Der Astronaut von Andy Weir

Der Astronaut von Andy Weir - Astrolibrium

Der Astronaut von Andy Weir

Glaubt mir, ich kenne mich aus. Wenn ich allein schon den Namen Andy Weir lese, greife ich reflexartig zum Weltraumanzug für Extra-Vehikulare-Aktivitäten, aktiviere alle Notfallsysteme in der kleinen literarischen Sternwarte, überprüfe meine Notfall-Vorräte, checke das Wetter und die Treibstoffanzeigen, verabschiede mich von meinen Lieben und besteige erwartungsvoll ein Science-Fiction-Weltraum-Shuttle, um mich erneut mit all meiner Fantasie in den Weiten des Alls zu verlieren. Die letzten Missionen an seiner Seite habe ich wirklich nur mit Mühe und Not überlebt. Ich war mit dem „Marsianer“ auf dem Roten Planeten, habe in aussichtsloser Situation die Wissenschaft neu erfunden und eine unbewohnbare Landschaft kultiviert. In „Artemis“ verstrickte ich mich in üblen Machenschaften auf dem Mond. Die Sonderhandelszone und Weltraummetropole war fast mein Untergang, hätte mich Andy Weir nicht mit einem fulminanten Feuerwerk im letzten Moment aus der Schwerelosigkeit gerettet… Glaubt mir, ich kenne mich aus…

Viel Zeit zum Lecken meiner interstellaren Wunden jedoch bleibt mir nicht. Es ist „Der Astronaut“ mit dem Andy Weir seinen Weltraum-Zyklus fortsetzt und mich nicht nur lesend, sondern auch hörend aus meiner irdischen Komfortzone herauskatapultiert. Dabei sollte man ganz genau hinschauen, was sich hinter dem Titel des neuen Romans verbirgt, bevor man sich dieser Mission anschließt. Der Originaltitel lautet „Project Hail Mary„, also ganz direkt übersetzt „Projekt Ave Maria„, und spätestens jetzt sollte jedem noch so großen Fan von Andy Weir klar sein, worauf man sich einlässt. Hier wird nicht gesungen, hier geht es definitiv um ein Himmelfahrtskommando. Waren die Ausflüge zum Mars und zum Mond zuvor zumindest noch mit der Chance auf eine Rückkehr zur Erde verbunden, so sollte man hier der Wahrheit ins ungeschminkte Gesicht schauen. Nach einem Rückflugticket werdet ihr vergeblich suchen. Na, noch dabei?

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Der Astronaut von Andy Weir

Dann los. Der Astronaut Ryland Grace schlägt die Augen auf und befindet sich in einer Situation, die ihn ziemlich befremdet. Die Begleitumstände seines Erwachens sind mehr als unerfreulich. Er kann sich an absolut nichts erinnern. Er ist von Kopf bis Fuß verkabelt und wird von Roboterarmen medizinisch versorgt. Eine Computerstimme folgt seinen Anweisungen. Er ist allein. Die Umgebung ist ihm fremd. Das Bewusstsein beginnt Fahrt aufzunehmen und der analytisch geschulte Wissenschaftler beginnt sich zu orientieren. Er befindet sich an Bord eines Raumschiffs. Von der einst dreiköpfigen Besatzung ist er der letzte Überlebende. Er lag lange Zeit im Koma und wurde nun von einem Programm geweckt. Wozu? Hatte er sein Ziel erreicht? Wo war er? Wer war er und warum war er überhaupt hier? Fragen über Fragen…

Atemlos folgen wir dem inneren Monolog eines Mannes, der sich Schritt für Schritt mit seiner Umgebung auseinandersetzt, um Antworten auf seine Fragen zu finden. Nie zuvor sind wir mit einem ahnungsloseren Protagonisten in ein Abenteuer gestartet. Und dabei lastet eine unglaubliche Verantwortung auf ihm, wie wir nach und nach erfahren. Mit jedem Fetzen des Erkennens erwachen punktuelle Erinnerungen. Mit jedem Knopf, den er betätigt, mit jeder Information, die er sich erarbeitet strukturiert sich das Mosaik seiner Mission. Er, der Wissenschaftler und Lehrer Ryland Grace befindet sich nicht mehr in unserem Sonnensystem. Seine Reise muss Jahre gedauert haben und an ihm hängt das Schicksal des gesamten Planeten Erde. Er ist an Bord der „Hail Mary„, der letzten Hoffnung der Menschheit…

