Nette Skelette – Röntgenbilder von Tieren und Pflanzen

Nette Skelette - Röntgenbilder von Tieren und Pflanzen - Astrolibrium

Nette Skelette – Röntgenbilder von Tieren und Pflanzen

Ihr sucht ein ganz besonderes Buch zum gemeinsamen Lesen und Entdecken? Ihr möchtet Schulkindern und Jugendlichen neue Einblicke in unsere Welt vermitteln? Ihr sucht nach einem Kinder- und Jugendbuch, das es so bisher noch nicht gegeben hat? Weder für junge Menschen, noch für den geneigten erwachsenen Leser? Es ist gar nicht so einfach, in der heutigen Zeit ein Buch für gemeinsame Entdeckungsreisen zu finden, von dem man sich versprechen darf, dass es Horizonte öffnet und Einblicke gewährt, die bisher im Verborgenen lagen. Vielleicht macht euch mein Gedankenspiel zu diesem, gerade zu einem der Besten bayerischen Jugendbücher unabhängiger Verlage des Jahres gewählten Werk ein wenig neugierig. Vielleicht könnte das ja auch euer Einstieg in den reichhaltig bebilderten und grandios erzählten Kosmos von Nette Skelette. Röntgenbilder von Tieren und Pfanzen aus dem Mixtvision Verlag sein.

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Nette Skelette – Röntgenbilder von Tieren und Pflanzen

Ich denke, jedes Kind hat schon mal ein Röntgenbild gesehen. Vielleicht sogar das Röntgenbild eines eigenen Körperteils. Vom verstauchten Knöchel bis zur gebrochenen Hand, es gibt wohl zahllose Möglichkeiten, schon im jüngsten Lebensalter die Radiologie einer Klinik von innen zu sehen. Wie groß ist das Stauen, seine eigenen Fingerknochen auf dem Foto betrachten zu können. Wie seltsam fühlt es sich an, sich selbst einmal aus einer ganz anderen Perspektive zu sehen. Und wie viele Fragen sprudeln heraus, wenn die jungen Forscher*Innen herausfinden wollen, was man da so alles erkennen kann. In unserer modernen Welt gehören Röntgenaufnahmen zum Alltag. Könnt ihr euch an das erste Röntgenbild erinnern, das ihr betrachten durftet? Ein magischer Moment. Oder?

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Nette Skelette – Röntgenbilder von Tieren und Pflanzen

Wie lustig ist der Gedanke, im Krankenhaus darauf zu warten, bis man selbst an die Reihe kommt, und dann die Durchsage zu hören: „Der Laubfrosch bitte in Kabine 1.“ Was? Wie? Ein kleiner Frosch beim Röntgen? Was soll denn das? Und, wenn man sich mit diesem Gedanken angefreundet hat und sich im Wartezimmer umschaut, sieht man dort Krokodile, Igel, Eichhörnchen, Seepferdchen, Fasane und Tausendfüßler, die alle auf ihren Röntgentermin warten. Geht natürlich nicht. (Tiere sind doch gar nicht krankenversichert und können sich diese Aufnahmen überhaupt nicht leisten). Was im echten Krankenhaus natürlich nicht an der Tagesordnung ist (außer in ganz speziellen Tierkliniken) hat sich der Röntgenexperte Arie van´t Riet zur Aufgabe gemacht. Nicht nur Menschen zu durchleuchten, sondern auch das Innenleben ganz besonderer Tiere zu zeigen, um uns mit Skeletten zu konfrontieren, die alles andere als gruselig sind.

