worte „Jedem das Seine“ auf Jugendliche wirken, dann wird es still. Dann merkt man, wie eingeschlossen man sich fühlen kann, wie ausgeschlossen und wie verachtet, da dieser Schriftzug nur zu lesen war, wenn man nach draußen schaute. Perfide Menschenverachtung wird greifbar – besonders, wenn das Bild durchs Klassenzimmer wandert und ganz nah vor Augen ist.

Und wenn man Jugendliche mit ihrem eigenen Trauerverhalten konfrontiert, wenn Freunde bei einem Verkehrsunfall ums Leben kommen, dann wird der Wunsch spürbar, etwas zu tun. Vergessen werden, das wird schnell klar… das ist das Schlimmste, was passieren kann. Da sprechen auch junge Menschen aus Erfahrung. Man muss sie nur zu Wort kommen lassen und das Thema zur Sprache bringen.

Hannah - Wort und Bild - Hand in Hand - Eine Allianz

Hannah – Wort und Bild – Hand in Hand – Eine Allianz

Und genau an diesem Punkt suchen junge Menschen nach ihrer Rolle. Wie können sie gedenken, wie erinnern und was können sie tun? Eine Antwort bietet das Jugendbuch Hanas Koffer von Karen Levine (Ravensburger), in dem eine japanische Schulklasse die Lebensgeschichte der erst 10jährigen Hana Brady durch eigene Nachforschungen rekonstruiert und sogar den überlebenden Bruder in Kanada wiederfindet. Und dies alles nur, weil es einer Lehrerin gelang, das letzte Andenken an dieses Leben… einen leeren Koffer mit der Aufschrift Hana Brady nach Tokio zu bringen.

Wir bauen diese Brücke am Ende des Seminars mit unserer „Hannah“. Es ist das einzige Bild im Holocaust Zyklus von Peggy Steike, in dem ein junges Mädchen unserer Zeit, modern gekleidet mit seinen roten Schuhen das KZ Auschwitz verlässt. Ein Bild, das die jungen Menschen heute direkt ansprechen und an die Hand nehmen soll. Seine Botschaft wird durch meinen Text zum Bild unterstrichen. Wir laden dazu ein, das Bild aus der Nähe zu erkunden und der Geschichte zu lauschen. So lernt man unsere Hannah kennen. Sehend und Hörend. Beide Ebenen führen Hand in Hand zur Erkenntnis: Suche dir EIN Erinnern, EIN Opfer, EIN Schicksal, EIN nicht gelebtes Leben und halte es fest.

Nicht nur in den Zahlen und Fakten liegt der Schlüssel für schuldfreies und doch verantwortungsvolles Erinnern. Vom einzelnen Opfer auf dessen Familie, Freunde und Leben zu schließen, das öffnet den Blick nach und nach auch auf die unvorstellbare Zahl der Opfer. „Hannah“ erzeugt Nähe, man kann sich in ihr wiederfinden und wir waren erfreut, dass es gelang, die Schüler und die Kids von St. Alban aus der Distanz an die Bilder zu bringen.

Hannah baut eine Brücke und lässt Nähe möglich werden

Hannah baut eine Brücke und lässt Nähe möglich werden

Sie haben fotografiert, gefragt, diskutiert und dieser Dialog endete nicht nach dem Seminar, wie uns die Rückkopplungen aus sozialen Netzwerken zeigten. Bilder des kleinen Charles Apteker waren auf den Facebook-Profilen unserer jungen Zuhörer zu finden. Fragen wurden formuliert und der Satz „Ich denke heute an…“ machte die Runde.

Die Abstimmung mit dem Lehrplan der Mittelschule entspricht unserem Königsweg des Erinnerns. Wir trafen die Schüler vier Tage vor ihrem Besuch in der KZ-Gedenkstätte in Dachau und wir denken, durch den vielfältigen und offenen Ansatz mit „Hannah“ eine Rolle angeboten zu haben, in die sich ein Jugendlicher begeben kann. EIN Gedenken, EIN Name, EIN Erinnern… der Rest erschließt sich mit der Zeit.