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Der Astronaut von Andy Weir

Es ist die brillante Ausgangssituation, aus der Andy Weir auf den folgenden 550 Seiten schöpfen kann. Es ist das psychologische Drama im Inneren des Antihelden, der alles zu sein scheint, nur nicht der verwegene und mutige Weltenretter. Er begibt sich bewusst in den Funktionsmodus, analysiert seine Lage, das Problem und beginnt mit seinen Forschungen. Wer schon ein Buch aus der Feder dieses Science-Fiction-Autors gelesen hat, der weiß, dass der Begriff Science, also Wissenschaft, in seinen Geschichten sehr viel Raum einnimmt. Man könnte ihn auch als einen „Erklär-Bären“ bezeichnen, der uns alles, was bei drei nicht auf dem Baum ist, bis ins kleinste Detail plausibel macht. Was beim „Marsianer“ schon ausuferte, wird in „Der Astronaut“ zur Geduldsprobe für Leser:innen, die manchmal einfach denken „Boah, drück jetzt auf den Knopf, aber hör auf, mir zu erklären, wer ihn erfunden hat und was sich im Hintergrund alles ereignet.“  

Aber so ist er eben. Wissenschaftliche Fiktion soll aus seiner Sicht wasserdicht und plausibel erzählt werden. Und da es in jener Geschichte kaum etwas Selbsterklärendes gibt, sind wir unserem Lehrer an Bord schutzlos ausgeliefert. Er hat dabei Probleme zu lösen, die jeder Forschungskommission Grenzen aufzeigen würden. Warum verdunkelt sich die Sonne? Wie kann dieser Prozess aufgehalten werden? Wie bewältige ich alle Aufgaben an Bord, für die man drei Astronauten gebraucht hätte? Wie funktioniert der Antrieb, wie kann ich Schwerelosigkeit erzeugen, wie wandle ich die Hail Mary in eine funktionierende Zentrifuge um? Oh ja, Andy Weir erklärt alles aus der Perspektive des Weltraumpioniers, der einige Nackenschläge zu verkraften hat. Spätestens als er sich darüber im Klaren wird, dass keine Rückkehrmöglichkeit vorgesehen ist, wird aus dem Roman ein emotionales Himmelfahrtskommando.

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Der Astronaut von Andy Weir

Es sind überraschende Twists in seinen Handlungssträngen, die diesen Roman zu einem Pagetruner machen. In Rückblenden erfahren wir alles über die Entstehung der Mission, erfahren, warum und wie ausgerechnet ein Lehrer an Bord gelangte und nicht zuletzt ist es eine unglaubliche Erkenntnis, die dieses Weltraumabenteuer in eine völlig neue Richtung lenkt. Ja, Ryland Grace ist der einzige Mensch im All, der versucht, die Erde zu retten. Nein, er ist nicht die einzige Lebensform im Universum, die ausgesandt wurde, um ihre Heimat zu retten. Erstmals in seinem Schreiben betritt Andy Weir das Neuland, uns mit außerirdischem Leben zu konfrontieren. Das ist bewegend, emotional und ist als Alleinstellungsmerkmal unter seinen Büchern allein schon diese weite Reise wert. Die Spannungsbögen reißen nicht ab. Die Probleme potenzieren sich. Und unser Wissensschatz um biochemische, physikalische und elektronische Details wird bald so groß, dass wir die Hail Mary allein fliegen könnten…

Wer den „Marsianer“ liebt und im unendlichen Weltall gerne in Gesellschaft ist, dem sei „Der Astronaut“ dringend ins Raumschiff gelegt. Andy Weir lässt hier keine Fragen offen. Das Ende des Romans gehört zu den besten SciFi-Enden ever, weil es zum Wesen der Mission passt. Ein ehrfürchtiges „Ave Maria“ kam mir in den Sinn, als ich das letzte Kapitel erreichte. Am Ende einer Mission, die mir einiges abverlangt und doch viel gegeben hat. Wer immer denkt, im wissenschaftlichen Bereich der Story sei weniger oft mehr, der sollte sich überlegen, wie viele Fragen wir gehabt hätten. Und im Vergleich zu unserem Astronauten ist die Geduld, die wir aufzubringen haben nichts im Vergleich zu den Anstrengungen eines Lehrers im All, der nicht mehr nur noch das Schicksal der Erde in seinen Händen spürt…