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Nette Skelette – Röntgenbilder von Tieren und Pflanzen

Jetzt ist unser Medizinphysiker Arie van´t Riet natürlich der Fachmann für den Teil des Buches, der die einzigartigen Röntgenaufnahmen von Tieren zeigt. Was jedoch das Buch Nette Skelette ebenso besonders macht, sind die Texte von Jan Paul Schutten, der die radiologische Expertise um die fantasievolle Perspektive eines versierten Autors von über 40 Kinder- und Jugendbüchern bereichert. Diesem Dreamteam ist ein absolut brillanter Ausflug in eine geheime Welt gelungen, der den Bogen von der Wissenschaft zur Unterhaltung spannt und uns, dem Buch angemessen, großformatig zu überzeugen weiß. Nie zuvor gesehene Fotos gehen hier Hand in Hand mit Texten, die nur entstehen konnten, weil die Bilder sie belegen oder inspirierten. Wie sonst sollte man auf die Idee kommen, dass Hummeln eine Wespentaille haben, warum im Cockpit einer Libelle nur wenig Platz für ein Gehirn ist, oder warum sich unter manchem Eulengefieder nur eine ranke und schlanke Käuzchengestalt verbirgt. Spielerisches Lernen und feiner Wortwitz machen aus diesem Buch ein Erlebnis, das weit entfernt von einer Schulstunde nur den Spaß an der Wissenschaft vermittelt.

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Nette Skelette – Röntgenbilder von Tieren und Pflanzen

Die Mischung aus lehrreichen Einsichten und lockeren Texten, die doch Tiefgang haben, entwickelt einen Sog, dem man sich gar nicht mehr entziehen kann. Selten hat man in einem unterhaltenden Sachbuch so viele neue Eindrücke zu verarbeiten und ist so gebannt von den Wundern der Natur. Diese Röntgenaufnahmen haben den Charme von echten Kunstwerken und kommen der Natur damit sehr nah. Schöpfung ist Kunst. Es gilt sie zu bewahren, zu respektieren und zu bewahren. Vielfältige Botschaften sind in diesem Gesamtkunstwerk zu finden. Vielleicht ändert sich unser Blick auf die kleinen Lebewesen in unserem Umfeld. Vielleicht gelingt es das Bild der Supermaus dauerhaft in uns zu verankern. Das Kleine ist hier ganz groß und ganz nebenbei finden sich hier Aufnahmen von Pflanzen, die ihresgleichen suchen. Botaniker haben ihre helle Freude. Gemeinsame Lesezeit wie diese ist nicht leicht zu finden. Sie ist wertvoll und intensiver als man es sich vorstellen kann.

Ich kann nur empfehlen, diesen Röntgenblick auf die Natur zu einem wichtigen Teil der gemeinsamen Bibliothek werden zu lassen. Hier sieht man Tiere, wie man sie noch nie zuvor gesehen hat. Das ist kein knochentrockener Lehrstoff. Das ist das Gerüst für eine neue Sicht auf die Welt, auch wenn es manchmal aus Gräten besteht.

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Nette Skelette – Röntgenbilder von Tieren und Pflanzen

Ein Tipp zum Schluss: Nette Skelette mit Kindern zu genießen ist recht einfach: Haltet einfach die Namen der Tiere verdeckt und lasst die Kids raten, welches Tier hier wohl ohne Fell oder Federn durchleuchtet wurde, oder zeigt den Kids einfach das Foto eines Froschs, Seepferdchens, Fisches (natürlich im angezogenen Zustand) und lasst es dann ein Skelett des Tiers zeichnen. Der Vergleich ist sicherlich amüsant. Wer sich dann noch weiter vorwagen möchte, kann sich Tiere auswählen, die im Buch nicht zur erlauchten Auswahl gehören. Kleiner Tipp… Dinosaurier-Skelette beherrschen unsere Mini-Forscher*Innen blind aus dem Effeff.

Rapunzel, lass dein Haar herunter – Francesca Dell´Orto

Rapunzel von Francesca Dell´Orto - AstroLibrium

Rapunzel von Francesca Dell´Orto

Es war einmal. So begannen sie fast alle. Die guten Märchen aus der Sammlung der Gebrüder Grimm. Und so, wie wir diesen Beginn noch in den Ohren haben, so ist auch das Ende der magischen Geschichten präsent. „Und wenn sie nicht gestorben sind, dann leben sie noch heute“. Zur Unterhaltung dienten diese Märchen nur in seltenen Fällen. Sie sollten lehrreich sein, mahnend und mit zumeist erhobenem Zeigefinger die jüngsten Leser und Zuhörer auf den richtigen Weg führen. Dazu fragte man gerne nach der letzten Seite nach der Moral von der Geschicht´. Erziehungshelfer in Märchenform. Das hat sich eigentlich wenig verändert, weil auch heutige Märchen Botschaften in sich tragen, die sich spielerisch einprägen und verfestigen sollen. Damals jedoch ging es da ein wenig heftiger und direkter zu.