Die Tatsache dass wir für jede der von uns besuchten Gruppen jeweils eine Begleitmappe zum Projekt mit meinen Artikeln zu den vorgestellten Büchern, einem Verzeichnis und Erläuterungen zu den Bildern von Peggy Steike und die Bücher selbst, den jeweiligen Lehrern oder der Leiterin der Gruppe Don Bosco in St. Alban zur Verfügung stellen konnten, rundet das Seminar in jeder Hinsicht ab. Greifbares bleibt. Gedanken bleiben und die Bilder bleiben in Erinnerung.

„Hannahs erster Schultag“… ein erster Schritt ins Leben des Erinnerns… wir berichten von vielen weiteren Schritten, die es geben wird… wir sind erst am Anfang!

Ich denke an... - Nach Hannah...

Ich denke an… – Unmittelbar nach Hannah…

Eine wichtige Frage blieb am Ende: „Warum findet man die Bilder nicht in einem Museum?“

Unsere gemeinsame Antwort sorgte für erstauntes und wissendes Lachen. „In einem Museum würden sie nicht mit euch sprechen. Ein Museum würden oftmals nur diejenigen besuchen, die dem Erinnern an den Holocaust positiv gegenüber stehen. Was aber, wenn die Bilder mit den Worten zu den Menschen kommen?“ Dies bleibt unser Weg!

Wir danken Lehrern, Schülern, einer tollen Ordensschwester und den Kids von St. Alban für Aufmerksamkeit, offenen Dialog und die warme Gastfreundschaft – und „unseren“ Verlagen für die unschätzbare Unterstützung des Projekts.

Vier Tage später:

4 Tage später - Ein Besuch der 8. Klasse in Dachau - Ein Feedback

Vier Tage später – Ein Besuch der 8. Klassen in Dachau – Ein erstes Feedback

Wir sind bewegt: Ein erstes Feedback, nachdem „unsere“ beiden 8. Schulklassen aus FFB genau vier Tage nach unserem Seminar die Gedenkstätte des Konzentrationslagers Dachau besucht haben. (hier weiterlesen)

Unter der Überschrift „Tage des Erinnerns“ berichtet ganz aktuell die Homepage der Mittelschule über den Schulbesuch von „Hannah“:

Tage des Erinnerns in den 8.Klassen 

Der Holocaust, die größte Katastrophe der Menschheitsgeschichte, stand am 30.5. und 3.6. im Zentrum des Unterrichts in den 8.Klassen. Hierzu trugen ein Besuch einer Künstlerin und eines Bloggers sowie der Besuch der KZ-Gedenkstätte Dachau bei. 

Am Freitag, den 30.5., bekamen die 8.Klassen Besuch von Peggy Steike, einer politischen Malerin, und Arndt Stroscher, der einen eigenen Literaturblog besitzt. Beide zusammen haben ein Konzept des Erinnerns an die Holocaust-Opfer entwickelt, das den einzelnen Menschen in den Mittelpunkt stellt. Das Projekt trägt den Namen „Hannah – Gegen das Vergessen“. „Erinnern“, so der Grundgedanke des Gespanns, „muss den Opfern der NS-Verbrechen wieder einen Namen geben.“ Oftmals werden Jugendliche lediglich mit unvorstellbaren Opferzahlen konfrontiert – dass dahinter unzählig viele Einzelschicksale und Lebensgeschichten stehen, wird hierbei jedoch oft vergessen. So sorgten die beiden durch Peggy Steikes Bilder sowie dem Vorlesen aus ausgewählten literarischen Werken, die die Lebensgeschichten von Holocaust-Opfern erzählen, für eine gespannte und andächtige Atmosphäre bei den Schülern unserer 8.Klassen. 

Genauere Informationen zu diesem Projekt, sowie die Gemälde von Frau Steike, finden sich auf 

https://astrolibrium.wordpress.com/2014/06/02/hannah-ein-erster-schultag-gegen-das-vergessen/ 

Wenige Tage darauf, am 3.6., machten sich die beiden Klassen in Begleitung von Frau Schell, Herrn Rößlein und Herrn Kathrein, auf den Weg in die KZ-Gedenkstätte Dachau. Hier wurden die Schüler bei einem gut zweistündigen Rundgang umfassend über die Lebensbedingungen der NS-Häftlinge im KZ Dachau, aber auch in Vernichtungslagern wie Auschwitz, informiert. Sätze wie „So schlimm habe ich mir das gar nicht vorgestellt.“ waren sehr häufig von den Schülern zu hören – und zeigen, dass dieser Besuch, gerade vor dem Hintergrund des „Hannah“-Projekts, den Schülern einen intensiven und nachhaltigen Eindruck vom Schicksal der Häftlinge und den Grausamkeiten des NS-Regimes vermittelt hat. 