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Der Astronaut von Andy Weir

In Missions-Phasen mit Schwerkraft habe ich den Roman aus dem Heyne Verlag gelesen. Hilfreich sind die Konstruktionszeichnungen der Hail Mary, obwohl ich schon sagte, dass Andy Weir auch die Bauart des Raumschiffs sehr ausführlich beschreibt. Ich war trotzdem dankbar, die Details zusätzlich vor Augen zu haben. Und immer dann, wenn es schwerelos wurde an Bord, bin ich zum Hörbuch von Random House Audio übergegangen. Richard Barenberg überzeugt in seiner unaufgeregten Vortragsweise, weil er einfach die stoische Ruhe behält, egal wie sehr ihm das Wasser bis zum Halse steht – oder der Treibstoff. Die wahre Stärke spielt er ab dem Moment aus, in dem aus Monologen an Bord die ersten Dialoge mit einem Außerirdischen werden. Hier paaren sich Staunen, wissenschaftliche Kommunikation, zunehmender Sarkasmus und echtes Gefühl zu einem Mix, den man nicht mehr so schnell vergessen wird.

Die gekürzte Fassung ist leider nur als Download verfügbar und ich muss meine Andy-Weir-Sammlung um einige Dateien auf meinem Smartphone ergänzen. Schade. Die Mission dauert im Hörbuch 15 Stunden und 30 Minuten, und doch vergeht sie wie im Flug. Einfach zu spannend. Die Kürzungen betreffen hierbei leider in weiten Teilen die Missionsvorgeschichte im Kontrollzentrum auf der Erde. Das wirkt sich schon ein wenig auf den Hörgenuss aus, da es genau diese Kapitel sind, die den „Erklär-Bären“ Andy Weir im Weltraum ein wenig einbremsen. Die Abwechslung fehlt hier ab und an. Dem Abenteuer selbst tut das keinen Abbruch. Und, mit Verlaub, schwereloses Lesen ist machmal einfach zu gefährlich. Welchen Weg Ihr auch wählt, „Der Astronaut“ hat das Potenzial zum unterhaltsamsten Himmelfahrtskommando des Sommers.

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Der Astronaut von Andy Weir

Ich bin schon gespannt auf die Verfilmung von Der Astronaut mit Ryan Gosling in der Hauptrolle. Ich denke, der Film wird ähnlich erfolgreich wie Der Marsianer mit Matt Damon. So, ich desinfiziere jetzt mein Lese-Raumschiff und hoffe, dass ich keine Astrophagen mehr an Bord habe. Die kleinen Sternenfresser passen so gar nicht zur kleinen literarischen Sternwarte… Guten Flug, Euch…

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ARTEMIS – Leben auf dem Mond mit Andy Weir

ARTEMIS von Andy Weir

Es war ein großer Schritt für mich und ein kleiner Schritt für die Menschheit. Ich war gerade einmal sieben Jahre alt, als ich mir mit meinem Vater am 20. Juli 1969 die Nacht um die Ohren schlagen durfte, um gebannt auf den Fernseher zu schauen. Man sah eigentlich nicht viel. Schwarzweiß-Standbilder und langweilige Wissenschaftler, die versuchten Zeit zu überbrücken bis es endlich soweit war. The Eagle has landed. Ein wichtiger Augenblick für die Menschheitsgeschichte. Und ich war mittendrin. Ich fühlte mich, als sei ich Teil von Mission Control in Houston, Texas und befände mich selbst in der Mondlandefähre Eagle und wäre Mitglied von Apollo 11. Sehr übernächtigt wartete ich nun nur noch auf den Moment, in dem der erste Mensch den Mond betreten würde.

In diesen Stunden waren wir alle Neil Armstrong. Wir waren alle auf dem Mond und machten Luftsprünge, wo es gar keine Luft gab. Genossen die geringe Schwerkraft und staunten über Fotos vom Aufgang der Erde am Horizont. Es waren Wundertage an der Seite der Astronauten und ich kann mich noch gut daran erinnern, dass ich Mitleid mit Michael Collins hatte. Denn während Neil Armstrong und Buzz Aldrin auf dem Mond Geschichte schrieben, umkreiste er im Kommandomodul Columbia den Erdtrabanten um auf die Rückkehr der ersten Menschen vom Mond zu warten. Und jetzt bin ich selbst auf dem Mond. Ich habe es endlich geschafft und es hat sich so sehr gelohnt, geduldig zu warten, bis „ARTEMIS“ erbaut war. Ich bin auf dem Mond….