Von Hänsel bis Gretel, vom Rotkäppchen zum Froschkönig, über Hans im Glück zum Rumpelstilzchen und bis zur Bienenkönigin. Die Liste der Märchen ist lang und wohlklingend. Viele sind uns in guter Erinnerung geblieben, vor einigen fürchten wir uns noch heute. Und, ganz ehrlich: Haben wir sie nicht schon unseren eigenen Kindern mit der Absicht vorgelesen, sie mögen sich schon ein wenig schaudern, wie wir selbst? Im Wald allein mit der eigenen Schwester? Ein Knusperhäuschen und eine Hexe? War da nicht ein uraltes Gruselgefühl in uns verborgen, das wir so gerne weitergeben? Ich bin ganz ehrlich. Ich habe diese Märchen vorgelesen. Aber auch die mit einem Happy End. Jene Märchen, bei denen sich der Held heillos verstrickte und dann doch das Herz der Angebeteten eroberte. Denke ich an solche Märchen, dann denke ich an Haare.

Rapunzel von Francesca Dell´Orto - AstroLibrium

Rapunzel von Francesca Dell´Orto

RAPUNZEL

Wer kennt diese Worte nicht? Rapunzel, lass dein Haar herunter. Wer sieht dabei nicht die wallende blonde Mähne aus dem Turmfenster herabfallen und wer sieht nicht den jungen Prinzen an der Löwenmähne des Mädchens bis in die höchste Turmspitze klettern? Oh ja. Das sind Bilder, die ein Märchen tief in uns eingebrannt hat. Und es ist eine Geschichte, die zwar eigentlich recht schmal daherkommt, es aber faustdick hinter den Märchenohren hat. Der Bohem Verlag scheint sich diesen Märchen verpflichtet zu haben. Hier hat man es nicht aufgegeben, den Klassikern neues Leben einzuhauchen und sie in neuem Licht erstrahlen zu lassen. Das beste Beispiel in diesen Tagen bringt nicht nur alte Erinnerungen zurück, es pflanzt auch neue, weil Francesca Dell´Orto in ihrem aktuellen Bilderbuch die Geschichte auf einzigartige Weise illustriert.

Textlich bleibt man nah am Original. Gertrud Posch und Annabel Lammers gelingt der Spagat zwischen verständlicher Textgestaltung und authentischem Ursprungswerk. Die Geschichte kommt im traditionellen Klang der Gebrüder Grimm daher. Sie ist nicht simplifiziert auf die jüngsten Leser heruntergebrochen. Sie lebt im Sinn der mündlichen Überlieferung und macht Vorleser oder Lesebegleiter zu Vermittlern zwischen der Welt der Gebrüder Grimm und unserer modernen, medial geprägten, Lebenslandschaft. Sie gibt Spielraum für Erklärungen und fordert dazu auf, aktiv gelesen, kommentiert und in den Kontext unserer Zeit eingeordnet zu werden.

Rapunzel von Francesca Dell´Orto - AstroLibrium

Rapunzel von Francesca Dell´Orto

Keine leichte Geschichte für Kinder. Sie warf schon immer Fragen auf. Ein Mädchen, das vom eigenen Vater einer bösen Zauberin versprochen wird, weil ihre eigene Mutter den Heißhunger auf Rapunzeln nicht zügeln kann. Eine Zauberin, die dieses Mädchen wegsperrt und vor den Augen der Welt verbirgt. In der Spitze eines Turms ohne Treppe oder Tür. Nur ein Fenster lässt den Blick nach draußen zu. Und wenn die Zauberin zum unglücklichen Rapunzel wollte, dann sprach sie die magischen Worte „lass dein Haar herunter“ und kletterte am aufgelösten Zopf in die Spitze des Turms. Ein Prinz, der sie dabei beobachtete, die Worte wiederholte und sich in das schönste Mädchen der Welt verliebte. Viele Besuche. Eine ungewollte Schwangerschaft und eine Zauberin, die sich betrogen fühlt.