Auf das Fotografieren in der Gedenkstätte haben wir bewusst verzichtet, um im Rahmen des Rundgangs die Eindrücke und Erzählungen besser wirken lassen zu können, und um den Gedenkstättencharakter des KZ Dachau nicht in den Hintergrund rücken zu lassen.

Quelle: http://www.ms-ffb-west.de/index.php?id=339

Das versteckte Kind – Der Holocaust im Comic

Das versteckte Kind - Der Holocaust im Comic

Das versteckte Kind – Der Holocaust im Comic

In den letzten Monaten habe ich mir sehr viele Gedanken darüber gemacht, mit welchen Mitteln man in der heutigen Zeit Jugendliche erreichen kann, um das Erinnern an die vielen Opfer des Holocaust mit konstantem Leben zu füllen. Die grundlegende Veränderung der Medienwahrnehmung von Heranwachsenden bedingt, dass man neue Ansätze suchen muss und sich auf Augenhöhe mit denjenigen begeben sollte, denen man eine tiefe Botschaft mit auf den Lebensweg geben möchte.

Eine Botschaft die eine Wiederholung der Geschichte verhindern, ein schuldfreies Gedenken ermöglichen und den Transfer lebenswichtiger und vorurteilsfreier Gedanken ins Jetzt ermöglichen soll. „Niemals wieder“, wohl das wichtigste Zitat aus der Rede von Papst Franziskus in Yad Vashem vor genau zwei Tagen. An einem Tag, der durch einen Anschlag auf eine Synagoge mit vier Todesopfern in Brüssel überschattet wurde. Niemals wieder.

Aber wie erreicht man dies? Unser Projekt des Erinnerns im Schulprojekt Hannah geht einen besonderen Weg. Wort und Bild – Hand in Hand. Und Hannah ist eben ein modernes Mädchen, das mit seinen Gefühlen nach einem Besuch in Auschwitz nicht zurechtkommt. Wir versuchen hier gemeinsam verständliche Antworten zu geben. Das Erinnern zu Individualisieren. Das ist der gemeinsame Weg, den ich mit der politischen Malerin Peggy Steike eingeschlagen habe. Einer von vielen denkbaren Wegen, neben Jugendbüchern, Filmen, Diskussionen und Begegnungen.

Das versteckte Kind - Der Holocaust im Comic

Das versteckte Kind – Der Holocaust im Comic

Nun liegt mit dem Buch „Das versteckte Kind“ aus dem Panini Verlag erstmals ein Comic (Graphic Novel) vor mir, der die Geschichte eines kleinen jüdischen Mädchens erzählt, das dem ideologischen Wahnsinn des Nationalsozialismus im Dritten Reichs schutzlos ausgeliefert ist. Ich habe mich in die erzählende und bildreiche, ja mehr als bildgewaltige Welt dieses Comics fallen lassen und bin sprachlos und voller neuer Eindrücke aufgetaucht. Um es vorweg zu nehmen – ich bin berührt und begeistert.

Ein mutiges Buch, vor dem man sich nicht fürchten darf. Ein Comic, bei dem man Kinder und Jugendliche nicht allein lassen sollte – sie werden auch nicht alleine bleiben wollen, weil Fragen kommen – wichtige Fragen. Ein Comic, der in der Lage ist, einen Dialog zwischen Alt und Jung zu entfachen. Und genau so beginnt die Geschichte von Dounia und ihrer Enkelin Elsa im heutigen Frankreich. Mit einem solchen bewegenden generationsübergreifenden Dialog.

