Khomeini – Der Revolutionär des Islams – Katajun Amirpur

Khomeini - Der Revolutionär des Islam - Katajun Amirpur - Astrolibrium

Khomeini – Der Revolutionär des Islams – Katajun Amirpur

Khomeini – Der Revolutionär des Islams. Eine Biographie von Katajun Amirpur, erschienen im C.H. Beck Verlag, ist in der Kategorie Sachbuch für den Bayerischen Buchpreis 2021 nominiert. Die Rezension ist Teil meiner Auseinandersetzung mit allen zur Wahl stehenden Büchern, da ich die Preisverleihung auch in diesem Jahr als einer der drei Literaturblogger offiziell begleiten darf. Auf meiner Projektseite findet man die Hintergründe zum #baybuch, die nominierten Bücher in den Kategorien Belletristik und Sachbuch, den Bayern 2-Publikumspreis und unsere Rezensionen. Voller Spannung fiebern wir dem Ergebnis der öffentlichen Jury-Debatte entgegen, die am 11. November über die Preisträger:innen entscheiden wird.

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Khomeini – Der Revolutionär des Islams von Katajun Amirpur

Es war keine Überraschung für mich, dass unter den diesjährigen nominierten Titeln für den Bayerischen Buchpreis auch ein Buch zu finden sein würde, das ich mir selbst niemals gekauft hätte. Meine Interessen sind weit gefächert, aber bei einigen Themen bin ich doch eher zurückhaltend, weil ich mich zu intensiv einlesen müsste, um meiner Meinung zum Buch mit Nachdruck Gehör zu verschaffen. Insofern ist „Khomeini“ aus der Feder von Katajun Amirpur ein echtes literarisches Brett, das als letztes Buch der Kategorie Sachbuch noch von mir gelesen werden wollte. Der Revolutionär des Islams ist mir natürlich aus den Nachrichten des Jahres 1979 bekannt. Ich war Schüler in der Oberstufe eines Gymnasiums in der Eifel und stand drei Jahre vor dem Abitur. Und ja, der schwarz gekleidete Führer der islamischen Revolution hatte Eindruck hinterlassen, war nur in Verbindung mit seinem Titel Ajatollah im Westen bekannt und errichtete im Iran die Islamische Republik. Für einen siebzehnjährigen Eifelaner war das weit weg. Und zumindest die Persönlichkeit und die Geschichte Khomeinis sollten dies für mich noch lange bleiben. Fern…

Und nun liegt eine Biographie vor mir, die sich in aller Ausschließlichkeit mit diesem charismatischen Religionsführer beschäftigt, der mir immer noch so fremd ist. Da mein Weg allerdings zu allen nominierten Werken für den Bayerischen Buchpreis führt, führt auch kein Weg an Katajun Amirpur vorbei. Ich hätte nicht gedacht, dass mir der Auftritt unseres GlockenbachWelle-Teams auf der Frankfurter Buchmesse 2021 den Weg zu diesem religionswissenschaftlichen Buch ebnen würde. Neben unserem Stand, zu dem wir vom Börsenverein des Buchhandels und der Bayerischen Staatskanzlei eingeladen wurden, war natürlich bei XPLR-Media in Bavaria auch der Bayerische Buchpreis ein  sehr relevantes Thema. Und wir erhielten als Buchpreisblogger für den Buchpreis vom Börsenverein Prokura, auch diesen Themenbereich am Stand zu vertreten, Interviews zu führen und die Bücher vorzustellen. Und so entdeckte ich am Messe-Freitag einen Leser, der in der BayBuch-Ecke Platz nahm und in „Khomeini“ versank. Und wer sich während einer Buchmesse mehr als eine Stunde nicht mehr von einem Buch trennen kann, der ist DER perfekte Ansprechpartner für einen Rat suchenden Blogger.

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Khomeini – Der Revolutionär des Islams – Katajun Amirpur

„Sie sind Islam-Spezialist, kennen sich bestimmt mit Khomeini aus und ich darf Sie etwas fragen.“ So begann der hoffnungsvolle Versuch, mit dem Leser in Kontakt zu kommen. Was dann geschah, hat mich nachhaltig beeindruckt. Nein, er sei sicher alles andere als ein Spezialist. Er habe das Buch nur in die Hand genommen, weil er Khomeini als Schüler in den Nachrichten gesehen habe und die düstere Gestalt nicht mehr so richtig vergessen konnte. Und dann. Ja, dann habe er angefangen zu lesen und nicht mehr gemerkt, wie die Zeit vergangen sei. Das Buch habe einen zu großen Sog entwickelt, um es beiseite zu legen. Jetzt müsse er aber wirklich mal weiter. Man könne ja nicht den ganzen Tag an einem einzigen Messestand verbringen. Das Buch werde er sich allerdings kaufen. Sprach es und verschwand. Was für eine Erlösung in seinen Worten zu finden war, kann man sich kaum vorstellen. Ich verlor jede Scheu, in diese Khomeini-Biographie einzusteigen und wurde unmittelbar nach der Buchmesse belohnt. Sollte der mir unbekannte Leser diese Zeilen finden, ich danke herzlichst für diesen Schlüssel zu einem besonderen Buch.