Ein verstoßenes Mädchen, dem man die Haare abgeschnitten hatte, ein Prinz, der von der Zauberin in eine böse Falle gelockt wird. Sein Sturz aus dem Turm. Die Rache der Zauberin. Mit Blindheit geschlagen irrt der Prinz jetzt durch die Welt. Weinend und jammernd, weil er Rapunzel und das inzwischen geborene gemeinsame Kind verloren hatte. Ja, das wirft Fragen auf. Das kann Ängste erzeugen. Kein leichter Stoff für junge Seelen. Wird man für die Laster der Mutter bestraft? Endet es in einem Gefängnis hoch über dem Boden? Wird man selbst verstoßen und gezeichnet, wenn man Fehler macht und ist der Prinz wirklich verliebt oder nutzt er die Lage des Mädchens aus. Man muss Antworten geben, sonst hängt die Geschichte in der Luft. Aktive Begleitung ist nötig.

Rapunzel von Francesca Dell´Orto - AstroLibrium

Rapunzel von Francesca Dell´Orto

Francesca Dell´Orto bietet ihre visuelle Begleitung an. Sie kleidet das Märchen in ein farbenfrohes und leuchtend helles Gewand. Sie weiß, wie die Geschichte endet und ist in der Lage in ihren Illustrationen den Hauch von Hoffnung zu versprühen, den der Text nicht verspricht. Die Detailverliebtheit der großformatigen Gemälde (sie nur als einfache Illustrationen zu bezeichnen würde ihnen nicht gerecht werden) lenkt unseren Blick auf Pflanzen und Tiere, den Nachthimmel und die Farbenvielfalt des wahren Lebens. Trost und Zuversicht sind Grundlagen dieser Illustrationen. Sie sind Wegweiser eines Happy Ends, das in dieser Form für Märchen absolut außergewöhnlich ist. Hier überschreitet Francesca Dell´Orto die Grenzen, die ihr von einem Bilderbuch gesetzt werden. Was man auf zwei Seiten nicht erzählen kann, lässt sich erweitern. Viele der Bilder können aufgeklappt werden und werden so zu einem vierseitigen Kosmos einer Bilderbuchwelt, die ihresgleichen sucht.

Mit Fug und Recht glauben wir am Ende der Zeile: „Und wenn sie nicht gestorben sind, dann leben sie noch heute.“ Vielschichtig ist diese Geschichte zu interpretieren. Das Essverhalten der Mutter, die unstillbare Gier nach Rapunzeln und die Bereitschaft, ein ungeborenes Leben als Entlohnung anzubieten, ähnelt dem egoistischen Bild, dass man das Greifbare dem noch Anonymen stets vorzieht. Der Turm wird für Rapunzel zur Isolationshaft und die Beziehung zum Prinzen ist der einzige Ausweg, der ihr bleibt. Es ist Abhängigkeit in Reinformat, die hier beschrieben wird. Die Verhältnisse kehren sich um, als sie ihm erneut begegnet. Rapunzel, selbst Mutter, frei und selbständig. Er, blind und auf der Suche. Aspekte, die dieser Geschichte Tiefe verleihen. Es ist ein einfaches Märchen. Und doch ist es genau das nicht.

Rapunzel von Francesca Dell´Orto - AstroLibrium

Rapunzel von Francesca Dell´Orto

Rapunzel, lass dein Haar herunter ist eine typische Entwicklungsgeschichte. Sie entwickelt sich sukzessive mit dem Lebensalter und dem Erfahrungsschatz des Lesers. Wenn man dieses Märchen im Abstand von mehreren Jahren liest, erkennt man immer neue Seiten. Die Interpretationen verändern sich, Botschaften werden greifbarer und in den Illustrationen werden Schattierungen sichtbar, die man zuvor nicht wahrgenommen hat. Die wahre Magie dieses Märchens entfaltet sich im gemeinsamen Lesen. Hier sind Vater und Mutter gefordert, Antworten anbieten zu können. Antworten, die der Situation der eigenen Familie entsprechen. Fragen auf- und ernstzunehmen, die ganz sicher von Kindern gestellt werden.