ARTEMIS von Andy Weir

Ein bisschen wehmütig war mir ja schon zumute, als ich Artemis erstmals betrat. Der Landeplatz der Eagle ist inzwischen ein Besucherzentrum für betuchte Weltraum-Touristen und eine riesige modulare Stadt ermöglicht 2000 Bewohnern das Leben auf dem Mond. Hier gibt es alles, was man sich nur wünschen kann. Unter den fünf großen Kuppeln, die durch Korridore miteinander verbunden sind, spielt sich das Leben wie in einer Stadt auf der Erde ab. Es gibt Restaurants, Shops, Bars, eine Zugverbindung zum Besucherzentrum und natürlich jede Menge touristischer Angebote, um für Nervenkitzel zu sorgen. Mondspaziergänge in aufblasbaren Hamsterkugeln zum Beispiel.

ARTEMIS. So heißt die Weltraummetropole. Andy Weir hat sie mit seiner Fantasie erbaut und entführt uns nun schon zum zweiten Mal in die Tiefen des Universums. Der Marsianer“ war ein wissenschaftsgeladener Survival-Thriller, der mir in der Einsamkeit des roten Planeten alles abverlangte, was ich an Überlebenswille aufbieten konnte. Auf dem Mond fühle ich mich in Gesellschaft vieler Mondianer schon deutlich sicherer. Das ist keine Testphase, was ich hier erleben darf. Es ist technisch ausgereift. Der Prototyp einer Mondstadt funktioniert in seiner Infrastruktur bestens, die Energieversorgung steht auf sicheren Füßen. Sauerstoff und Wasser sind keine Mangelware. Und der Mond ist nicht nur als Außenposten der Menschheit im All von Bedeutung. Auch seine Rohstoffe spielen eine große Rolle auf der Erde. Artemis ist ein Hybrid aus Sonderhandelszone und Industriegebiet zur Produktion von Aluminium. Eine doppelte Goldgrube, in der die Schwerkraft alles erleichtert. Ein Sechstel der Erdschwerkraft herrscht vor. Das macht das Leben der Menschen in Artemis leicht.

ARTEMIS von Andy Weir

Das ARTEMIS-Taschenbuch vom Heyne Verlag war mein Mond-Wanderführer und immer wenn die Schwerelosigkeit des guten Lesens das Buch an die Decke schweben ließ, tauchte ich in die Hörbuchausgabe von Random House Audio ein. Ich war also für alle Lesens- und Hörenslagen auf dem Mond bestens gerüstet und ließ mich erneut auf ein Abenteuer von Andy Weir ein. Bevor ich das Werk jedoch rezensiere, möchte ich ein kleines Glossar von ARTEMIS-Begriffen voranstellen, die sowohl das Lesen der Rezension, als auch den Genuss des Buches erleichtern:

KSC – Kenya Space Center
EVA – ExtraVehicular Activity (Mondspaziergang)
DAGL – mega-schnelles Glasfaserkabel
GIZMO – unspezifischer Name für ein Gerät, dessen Namen man vergessen hat
HIB – HüllenInspektionsBot (Miniroboter, der die Außenhaut von Artemis kontrolliert)
MOTE – Mondwährung
GUNK – Mond-Essen für arme Leute (Algen mit Geschmacksstoffen)
FLEISCHDOSE – Touristen-Raumfahrzeug
HAMSTERKUGEL – aufgeblasener transparenter Ball für Mondspaziergänge

So, nachdem ihr den Mondjargon beherrscht, können wir loslegen. Wir schlüpfen in einen EVA-Anzug und erkunden den Mond. Habt ihr euer GIZMO? Ansonsten ist es schwer, sich hier zu orientieren und zu verständigen. Und wenn es gut läuft, verdienen wir da draußen ausreichend viele MOTTEN, um heute Abend essen zu gehen. Und ihr könnt mir glauben, dass wir uns nicht mit GUNK abspeisen lassen.

ARTEMIS von Andy Weir

Zeit, unsere junge Begleiterin kennenzulernen. Jazz Bashara. 26 Jahre alt, schon ein wenig durchgeknallt und DAS absolute Talent, wenn es darum geht, Dinge auf den Mond zu schmuggeln, die hier streng verboten sind. Zigarren und Feuerzeuge, um nur zwei kleine Beispiele zu nennen. Sie hat es faustdick hinter den Ohren, ist gut vernetzt und will aus dem perspektivlosen Leben auf dem Mond etwas mehr rausholen. Dass sie damit genau ins Beuteschema von Geschäftsleuten passt, die ihre kriminelle Energie in einem Paradies für illegale Geschäfte ausleben wollen, wird ihr erst bewusst, als es für sie und ARTEMIS schon fast zu spät ist. Man bietet ihr eine Million Motten, um auf dem Mond das wirtschaftliche Gleichgewicht ins Wanken zu bringen.