Großmutter Dounia Cohen denkt oft an die Zeit zurück, in der sie so alt war wie ihre kleine Enkelin. Sie sitzt in sich zusammengesunken im Sofa und betrachtet die wenigen Bilder, die ihr geblieben sind. Familienfotos aus einer glücklichen Zeit. Andenken an ein unbeschwertes Leben im Frankreich vor der Besetzung durch deutsche Truppen im Zweiten Weltkrieg. An einem solchen Abend der Erinnerung kuschelt sich die kleine Elsa ganz dich an ihre Oma und fragt nach dem Grund für ihre Traurigkeit. Und Großmutter beginnt zu erzählen und die Bilder des Comics beginnen einen unglaublich intensiven Sog in die Vergangenheit zu erzeugen.

Das versteckte Kind - Der Holocaust im Comic

Das versteckte Kind – Der Holocaust im Comic

Elternhaus, Schule und Freunde… So sah der Alltag von Dounia aus. Sie beschreibt aus der Sicht eines kleinen Mädchens, wie schön diese Zeit war. Unbeschwert. Bis zu dem Tag, an dem sich alles änderte. Papa erklärte ihr scheinbar fröhlich, dass man ab jetzt eine Sheriff-Familie sei… und als Sheriff habe man einen gelben Stern zu tragen, damit einen auch jeder erkennt. Dounia findet das cool und trägt den Stern auch stolz… aber sie bemerkt, dass sich zuhause die Stimmung ändert.

So wie sich alles ändert. Die Sheriff-Illusion zerbricht, als Dounia plötzlich von allen anders behandelt wird. Ausgegrenzt, verachtet und schlecht behandelt. Lehrer verweisen sie in die letzte Reihe, beim Spielen auf dem Schulhof darf sie nicht mehr mitmachen und egal, wie oft sie sich im Unterricht meldet, sie wird ignoriert.

So wie sich ihr Leben ändert, so verändert sich das Straßenbild ihrer kleinen Stadt. Deutsche Soldaten beschmieren Geschäfte mit dem Davidstern, Verbote schränken das Leben der kleinen Familie immer mehr ein und sie versteht, dass alles damit zusammenhängt, dass sie Juden sind. Beängstigend schnell dramatisiert sich die Lage. Wohnungen werden durchsucht und eines Abends gelingt es Dounias Eltern nur noch, ihre Tochter im Schrank zu verstecken, bevor das Unfassbare geschieht. Vater und Mutter werden verhaftet und fortgebracht. Deportation… Konzentrationslager.

Das versteckte Kind - Der Holocaust im Comic

Das versteckte Kind – Der Holocaust im Comic

Hier beginnt in Wort und Bild der große Leidens- und Hoffnungsweg der kleinen Dounia. Helfende Hände nehmen sie auf, verstecken sie, und kümmern sich darum, dass sie auf den verschiedenen Stationen ihrer Flucht nicht als Jüdin zu erkennen ist. Mit vereinten Kräften gelingt es guten Menschen, das kleine Mädchen zu retten. Als der Krieg zu Ende ist, beginnt die Suche nach ihren Eltern.

Die Opferlisten sind endlos lang. Die Hoffnung beginnt zu schwinden, besonders weil man nun erfährt, dass die jüdische Bevölkerung systematisch ermordet wurde. Und trotzdem kommt es am Ende allen Leids zu einer Begegnung, die nicht nur der Leser, sondern ganz speziell der Betrachter des Comics sein Leben lang nicht vergessen wird. Dounias Mama hat überlebt… aber um welchen Preis.

„Das versteckte Kind“ ist ein großer Beitrag im Kampf „Gegen das Vergessen“. Das Team aus Autor Loïc Dauvillier, Zeichner Marc Lizano und Farbgeber Greg Salsedo haben mehr als einen Versuch gewagt, das Erinnern in Wort und Bild mit sämtlichen Stilmitteln des Comics greifbar zu machen. Gerade hier liegt die Stärke des Genres. Es begibt sich in die Erlebniswelt der Jugend von heute, für die Comics Teil der Lebenseinstellung sind.

Das versteckte Kind - Der Holocaust im Comic

Das versteckte Kind – Der Holocaust im Comic

Der Verzicht auf zu große Detailgetreue in der Gestaltung der Figuren gibt Raum, sich mit ihnen zu identifizieren. Ein Phänomen, dem man nicht erst seit den Zeiten der Manga-Comics begegnet. Die Farbgestaltung vermittelt in allen Nuancen Gefühle, die durch Worte oder Beschreibungen kaum transportiert werden können. Tiefdunkle Traurigkeit, lichte Hoffnungsschimmer und blasse Alltäglichkeit. Und der Text vermittelt eine Nähe, die man wirklich nur empfindet, wenn man seiner eigenen Großmutter zuhört.