Wie kann man nur sein Kind verschenken? Warum wird Rapunzel weggesperrt? Hat der Prinz sie wirklich lieb? Wo sind Rapunzels Eltern, als sie von der Zauberin aus dem Turm verstoßen wird? Warum sagt sie, dass ihre Kleider zu eng werden? Der Text geht mit ihrer Schwangerschaft nur in dieser Andeutung um. Hier werden wir von einer ganz intensiven Form der kindlichen Neugier herausgefordert. Dem haben wir uns zu stellen. Ein Bilderbuch ist niemals Unterhaltung als Selbstzweck und zum isolierten Zeitvertreib gedacht. Begebt euch nicht in die Turmspitze und lasst Eure Kinder nicht alleine. Lasst Euer Haar herunter und gewährt Euren Kindern ein gemeinsames Erlebnis, auf dem sie lebenslang aufbauen können. Bilderbuchwelten sind gemeinsame Welten.

Rapunzel von Francesca Dell´Orto - AstroLibrium

Rapunzel von Francesca Dell´Orto

Rapunzel, lass dein Haar herunter“ von Francesca Dell´Orto / Bohem Verlag/ Text der Gebrüder Grimm bearbeitet von Gertrud Posch und Annabel Lammers / 52 Seiten / ab 3 Jahren / 22 x 30cm / vollfarbig / Hardcover mit aufklappbaren Panoramaseiten und Prägung auf dem Cover / 24,95 Euro

„Die Mitternachtstür“ von Dave Eggers

Die Mitternachtstür von Dave Eggers

Dave Eggers? Ein Roman für Kinder ab 11 Jahren? Ja – richtig gelesen. Ein Autor, der bisher ausschließlich das gehobene Erwachsenen-Segment der Belletristik bedient hat und mit Büchern wie „Der Circle“ und „Bis an die Grenze“ die Bestseller-Listen zu dominieren wusste, dessen neuer Roman „Der Mönch von Mokka“ gerade erschienen ist, begibt sich in eine kindertaugliche Erzählwelt? Mal ganz unabhängig davon, welche Risiken er hier eingeht, es ist einfach mutig und schon gewagt, den Nachweis antreten zu wollen, auch von jüngeren Lesern verstanden zu werden. Dabei ist Eggers bekannt dafür, seine Stories komplex anzulegen, ihnen in mehreren Handlungssträngen und im Detail ausgearbeiteten Charakteren literarische Schlagkraft zu verleihen. Ich war mehr als gespannt, als ich erfuhr, dass er „Die Mitternachtstür“ aufstoßen und neue Welten betreten würde.

Die Mitternachtstür von Dave Eggers

Eine spannende Rahmenhandlung zu gestalten, ja, das traue ich ihm jederzeit zu. Leser zu fesseln und bei der Stange zu halten, Cliffhanger einzustreuen, die für Tempo sorgen und Pausen unterbinden, auch das. Eine Message an junge Menschen in einen Roman zu integrieren, das hielt ich schon eher für problematisch, weil eben jener Dave Eggers schon immer sozialkritisch und niemals ohne staatstragende Botschaft schrieb. Ich stieß „Die Mitternachtstür“ auf, versetzte mich in einen Zustand kindlichen Lesens und folgte ihm in die Kleinstadt „Carousel“. Eine Stadt in den USA, die sich tief in mein Lesen eingebrannt hat, weil sie sich in einer absoluten Schieflage befindet. Und dies im absolut wahrsten Sinn des Wortes.

Die Mitternachtstür von Dave Eggers

Dave Eggers macht es seinen Lesern leicht, sich auf „Carousel“ einzulassen. Wir folgen seinen anschaulichen und bildhaften Beschreibungen und entdecken eine Stadt, in der die tiefe wirtschaftliche Depression des heutigen Amerikas greifbar wird. Er lässt sie sichtbar werden. Häuser stürzen plötzlich ein, Straßen sind voller Schlaglöcher und der ganze Ort ist von Rissen durchzogen, die schiefen Häuser drohen umzukippen und alles hat seinen Halt verloren. Dabei war die kleine Stadt einmal sehr berühmt, weil hier die schönsten Kinderkarussells hergestellt wurden. Wertvolle geschnitzte Holzpferde an goldenen Stangen kreisten um das Herz des Karussells und ließen Kinderherzen höher schlagen. Aber das war lange her. Jetzt herrschen Tristesse und Arbeitslosigkeit in der kleinen Stadt.