Andy Weir gelingt es nicht nur, eine besondere extraterrestrische Gesellschaft zu erschaffen. Er transformiert den Mond und seine Rahmenbedingungen zum Schauplatz eines Wirtschaftsthrillers, der nur in dieser Atmosphäre ohne Atmosphäre spielen kann. Der Mond wurde nicht nur von Wissenschaftlern und Touristen erobert. Er ist Spielball des organisierten Verbrechens, denn wo lässt sich Geld besser waschen, als hier. Die Risiken? Egal. Es geht doch nur um 2000 Menschenleben. Was Chicago und New York schon lange hinter sich haben ereilt nun ARTEMIS. Syndikate beherrschen die Szene. Andy Weir schreibt weniger wissenschaftlich als noch im Marsianer. Er verpackt sein Wissen in Bilder, die uns bewegen. ARTEMIS als Lebensraum für die behinderte Lene, die nur hier ohne Rollstuhl leben kann. Dieser Roman und seine Protagonisten leben vom Mond.

ARTEMIS von Andy Weir

Ich weiß immer noch nicht, wie ich es lebend zurück auf die Erde geschafft habe. Jazz hat ein wahres Feuerwerk abgebrannt, wo es definitiv nicht brennen sollte. Brillant konstruiert, gewohnt brillant erzählt und spannend bis zur letzten Seite und dem letzten Track. Das Hörbuch überrascht uns zweistimmig. Gabrielle Pietermann verkörpert die Erzählperspektive von Jazz Bashara. Eine Stimme, die Daenerys Targaryen in Game of Thrones für unsere Ohren verkörpert, macht nun die kleinkriminelle Heldin mehr als sympathisch greifbar. Ein antizyklisch verlaufender Mailverkehr mit einem jungen Mann auf der Erde unterbricht den Erzählstrom auf dem Mond. Hier erfahren wir viel über die junge Jazz und ihre Gefühle. Diese Briefe von Kelvin liest Marius Clarén. Hier trumpft das Hörbuch groß auf.

Fogt mir auf den Mond. Kommt mit nach ARTEMIS. Erlebt den Thriller, in dem Uhren die Erdphasen anzeigen, man die zunehmende Halberde bewundert, die Kinder Wände hochgehen, Roastbeef eine Delikatesse ist, weil die Kuh 400.000 Kilometer entfernt war und die Liebe von Jazz` Vater sich in der Qualität einer Schweißnaht äußert, mit der er das Leben seiner Tochter retten kann. Folgt mir zum Mond. Es ist kein Spaziergang. Es ist allerfeinste Unterhaltung mit Tiefgang und authentischem sozialem Hintergrund. Andy Weir schreibt uns den Highway to the Moon ins Bücherregal. Und wer das Lesen und Hören bei Schwerelosigkeit nicht mag, wird auf die Erde deportiert und mit Schwerkraft nicht unter drei Monaten bestraft!

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„Der Marsianer“ von Andy Weir [Buch, Hörbuch und Film]

Der Marsianer von Andy Weir - Eine multimediale Betrachtung

Der Marsianer von Andy Weir – Eine multimediale Betrachtung

Da war es endlich wieder. Das große Lesegefühl meiner Jugendzeit. Tief versunken in Robinson Crusoe, allein auf einer einsamen Insel, nichts zu essen, kein Feuer und kein festes Dach über dem Kopf. Und dann die über allem stehende Angst vor den plötzlich auftauchenden Kannibalen. Wenn schon Menschen, dann doch bitte solche, die mir aus der literarischen Patsche helfen konnten. Unvergessene Momente unter der Decke mit Taschenlampe in einem der besten Bücher meines Lebens. Und bis heute war ich fest davon überzeugt, dass man das Gefühl von Einsamkeit kaum besser beschreiben kann und dass ein Stranden auf einer fremden Insel ungefähr das Schlimmste ist, was einem so passieren kann. Bis heute

Da kannte ich allerdings Mark Watney noch nicht! Da waren auch Planeten noch unerreichbarer weit weg, selbst für einen literarischen Sternwärter. Was? Sie kennen Mark Watney nicht? Sorry, den kennt doch jeder, denn er beherrscht die weltweiten Schlagzeilen, taucht in allen Nachrichten auf, und ist der wohl bekannteste Mann der Welt. Zumindest im Roman Der Marsianer von Andy Weir (Heyne Verlag). Warum er so bekannt ist? Nun das ist ganz einfach zu erklären. Er ist die moderne Variante jenes Robinson Crusoe, nur dass seine kleine einsame Insel ziemlich weit von der Erde entfernt ist. So zwischen 56 und 401 Millionen Kilometer. Richtig gelesen. Es schwankt ein wenig, denn Mark Watney befindet sich auf dem MARS!

