[Bilderbuch] „Maulwurfstadt“ von Torben Kuhlmann

Maulwurfstadt von Torben Kuhlmann

Maulwurfstadt von Torben Kuhlmann

Es gibt einen Autoren-Künstler-Tausendsassa, der mich mit nur zwei Büchern in absolut verschiedene Dimensionen meiner Wahrnehmung transportieren kann und dabei das Gefühl vermittelt, während meines Höhenfluges gleichzeitig in der Tiefe der Fantasie angekommen zu sein. Es gibt einen Film-Komponisten-Kopfkino-Designer, der mich mit einem selbst gebauten Leichtflugzeug über den Atlantik brachte und mir nun glaubhaft versichert, nur das Leben unter der Erde sei das wahre Abenteuer.

Es gibt jenen Illustrator und Kunstschaffenden der mich fliegen lässt, während ich mich am liebsten eingraben würde. Über welches Team ich hier schreibe? Nein, es sind nicht die gesamten kreativen Köpfe der PIXAR-Studios, die mich hier zum Fan ganz besonderer Bilderbuchwelten machen. Ich beschreibe kein vielköpfiges Kreativteam. Es ist Torben Kuhlmann ganz allein, dem dieses zeit- und alterslose Wunder gelingt.

Mit „Lindbergh – Die abenteuerliche Geschichte einer fliegenden Maus hat er die Geschichte der Luftfahrt neu geschrieben und gemalt. Mein Artikel zu diesem kleinen Buchwunder aus dem NordSüd Verlag ist noch heute ein absoluter Gefühlslooping mit punktgenauer Herzenslandung. Ich habe mir damals sehr gerne den größten Bären der modernen Fliegerei aufbinden lassen, weil ich so sehr an die Kreativität einer kleinen Maus geglaubt habe. Und ich fliege noch heute, wenn ich das Buch neben mir liegen sehe.

Maulwurfstadt von Torben Kuhlmann

Maulwurfstadt von Torben Kuhlmann

Als ich Torben Kuhlmann dann auf der Frankfurter Buchmesse 2014 persönlich getroffen habe, signierte er gerade fleißig Lindbergh-Poster. Die Messe hatte ihre Tore noch nicht geöffnet, Torben bereitete sich schon auf eine seiner vielen „Lindbergh-Präsentationen“ vor und ließ sich doch in ein Gespräch verwickeln. Und ich sah schon die Abenteuerlust in seinen Künstleraugen, denn plötzlich sprach er nicht mehr vom Fliegen, sondern erzählte von seinen Maulwürfen.

Mit einem Klick wurde ein Videotrailer gestartet (ich muss nicht erwähnen, wer für Schnitt, Design, Animation, Filmmusik, Effekte und wahrscheinlich auch für das Catering verantwortlich zeichnete) und ich stand sprachlos am Verlagsstand und wollte zuerst nicht glauben, was ich hier sah. „Maulwurfstadt“ das noch geheime Bilderbuch-Projekt von Torben Kuhlmann zeigte sich mir in bewegten Bildern und in den gewohnt warmen satten Farben und ich begriff schnell, dass ich hier auf eine besondere Stadt gestoßen war.

Torben Kuhlmann kommt in „Maulwurfstadt“ erstmals fast ohne Worte aus. Seine Bildsprache ist eindeutig und lässt doch so viel Spielraum für Interpretationen. Wir sehen uns zwar Maulwürfe an, die tief unter der Erde ihr eigenes Reich erschaffen, wir sehen ihre Arbeitskolonnen, die ihre Stollen in immer größere Tiefen treiben und wir sehen, wie eine kleine große eigene Welt entsteht, in Wirklichkeit schlüpfen wir jedoch in ihre Rollen, da uns Torben Kuhlmann mit den fleißigen (jedoch zumeist ziemlich blinden) Tierchen einen FABELhaften Spiegel vor Augen hält.

Maulwurfstadt von Torben Kuhlmann

Maulwurfstadt von Torben Kuhlmann

Wachstum scheint das Ziel zu sein. Schritt halten mit der immer größer werdenden Zahl an Maulwürfen und Ausbau auf Teufel komm raus! So erleben wir die Gesellschaft unter Tage. Vom wohnlich-gemütlichen Maulwurfsloch zu standardisierten Kleinkäfigen führt der Weg in die zunehmende Enge. Da muss man schon zusammenrücken, um mit dem wenigen verfügbaren Platz zurechtzukommen und schon befindet man sich im Dilemma begrenzter Ressourcen.

Aber was erzähl ich denn da? Ressourcen, Bevölkerungswachstum, Ausbeutung und Raubbau an der Natur… Das ist doch nichts, was Kinder interessiert. Und schließlich ist dies kein Bilderbuch für Erwachsene (richtig, ich bin nie erwachsen geworden), sondern für die kleinen und großen Bilderbuchfans, die in den Illustrationen eintauchen und auf Entdeckungsreise gehen. Also wirklich… echt nichts für die Kleinen… oder?