Die Mitternachtstür von Dave Eggers

Überhaupt nicht der richtige Ort für einen Neuanfang. Erst recht nicht, wenn man in wirtschaftlichen Problemen steckt. Die Flowerpetals jedoch zieht es nach Carousel. Der Vater arbeitslos, die Mutter an den Rollstuhl gefesselt, die jüngste Tochter nicht gesund und der zwölfjährige „Gran“ alles andere, als hart wie Granit, was sein Name eigentlich aussagen sollte. In seiner Schule, wird er Zeuge unglaublicher Vorfälle. Er sieht Häuser einstürzen, erlebt ein heftiges Erdbeben, das ein riesiges Loch in der Schule entstehen lässt und begegnet „Catalina“, einem gleichaltrigen Mädchen, das in der Lage ist ganz plötzlich zu verschwinden. In den Untergrund, in die Tiefe unter „Carousel“, wo sich ein Tunnelsystem immer weiter ausbreitet und den ganzen Ort aushöhlt. Hier beginnt eine abenteuerliche Geschichte, in der zwei Kinder zu Rettern einer Stadt werden können.

Die Mitternachtstür von Dave Eggers

Die Bilder von Dave Eggers sind gewaltig. Eine ins Bodenlose fallende Stadt; Angst, die um sich greift; Menschen, die von der Panik der Mitbürger profitieren und nur ganz wenige Mutige, die das Schicksal selbst in die Hand nehmen. Wirtschaftliche Nöte und Perspektivlosigkeit verpackt Dave Eggers in ein begreifbares Szenario. Wir folgen den beiden ungleichen Freunden Gran und Catalina in die gefährlichen Tunnel. Wir helfen ihnen dabei, sie abzustützen. Wir erfahren von einem gefährlichen Wind, der sich tiefer und tiefer in die Stadt hineinfrisst. Und wir erkennen einen Ausweg aus der Krise. Lass Dir keine Angst einjagen; glaub nur, was du selbst siehst; vertraue Dir selbst und traue Dir etwas zu. Das schreit Dave Eggers seinen jüngsten Lesern zu. Botschaften, die wir heute benötigen. „Die Mitternachtstür“ ist eine Gegenbewegung zur Panikmache. Wir alle können diesem Kinderbuch mehr abgewinnen, als wir uns vorstellen können.

Die Mitternachtstür von Dave Eggers

Es ist ihm gelungen. Mit Bravour. Kurze, spannende Kapitel mit Vignetten von Aaron Renier, die das Höhlensystem unter „Carousel“ zeigen, lassen keinen Spannungsabfall zu. Die Protagonisten sind, gerade für jugendliche Leser, greifbar und plausibel. Magie liegt in der Luft, und doch wird schnell klar, dass wir selbst Herren eines Zaubers sind, der die Welt retten kann. Eggers zieht Populisten die Maske vom Gesicht und entlarvt jene, die in „Carousel“ abstruse Ängste schüren. Lehrreich und unterhaltend noch dazu. In der Hörbuchfassung entführt uns Jacob Weigert in die Tunnelwinde unter der Stadt. Er hat mich sprachlich schon bei „Mein Freund Pax“ überzeugt und findet auch hier zu jeder Zeit die richtige Betonung und den passenden Rhythmus. Mein Urteil: absolute Lese- und Hörempfehlung.

PS: Solltet Ihr nach dem Lesen oder Hören ein Kinderkarussell mit Holzpferden entdecken, so ich garantiere ich Euch, dass Ihr „Die Mitternachtstür“ im Herzen tragt, wenn Ihr mit Euren Kindern um die Wette reitet! Vertraut diesem Buch.