Und Mark Watney ist nach eigenem Bekunden „Im Arsch!“ Sagt man doch so, in einer absolut ausweglosen Situation. Und das ist sie. Ausweglos, im wahrsten Sinne des Wortes. Mark Watney ist allein. Zurückgeblieben nach einer gescheiterten Mission der NASA auf dem roten Planeten. Die anderen Besatzungsmitglieder mussten den Planeten in einem Sturm Hals über Kopf verlassen, hielten ihn für tot und ließen seine Leiche zurück. Tragisch nur, dass diese Leiche nun putzmunter durch den roten Sand stapft und sich mit dem Gedanken anfreunden muss, hier elendig zu krepieren.

Der Marsianer von Andy Weir - Eine multimediale Betrachtung - AstroLibrium

Der Marsianer von Andy Weir – Eine multimediale Betrachtung

Vorräte für ein paar Wochen, Sauerstoff und Wasser nur für ein knappes Zeitfenster, eine Wohnkuppel, die nur für eine Verweildauer von maximal 31 Tagen eingerichtet ist, einige wissenschaftliche Test-Einrichtungen, zwei mobile Rover, ein paar Raumanzüge für Mars-Spaziergänge und eine Handvoll echte Kartoffeln für ein Thanks-Giving-Essen mit der Crew. Das ist es auch schon. Zumindest auf den ersten Blick. Wenigstens hat er im Vergleich mit Robinson Crusoe nicht mit Kannibalen oder sonstigen Besuchern zu rechnen, wobei Crusoe wenigstens Sauerstoff und Wasser in rauen Mengen hatte. Wie man es auch nimmt: „Mark Watney ist im Arsch!“

Und von Rettung kann wirklich keine Rede sein. Würde sich genau am Tag der Erkenntnis, „im Arsch“ zu sein, ein Rettungsteam der NASA auf den Weg machen, wäre mit einer Ankunft in fast vier Jahren zu rechnen. Traumhaft! Das würde gerade einmal ausreichen, um sich auf die Suche nach den längst verblichenen sterblichen Überresten eines Astronauten zu machen, der schon seit ein paar Jährchen tot ist. Also mehr „im Arsch“ geht eigentlich kaum und Mark Watney realisiert seine Situation schnell. Kein Kontakt zur Erde und ganz auf sich allein gestellt beschließt er, nicht einfach so sang- und klanglos zu sterben, sondern den Kampf aufzunehmen.

„Dann muss mir eben die Wissenschaft den Arsch retten!“, so lautet die eindeutige Kampfansage an einen toten Planeten.

Der Marsianer von Andy Weir - Eine multimediale Betrachtung

Der Marsianer von Andy Weir – Eine multimediale Betrachtung

Andy Weir entwickelt in seinem Science-Fiction-Abenteuer „Der Marsianer“ einen fulminanten Wettlauf gegen die Zeit, der sich auf den unterschiedlichen Ebenen der Handlung abspielt. Denn neben allen Ressourcen, Vorräten und kreativen Ideen der Protagonisten fehlt ihnen das Wichtigste: ZEIT. Mark Watney versucht sie zu gewinnen, indem er den Mars kultiviert, Kartoffeln pflanzt, Sauerstoff und Wasser gewinnt, um so lange wie möglich am Leben zu bleiben, bis eine Rettungsmission seine Zwangsheimat erreicht.

Die NASA kämpft um jede Sekunde, die ein Zeitfenster ermöglicht, ihren Astronauten nach Hause zu bringen. Die Besatzung der Hermes, die Mark Watney auf dem Mars zurückgelassen hatte, lässt zu viel Zeit ungenutzt verlaufen, da man sie nicht darüber informiert, dass ihr Crew-Mitglied doch noch lebt. Sie sollen sich nicht zu viele Vorwürfe machen.