Die Stilmittel des Comics sind gestattet und erlaubt, sie sind wünschenswert, sie sind sogar mehr als zeitgemäß, um an den Schrecken des Holocaust zu erinnern. Empathisch geht man mit der Opfersicht um, Verniedlichungen wird man vergeblich suchen und die reine Fiktionalität des Werks wird durch bewegende Vor- und Nachworte in einen realen Zusammenhang gerückt. Das Menschliche Schicksal mit der notwendigen Ernsthaftigkeit begreifbar zu machen, das ist diesem Comic in außerordentlicher Weise gelungen. Es darf nicht nur einen Weg des Erinnerns geben – die Formenvielfalt entspricht der Wahrnehmungsvielfalt unserer Gesellschaft!

Besonders bemerkenswert ist, dass im Nachwort die französische Geschichte im Dritten Reich offen thematisiert und verarbeitet wird. Die französischen Politiker der Regierung Vichy werden für die Morde an 14000 jüdischen Kindern verantwortlich gemacht. Es ist ein großer Versuch, sich der eigenen Vergangenheit zu stellen – fern ab der ach so einfachen Möglichkeit, die Schuld in deutsche Hände zu legen. Im Nachwort wird die in bewegender Weise klar. Diese Geschichte soll ermutigen, gegen Willkür und Ungerechtigkeit zu kämpfen, seine Stimme zu erheben und damit zu verhindern, dass jemals wieder der ideologische Wille, ein ganzes Volk auszulöschen, ausreicht millionenfach unschuldiges Leben auszulöschen.

Das versteckte Kind - Der Holocaust im Comic

Das versteckte Kind – Der Holocaust im Comic

Am Ende der Geschichte kommen die Tränen. Die der Großmutter Dounia über alle Verluste und Opfer. Es sind hoffnungsvolle Tränen, weil das Überleben der Mutter sie vor dem Schlimmsten bewahrt hat. Es sind erleichterte Tränen, sich von der Last der Erinnerung befreit zu haben, indem sie geteilt wurde. Es sind Tränen, die den Opfern gerecht werden und den jüdischen Menschen, die den Holocaust überlebten.

Diese Tränen verleihen dem Erinnern ein Gesicht, auch wenn es das Gesicht einer alten Frau in einem Comic ist. Dieses eine Gesicht ist jedes Gesicht. Das wird jedem Betrachter klar, ebenso, wie man realisiert, dass dieses Opfer jedes Opfer ist.

Wir sind die Enkel. Wir können die Last nehmen, auch ohne persönlich betroffen zu sein. Wir können das Gewicht der Erinnerung und der Sinnlosigkeit tragen helfen, indem wir zuhören und betrachten, erzählen und gedenken. Es wird die Zeit kommen, in der wir uns nicht mehr mit Überlebenden der Shoa unterhalten können. Es wird die Zeit kommen, da werden nur noch indirekte Erinnerungen greifbar sein. Es wird die Zeit kommen, in der wir den künftigen Generationen berichten müssen.

Wir gehen diesen Weg mit Hannah… und haben Dounia und die kleine Elsa im Herzen.

Das versteckte Kind findet das Hannah-Projekt

Das versteckte Kind – Der Holocaust im Comic

Die Individualisierung des Erinnerns – Hannah kommt…

AstroLibrium - Hannah - Ein Gemeinschaftsprojekt

AstroLibrium – Hannah – Ein Gemeinschaftsprojekt

Aktives und nachhaltiges Erinnern benötigt Konzepte, die tragfähig sind und sich auf Augenhöhe mit den Menschen begeben, die man erreichen möchte, wenn man Gegen das Vergessen der Opfer des Holocaust liest, schreibt und lebt.

Die Individualisierung der Erinnerung ist hierbei greifbarer als die pure Konfrontation mit Zahlen. Ein Weg den auch die Literatur, besonders im Bereich Jugendbuch, gezielt eingeschlagen hat, um jungen Menschen den Blick vom einzelnen Opfer auf das unbegreifbare Ausmaß der Shoa zu ermöglichen.