Wie man sich täuschen kann. Ich habe die „Maulwurfstadt“ mit Kids im Alter von 6 bis 8 Jahren erforscht und abgesehen vom ersten großen Staunen über die Bilder und der sehr detailverliebten Suche nach den kleinen und großen Fundstücken („Schau mal, der Maulwurf spielt Nintendo“) kamen sehr schnell die ersten richtig tiefen Kommentare und Bemerkungen. „Jetzt wird’s ungemütlich“… „Da möchte ich nicht wohnen… nur ein Klo für so viele Zimmer“ und „Da kommt ja niemand mehr durch – Stau, wie bei uns“…

Maulwurfstadt von Torben Kuhlmann

Maulwurfstadt von Torben Kuhlmann

Und schon waren wir Eins. Nicht mehr getrennt durch Alter oder Größe, sondern ganz klein unterwegs in den Tunneln unter den Maulwurfshügeln und ahnten von Bild zu Bild, welches Unheil dem größer werdenden Völkchen droht. Vieles erinnert an unseren Alltag. Vieles erinnert an unsere Blindheit und man merkt sehr schnell, dass es kommt, wie es kommen muss. Der Umweltkollaps steht bevor und das eben noch heile Gewässer der kleinen Schaufeltierchen beginnt zu kippen. Oder wie es einer unserer Kleinsten formulierte: „Bauz. Kaputt.“

Um 5 vor 12 greift Torben Kuhlmann ein. Sein Licht geht auch seinen Lesern und den Betrachtern seiner Bildergeschichte auf und es ist völlig klar, dass nicht nur die Maulwürfe den Bogen überspannt haben. Diesem Bilderbuch für alle Altersgruppen gelingt erneut, was bei „Lindbergh“ begonnen hat. Eine Idee greift, Gedanken setzen sich fest und man schaut ein wenig verblüfft aus dem eigenen Maulwurfshügel auf die eigene Welt.

Ich bin gerne mit Torben Kuhlmann geflogen und ich habe gerne mit ihm im Dreck gewühlt. So manche gefährliche Situationen mussten überstanden werden. In beiden Büchern. Ob jedoch die Maulwürfe am Ende die Reißleine zum richtigen Zeitpunkt ziehen, das muss man schon selbst herausfinden. Und vielleicht spürt man dann als Mensch, wie die Reißleine ganz zart auch am eigenen Pullover zieht. Denn letztlich haben wir eines mit den Maulwürfen gemeinsam.

Diese eine Welt… ob über- oder unterirdisch… es gibt keine zweite.

Maulwurfstadt von Torben Kuhlmann

Maulwurfstadt von Torben Kuhlmann

Eine Schlussbemerkung sei mir noch gestattet. Bilderbücher sind kein Selbstzweck, sie sind in den seltensten Fällen geeignet, unsere Kleinsten völlig alleine zu lassen und darauf zu hoffen, dass die tiefen Aussagen und Botschaften dieser Bücher selbständig gefunden und auch angenommen werden. Transfer benötigt immer eines Impulses von außen. Diese Transferleistung ist eine der wesentlichen Leistungen von Eltern und gut geschulten Erziehern in Kindergärten. Wenn dieser lesenswichtige Impuls nicht kommt, bleibt ein tief angelegtes Bilderbuch eben nur bunt. Maulwürfe bleiben Maulwürfe, eine Wiese bleibt eine Wiese.

Nur durch uns Lebens- und Lesensbegleiter wird aus dem Maulwurf ein Mensch und aus der Wiese die ganze Welt. Bilderbücher transportieren alle Botschaften, die in der heutigen Zeit unverzichtbar sind. Sei bunt, akzeptiere andere, sei schlau und verzichte auf Gewalt. Diese Vermittlung von Werten kann verpuffen, wenn wir den Blick unserer Kinder nicht aus dem Buch heraus auf das wahre Leben lenken. Bilderbücher gehören absolut nicht in den Bereich der Beschäftigungstherapie für Kinder. Das merkt man an den Fragen, die entstehen, wenn man sich gemeinsam in die Bildwelten begibt.

Torben Kuhlmann erzählt von Ökologie und vom verantwortungsvollen Umgang mit der Umwelt. In Lindbergh folgen wir einer  Maus, die vor lebensgefährlicher Gewalt von allen Seiten fliehen muss. Ich werde bald einige dieser bildhaften Geschichten vorstellen. Sie erzählen von Integration, Akzeptanz und Freundschaft. Wir sollten auf Augenhöhe lesen und betrachten und nur, wenn wir dies gemeinsam mit unseren Kindern versuchen, werden wir eine gemeinsame Sprache sprechen.

Maulwurfstadt von Torben Kuhlmann

Maulwurfstadt – Mit einem Klick zur Bilderbuchwelt von Mr. Rail

Bilderbücher gehören in die Mitte unseres Lebens. Auf den großen Familientisch. In diesem Zirkel schließt sich der Kreis, der beim Autor beginnt und niemals bei uns enden wird. Bilderbuchkreisläufe sind unendlich.

Und weiter geht´s mit „Armstrong„… Der ersten Maus auf dem Mond!

Armstrong von Torben Kuhlmann

Armstrong von Torben Kuhlmann

2018 geht uns mit „EDISON“ von Torben Kuhlmann ein weiteres Mäuselicht auf.

Edison von Torben Kuhlmann

In „Einstein. Die fantastische Reise einer Maus durch Raum und Zeit“ erleben wir eine Kuhlmann-Maus im Zustand riesiger Vorfreude. Das große Käsefest steht auf dem Plan. Ungeduldig macht sich die Maus im Jahr 1984 zum ersten Mal auf den Weg ins Mäuse- und Käseparadies Bern. Hier geht´s zum neuen Meisterwerk.

Einstein von Torben Kuhlmann - AstroLibrium

Einstein von Torben Kuhlmann