Katajun Amirpur hat wohl geahnt, dass ich dieses Buch eines Tages lesen würde. In der Struktur und in der inhaltlichen Vorgehensweise erkennt man sofort, dass sie nicht voraussetzt, dass man sich vorher intensiv mit dem Thema auseinandergesetzt hat, In ihrer Herangehensweise liegt das sympathische Wissen, dass der Lesende nicht alles wissen kann und letztlich nur deshalb zu diesem Buch greift. Ihre Ausflüge in die Tiefe der islamischen Religionswissenschaft gelingen so leichtfüßig, dass man jederzeit gut folgen kann. Dass Katajun Amirpur weit ausholen muss, um die Bedeutung Khomeinis für den Islam und die restliche Welt hervorzuheben wird schnell klar. Der Revolutionär hatte nicht nur das Land, in dem er die Macht übernahm revolutioniert, er hatte es mit seiner eigenen Religion nicht anders gehandhabt. Hier liegen extrem spannende und erhellende Momente des Lesens vor der interessierten Leserschaft. Die Unterschiede zwischen schiitischer und sunnitischer Perspektive auf die Nachfolgefrage religiöser Führer, die dabei zur Anwendung kommenden Rechtsgrundlagen und Interpretationen sind so greifbar beschrieben, dass man sich als Zuhörender in einer Koranschule fühlt, der unbefangen und frei lauschen darf.

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Khomeini – Der Revolutionär des Islams – Katajun Amirpur

Untermauert werden diese religionstheoretischen Betrachtungen mit der Vita des Gelehrten und späteren Revolutionsführers. Katajun Amirpur kommt dem in schwarz gekleideten Mann und dem, bezogen auf seine Persönlichkeit unbeschriebenen, Blatt in vielerlei Hinsicht nah. Sie beschreibt nicht nur die familiären Wurzeln, jene Ausrichtung der Lehre die ihn prägte und die Geschichte seiner Exile im Ausland. Nein, es sind die tragischen Jahre der Herrschaft eines Schahs, die verdeutlichen, warum Khomeini sich seiner Heimat zuwenden musste, um die Islamische Republik ins Leben zu rufen. Hier muss man der Autorin aufmerksam in ihre intensiven Beschreibungen folgen, wenn sie der Armut des Landes die Verschwendungssucht des Herrschers gegenüberstellt. Was Khomeini allerdings selbst verursachte, nachdem der Despot vertrieben war, gehört in vollem Umfang zur Geschichte dieses Buches. Dass ausgerechnet eine Frau sich dem Mann so intensiv nähert, der jegliche Beteiligung von Frauen am islamischen öffentlich sichtbaren Leben unterdrückte, verdient Bewunderung. Sie beschreibt Automatismen und Auswüchse patriarchalischer Systeme im Gegenwind moderner Zeiten und im Unterschied zur Entwicklung westlich geprägter Frauenbilder. Das ist kraftvoll und hat Wucht.

Katajun Amirpur gelingt mit ihrem Buch, den Schleier des Islams zu lüften, den viele Frauen innerhalb dieser Religion niemals lüften dürfen. Sie nähert sich diesem heiklen Thema deutlich an und schließt Kreise des Verständnisses zu ihrer Sichtweise. Es ist auch die verborgene Welt der schönen Künste, die sie für uns eröffnet. Khomeini als Dichter und Poet, als modebewusster Träger eines schwarzen Kaftans. Grotesk mag das klingen, als grotesk beschreibt die Autorin dies jedoch nicht. Man mag den Islam besser verstehen, nachdem man dieses Buch gelesen hat. Man mag besser mitreden und diskutieren können, wenn es hier um religiöse und patriarchalische Stereotype geht, die Katajun Amirpur klar aufbricht und erläutert. Das bessere Verständnis führt auf jeden Fall dazu, dass der Dämonisierung des Anderen Grenzen gesetzt werden. Für mich bleibt jedoch der Eindruck jener Islamischen Republik, den ich im Roman von Amir Hassan Cheheltan gewonnen habe. „Der Zirkel der Literaturliebhaber“ gehört zu den lesenswertesten Büchern im Niemandsland zwischen Schah und Khomeini. Es beschreibt das Ende des freien Lesens im Islam. Unvorstellbar für mich. Diese beiden Bücher gehen sicherlich in gewisser Weise Hand in Hand. Mutige Bücher. Beide. 

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und ihren Werken in den Kategorien Belletristik und Sachbuch.

Ein Nachtrag: Bleibt zuletzt die Verwirrung, wie das Buch eigentlich richtig heißt. Hier findet man auf der Verlagsseite unterschiedliche Angaben auf dem Cover und im Textteil. „Islam“ oder „Islams“. Ich habe mich damit auf Instagram beschäftigt.

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Bayerischer Buchpreis 2021 – Meine Partnerbuchhandlung

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