Erst als es dem „besten Botaniker des Planeten“gelingt, mit der NASA in Kontakt zu treten, werden alle Probleme zu einem Ganzen gebündelt. Und auch hier fehlt sie an allen möglichen marsianischen Ecken und Enden. Die Zeit. Kann Mark Watney lange genug überleben? Wird die NASA in der Lage sein, alle Rekorde zu brechen, um den Mars rechtzeitig zu erreichen und wie reagiert die Besatzung der Hermes auf diese Entwicklung? Die Welt schaut auf den Mars. „Rettet Mark Watney“ wird zum Mantra, das alle Menschen vereint. Koste es was es wolle, hier muss die Menschheit zeigen, was es bedeutet, ein einziges Leben zu retten.

Der Marsianer von Andy Weir - Eine multimediale Betrachtung - Das Buch

Der Marsianer von Andy Weir – Eine multimediale Betrachtung – Das Buch

DAS BUCH – „DER MARSIANER“ – Heyne Verlag

Ich habe die Reichweite meines Lesesessel verlängert, meine Vorräte gehortet, mich mit Getränken und einer warmen Decke bewaffnet, um mich dann gemeinsam mit Mark Watney durch seine Eingebungen rund um das Überleben auf dem Mars zu lesen. Die Erzählperspektive schafft eine unglaubliche Nähe zum wohl einsamsten Menschen der Weltgeschichte. Ich komme mir vor, als säße ich selbst im Zentrum von Mission-Control und würde ganz frei nach dem Motto „Houston, wir haben ein Problem“ die einzigen Schlüssel zur Rettung meines Astronauten in Händen halten.

Ich beginne Mars-Karten zu studieren, berechne mit Mark Watney den Vorrat an Sauerstoff und pflanze mit ihm auf äußerst unappetitliche Art und Weise die ersten Mars-Kartoffeln an. Ich komme mir vor, als wäre ich selbst auf dem Mars und spüre die enge der Wohnkuppel. Und doch macht sich keinerlei Panik breit, denn wenn Mark Watney im Funktionsmodus ist, dann wird aus jeder noch so tödlichen Bedrohungen ein gelöstes Problem. Er scheint mir zu schreiben, wenn er sein Logbuch verfasst und in dem Moment, in dem Andy Weir seine „Blende“ aufzieht und andere Schauplätze und Charaktere ins Spiel bringet, befinde ich mich inmitten der größten Rettungsaktion in der Geschichte der Menschheit.

Aus Mark Watney wird die hundertfache Potenz des legendären Fernsehhelden MacGyver. Nichts ist unmöglich, nichts kann nicht noch schnell gebastelt werden und da, wo die Wissenschaft versagt, findet mein Astronaut einen Ausweg. Mir fehlt die wissenschaftliche Ausbildung, um seine Ideen zu überprüfen, aber ich will das auch gar nicht. Ich habe keine Zeit. Ich will lesen und einfach nur runter vom Mars. Das Buch entwickelt einen gigantischen Sogeffekt, der auch nicht aufhört, wenn man es schließt oder eine Pause einlegt. Man hat immer das Gefühl, man würde etwas verpassen.

Der Marsianer von Andy Weir - Eine multimediale Betrachtung - Das Hörbuch

Der Marsianer von Andy Weir – Eine multimediale Betrachtung – Das Hörbuch

DAS HÖRBUCH – „DER MARSIANER“ – random house audio

Wenn es das perfekte Szenario für ein Hörbuch gibt, dann dieses. Wenn es des intensiven Gefühls bedarf mit einer Romanfigur direkt verbunden zu sein, dann muss man „Der Marsianer“ hören. Mark Watney spricht uns direkt an. Es ist als würde man ganz persönlich mit ihm in Kontakt stehen. Die Stimme von Richard Barenberg wird zum Wegbegleiter in einsamsten Stunden und verleiht dem bisher nur Gelesenen eine unglaubliche Tiefe. Barenberg wird zu Watney. Er transportiert Humor, Sarkasmus und den unbedingten Willen zu überleben.

Man hört Richard Barenberg an, wenn er „im Arsch“ ist und merkt das Aufflackern von Hoffnung. Und wenn das Hörbuch die „Blende“ aufzieht und wir die NASA erleben oder an Bord der Hermes gehen, dann wird aus dieser Audio-Fassung eine Mischung aus O-Ton des Marsianers mit Live-Schaltungen in die Zentren des Wissens, die alles versuchen, um ihm zu helfen. Das ist mehr als nur eine Lesung. Noch bevor die NASA mit Mark Watney kommunizieren kann, sind wir als Hörer ganz nah dran an ihm.