Journalistisch begleite ich diese Bücher schon seit den ersten geschrieben Zeilen bei Literatwo und sehe ihre Wirkung auf Menschen jeden Alters. Auf diesem Wege öffnete sich nun eine weitere Tür, dem Erinnern eine breitere Basis zu geben. Sie ist jetzt weit geöffnet und ich möchte hier mehr als nur das Projekt „Hannah“ vorstellen. Die Begleitbücher und Projektbroschüren sind fertig, die Termine an Schulen und in Kinderheimen sind vereinbart und nun beginnt „Hannah“ zu leben. Ich möchte sie Ihnen auf diesem Wege näher bringen.

AstroLibrium - Hannah - Ein Begleitbuch - Namen statt Zahlen

AstroLibrium und Peggy Steike – Hannah – Begleitbuch und Projektbroschüre

Die Bilder aus dem „Holocaust-Zyklus“ der politischen Malerin Peggy Steike individualisieren das Erinnern auf ihre ganz besondere Art und Weise, machen Geschichte und persönliches Schicksal im Holocaust greifbar. Sie geben Identität und Lebensgeschichte zurück, erinnern an ein Leben vor der Shoa und zeigen auf, welche Träume nicht weiter gelebt werden konnten.

Die in Grautönen gehaltenen Gemälde vermitteln den Hauch der Vergangenheit und eine gewisse, auch schützende, Distanz zu den Ereignissen von einst. Sie zeigen die Menschen, die hinter Zahlen verborgen sind und werden im gemeinsamen Dialog mit Leben gefüllt. Einem Leben, das aus ideologischen Gründen zum Tode verurteilt war.

Die Bilder von Peggy Steike entfalten in ihrer Dimension eine vergleichbare Wirkung, wie ein bewegend erzählter Zeitzeugenbericht aus Opfersicht. Sie bleiben haften, sie verankern sich im Herzen und schaffen die Möglichkeit einer Auseinandersetzung mit dem Einzelschicksal.

AstroLibrium - Peggy Steikes Holocaust Zyklus und Hannah - Ein großer Kontrast

AstroLibrium – Peggy Steikes Holocaust Zyklus – Der Beginn des Dialogs

Was lag also näher, als diese Bilder mit den Büchern in Verbindung zu bringen, die seit Jahren mein Schreiben über die unglaublichen Ausmaße und Folgen des Holocaust begleiten? Ein erster gemeinsamer Auftritt vor Schülern der achten Klasse einer Mittelschule hat uns gezeigt, dass dieser Dialog aus Wort und Bild tragfähig ist.

Und doch wollten und wollen wir mehr. Wir entschlossen uns an diesem Tag zu einem ungewöhnlichen Experiment. Farbe ins Erinnern zu bringen bedeutet eine noch größere Nähe zu erzeugen. Wie bei Bildern der eigenen Großeltern schmilzt die Distanz zu den geliebten Verwandten auf dem Familienfoto, je farbiger es wird.

Diesen finalen Schritt wollten wir gemeinsam wagen. Den Schritt auf den Betrachter zu, um die Botschaft zu vermitteln, was ein Einzelner heute bewegen kann, wie er persönlich erinnern kann und was er zu verändern in der Lage ist. Es ist ein Schritt des Dialogs – ein Schritt in eine neue Richtung des Erinnerns.

AstroLibrium - Hannah - Ein Gemeinschaftsprojekt

AstroLibrium – Hannah – Ein Gemeinschaftsprojekt in Wort und Bild

So entstand „Hannah“. Das erste und einzige Bild im Holocaust-Zyklus der politischen Malerin Peggy Steike, in dem ein modern gekleidetes Mädchen in Farbe ein schwarz-weißes Auschwitzbild verlässt und sich dem Betrachter nähert. Die Annäherung mit einem einzigen Erinnerungsbündel ist die Brücke aus dem Holocaust in unsere Zeit.

Das Bündel begreifbar zu machen… Dieser Aufgabe hat sich mein Text zu „Hannah“ verschrieben. Ich schrieb während Peggy Steike malte. Ich versuchte Antworten zu geben auf die Details, die im Bild zu sehen sind. Ich schrieb, während die Skizze an Farbe gewann und ich versuchte so zu schreiben, wie Peggy malte. Verantwortungsvoll und ohne erhobenen Zeigefinger. Gefühle wollten wir erzeugen.