Und keine Angst vor Elchen… (Ein Insider, der nach dem Lesen verständlich wird!)

Die Mitternachtstür von Dave Eggers

Dann nehmen wir das TRUMPeltier auf den Arm: Der größte Kapitän aller Zeiten – Das Satire-Meisterwerk von Dave Eggers…

Der größte Kapitän aller Zeiten von Dave Eggers - AstroLibrium

Der größte Kapitän aller Zeiten von Dave Eggers

[Bilderbuch] Walross, Spatz und Beutelteufel – Adrienne Barman

Walross, Spatz und Beutelteufel von Adrienne Barman

Walross, Spatz und Beutelteufel von Adrienne Barman

Bilderbücher, Bilderbücher, Bilderbücher… 

Ganz eigene Welten, ganz eigene Leser und Betrachter und eine bunte Vielfalt, die sich unaufhaltsam in unsere Herzen schleicht. Ja, die kleine literarische Sternwarte hat ein kleines, eigenes Universum der Bilderbuchwelten entdeckt und ich bin fest davon überzeugt, dass diese buchigen Fixsterne für „Noch-Nicht-, Erst- und Schon-Immer-Leser“ eine Bedeutung haben, die man einfach nicht unterschätzen darf.

Mein erstes Bilderbuch ist mir noch heute tief im Gedächtnis verankert und vielleicht hat damals meine große Liebe zur Literatur ihren Anfang genommen. Unvergessen sind die Momente des gemeinsamen Betrachtens, des Hinterfragens und des wilden Blätterns und Suchens, die mich noch heute zum Kind werden lassen, wenn ich die Märchen der Völker zur Hand nehme.

Doch oftmals stellt man leider beim gemeinsamen Lesen fest, dass die modernen Bilderbücher an der eigentlichen Zielgruppe vorbei geschrieben und illustriert werden. Allzu pädagogisch kommen einige von ihnen daher, allzu bunt und doch inhaltsleer oder einfach nur so unbedeutend, dass schon nach dem einmaligen Genuss nie wieder der Wunsch entsteht, dieses Buch erneut aufzuschlagen, oder darüber nachzudenken.

Walross, Spatz und Beutelteufel von Adrienne Barman-

Walross, Spatz und Beutelteufel von Adrienne Barman

Und dann gibt es die großen Geschichten, die uns Erwachsene faszinieren, die aber die Kleinen so sehr überfordern, dass die Enttäuschung groß ist, wenn die wertvolle gemeinsame Lesezeit mit endlos großen Fragezeichen in den neugierigen Kinderaugen verpufft. Und natürlich ist die Anschaffung eines Bilderbuches auch immer wieder eine finanzielle Frage, erhält man doch für einen recht stattlichen Preis ein Buch, das oft aus nicht mehr als 30 bis 40 Seiten besteht.

Hier will in jeder Beziehung abgewogen und mit viel Liebe entschieden werden, welches Bilderbuch das Allerheiligste im Kinderzimmer erobert. Mir persönlich ist immer wieder wichtig zu beobachten, was diese Kinderbücher mit ihren Lesern anstellen und ein absolutes Merkmal für einen absoluten Volltreffer in diesem Genre ist es, wenn nach dem Lesen das Buch nicht im Schrank verschwindet, sondern „gezündet“ hat. Ideen, Inspirationen, Gedanken und Träume.

Einen solchen Zündfunken habe ich zuletzt mit dem Bilderbuch Walross, Spatz und Beutelteufel“ von Adrienne Barman erlebt, und genau aus diesem Grund ist dieses Buch auf meiner literarischen Sternenkarte der Bilderbücher ein wichtiger Fixstern zur unterhaltsamen Selbstfindung und Erweiterung der noch ganz jungen Denkwelten. Und dies aus gutem Grund, den man sich einfach mal vor Augen halten sollte, da man dieses Buch ansonsten vielleicht unterschätzt.