Das Hörbuch liegt in einer gekürzten und einer vollständigen Fassung vor. Ich hörte gekürzt, was dem Hörerlebnis nicht geschadet hat. Das Hören flankierte mein Lesen. Beide Medien ergänzten sich und ich war froh, auch mal in meinem Mars-Rover zu entspannen und einfach nur zuhören zu können. Marstage sind auch für Leser sehr anstrengend. Den ein oder anderen Blick in den Himmel gönnte ich mir als Betreiber der kleinen literarischen Sternwarte AstroLibrium. Und dabei ertappte ich mich dabei, dass ich Mark zurufen wolle: „Du schaffst das“. Packend erzählt….

Der Marsianer von Andy Weir - Eine multimediale Betrachtung - Der Film

Der Marsianer von Andy Weir – Eine multimediale Betrachtung – Der Film

Der Film – „Der Marsianer“ – 3D – Scala Kino Fürstenfeldbruck

WOW. Mehr muss ich nicht sagen. Ich hatte das letzte Kapitel in Buch und Hörbuch beendet und betrat mit 3D-Brille unglaublich aufgeregt das Kino. Und auch hier war ich bestens vorbereitet. Getränke und viel Popcorn sollten mir helfen, die 132 Minuten auf dem lebensfeindlichen Planeten zu überleben. Der ständige Wechsel aus Problemen, Lösungen, Tempowechseln, Stagnation, Fortschritt und die unerschütterliche Zuversicht werden brillant von Matt Damon verkörpert. Natürlich überzeugt der Film durch seine Effekte, klare und herausragend eingesetzte 3D-Effekte, aber ihm gelingt noch mehr.

Er verleiht den Akteuren der NASA und der Crew der Hermes eine Tiefe, die im Buch manchmal zu wenig ausgeprägt scheint. Lesend und hörend ist Mark Watney extrem dominant. Er beherrscht die Szenerie und auch das Interesse der ganzen Welt an seiner Rettung wird zwar immer wieder eingestreut, die riesige Dimension dieser Medienpräsenz wird jedoch im Film erst richtig greifbar. Ein Prädikat, das nicht jede Literaturverfilmung für sich beanspruchen kann. Ich persönlich empfinde diesen Film als unverzichtbare Ergänzung zum Lesen und Hören. Nun ja, und erstmals habe ich das Gefühl, in der Kombination der drei Medien das Maximum an Genuss gefunden zu haben. Ich möchte kein Element missen.

Wer denkt, man müsse sich den Film nicht unbedingt anschauen, weil man ja alles gelesen hat, der unterliegt einem gewaltigen Irrtum. Regisseur Ridley Scott hat mir in jeder Hinsicht etwas Besonderes geschenkt. Kleine Momente mit ganz großem Gefühl, Akteure in absoluter Bestform (Jean Bean und Matt Damon). Naja und eben ein Ende, das im Vergleich zum Roman mit einer Überraschung aufwartet.

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Wenn ihr Mark Watney auf den Mars folgt, deckt euch bitte mit Vorräten ein, bunkert Getränke und vergesst bloß euren Staubpinsel nicht. Er wird euch gute Dienste leisten. Verlängert eure Lesezeit, auch wenn ihr das Gefühl habt, dass irgendwo ein Lese-Leck entstanden ist und euch die Zeilen nur so durch die Finger rieseln, wie roter Marssand. Und verabschiedet euch vom Gedanken, in absehbarer Zeit wieder Kartoffeln essen zu wollen. Aber das erwähne ich nur am Rande. Guten Flug. Rettet Mark Watney.

Guten Raumflug in allen medialen Dimensionen...

Guten Raumflug in allen medialen Dimensionen…

T.C. Boyle bereitet in Die Terranauten“ eine solche Mission vor. Lesenswert.

Die Terranauten von T.C. Boyle

„Der Marsianer“ spielt auch eine große Rolle bei der Oscar-Verleihung 2016.

Literaturverfilmungen und die Oscarverleihung 2016

Literaturverfilmungen und die Oscarverleihung 2016

Und finally die aktuellste Mondlandung von Andy Weir: „ARTEMIS

ARTEMIS von Andy Weir

Und weiter geht´s mit Andy Weir – Der Astronaut – Ein Himmelfahrtskommando

Der Astronaut von Andy Weir - Astrolibrium

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