Es war eine wundervolle Geburtsstunde, die gegenseitigen Reaktionen auf Wort und Bild erfahren zu können und nun begleitet uns „Hannah“ zu Vorträgen in Kinderheimen und Schulen. Sie versucht, den Jugendlichen eine Hand zu reichen und zu vermitteln, dass Erinnern nicht schwer ist. Sie erklärt, dass Erinnern nicht von Schuld kommt, sondern von Verantwortung.

AstroLibrium - Hannah - Ein Gemeinschaftsprojekt - Buchige Begleiter

AstroLibrium – Hannah – Ein Gemeinschaftsprojekt – Buchige Begleiter

„Hannah“ ist die Brücke, die wir bauen wollen, nachdem wir über die Bilder von Peggy Steike gesprochen und zum Thema Holocaust passende Jugendbücher vorgestellt haben. Ich habe den Todesengel überlebt – Ein Mengele-Opfer erzählt von Eva Mozes Kor (CBJ), Dank meiner Mutter von Schoschana Rabinovici (Fischer Schatzinsel) und schließlich Hanas Koffer von Karen Levine (Ravensburger) begleiten uns und sollen den Brückenschlag der Gemälde durch den tragfähigen Pfeiler der Literatur stützen.

„Hannah“ wird dieses Seminar der besonderen Art beschließen. Sie wird sich in Wort und Bild an die Betrachter wenden und dazu aufrufen, sich zu erinnern. An ein einziges Leben, das nie gelebt werden durfte; an ein einziges Opfer; an einen einzigen Namen. „Hannah“ wird zeigen, wie leicht und sinnvoll dieses Erinnern sein kann, um zu verhindern, dass sich Geschichte im Großen oder im Kleinen wiederholt.

Aus diesem Bild und dem Text den Weg zur eigenen kleinen Recherche zu finden; Bücher zu entdecken, die mehr als lesenswert sind; sich gedanklich mit dem einzelnen Schicksal zu beschäftigen und erst in einem weiteren Schritt die Urgewalt der Masse zu erkennen… Dem haben wir uns in diesem Projekt verschrieben.

AstroLibrium - Hannah - Ein Gemeinschaftsprojekt

AstroLibrium – Hannah – Peggy Steike und Arndt Stroscher – Schulseminar

Den letzten Schritt des Verstehens und Erkennens sollen die Jugendlichen selbst gehen. Wir werden sie bitten, Fotos der Opfer auf den Gemälden zu machen, um mit ihren Smartphones und in ihren sozialen Netzwerken ein kleines und wichtiges Zeichen zu setzen.

Unter der Überschrift „Ich denke heute an…“ werden diese Bilder zu einer Kette „Gegen das Vergessen“ und gleichzeitig zum Beginn eines weiteren Dialogs, den wir aktiv begleiten wollen. Nachhaltigkeit ist der Königsweg des Erinnerns. Wort und Bild – Hand in Hand – Gegen das Vergessen – ein gemeinsam getragenes Projekt – Malerei und Literatur.

Mehr als ein Versuch… Eine Brücke ins Jetzt und Heute, die verhindern soll, dass sich wiederholt, was nie hätte geschehen dürfen und verdeutlichen soll, was auch in unseren Tagen in Form von Mobbing, Ausgrenzung und Gewalt an Schulen verursacht werden kann. Jede Schulklasse ist heute in der Lage, für einige Klassenkameraden den Tag zur Hölle werden zu lassen. Empathie und Mut zum Schwimmen gegen den Strom… dazu rufen wir aktiv auf.

Wir danken den Verlagen, die sich uns bis zum heutigen Tag auf diesem Weg angeschlossen haben und ermöglichen, dass die vorgestellten Bücher mit jeweils einem Exemplar in den jeweiligen Schulklassen bleiben können.

Hannah - Zum ersten Schultag mit einem Klick

Hannah –  Zum ersten Schultag mit einem Klick

Wir ziehen jetzt los „Hannah“ lebt und wir werden berichten vom Brückenschlag des Gedenkens. Vielleicht folgen Sie uns auf diesem Weg.