Walross, Spatz und Beutelteufel von Adrienne Barman

Walross, Spatz und Beutelteufel von Adrienne Barman

Nach einer Geschichte sucht man hier vergeblich und die wenigen Worte dienen nur als Überschriften für die einzelnen Kapitel. Was uns dort jedoch erwartet, ist nicht nur für kleine Entdecker spannend, sondern bringt auch das „ältere“ Bilderbuchherz zum Pochen und den eingerosteten Grips zum Dampfen. Tiere sind in wundervollen warmen Zeichnungen zu finden. Scheinbar wahllos sind sie angeordnet, da die einzelnen Tiere auf den einzelnen Seiten im wissenschaftlichen Sinn nicht viel gemeinsam haben.

Und doch ist es so ganz anders als man denkt, oder sieht. Diese ganz besondere Enzyklopädie bedient sich nicht der althergebrachten biologischen Kategorien, die man in der Schule vorgesetzt bekommt. Hier werden die Tiere unserer Welt in ganz eigenen und völlig neuen Kategorien vereint, die sich oft schmunzelnd und manchmal auch laut auflachend dem Betrachter sofort erschließen.

Schautafeln aus der Schule oder dem Kindergarten kann man bequem aus der Hand legen, denn nun gilt es, die „Ordnung der Tiere nach Adrienne Barman“ in sich aufzunehmen und sie einfach zu genießen. Wir finden Ordnungskriterien, wie:

  • Die Schneeweißen,
  • Die Himmelblauen,
  • Die Schlauen,
  • Die Schnellen,
  • Die Bergbewohner,
  • Die Nachtschwärmer,
  • Die Leisen,
  • Die Architekten,
  • Die Riesen
Walross, Spatz und Beutelteufel von Adrienne Barman

Walross, Spatz und Beutelteufel von Adrienne Barman

Und so geht es lustig immer weiter. Mehr als 40 Kriterien bilden die Kategorien für die Neuordnung des Tierreichs. Dabei sind es eben sehr kindliche Faktoren, die hier als Kriterien verwendet werden und da liegt schon der besondere Zauber des Bilderbuchs. Ohne große Erklärungen werden die Tiere in vereinfachter, jedoch sehr ansprechender Weise dargestellt. Sie fügen sich, wie der sich am Kopf kratzende Schimpanse, in die Ordnungskriterien (hier: „schlau“) ein und blicken dem Betrachter mit wachen Augen sehr lebendig entgegen.

Erklärungen findet man nur dort, wo sie aus Sicht der Autorin zwingend erforderlich sind. Zum Beispiel, wenn es um die Länge der Zungen von Tieren der Kategorie „Die Langzungen“ geht. Leicht verständliche Begründungen werden dem Leser an die Hand gegeben, warum das jeweilige Tier genau an dieser Stelle zu finden ist.. Kein Wort zu viel, keines zu wenig. Dieser bewusste Verzicht auf Sprache oder langatmige Hinweise regt zum eigenständigen Entdecken und zum Begreifen an. Und dieses Begreifen führt zum eingangs erwähnten magischen Zündfunken im Buch.

Denn während wir staunen, betrachten und uns dieser ungewöhnlichen Neuordnung erfreuen und uns darüber wundern, wie offen und frei man Tiere „unter einen neuen Hut“ bringen kann, setzt bei den Kleinen etwas ganz Besonderes ein. Ich durfte diesen Zündfunken schon mehrmals live erleben, wenn nämlich ganz plötzlich die Aufforderung kommt, einem Bild doch noch ein Tier hinzuzufügen, weil es eben auch dazu passt.

Walross, Spatz und Beutelteufel von Adrienne Barman

Walross, Spatz und Beutelteufel von Adrienne Barman

Oder, wenn schon während des Betrachtens über neue Kriterien nachgedacht wird, die hier scheinbar vergessen wurden. „Die Stinkenden sind gar nicht drin – und da fallen mir ganz viele ein, die so richtig stinken“. Diesen Satz werde ich so schnell nicht vergessen. Und schon liegt das Bilderbuch mittendrin im Zentrum eines kindlichen Gedankensturms, der über das passive Anschauen und bloße Berieseln hinausgeht.

Hier wird die Kreativität der Kinder herausgefordert und das Kategorisieren nach eigenen Vorstellungen gefördert. Bei Waldspaziergängen tauchen auch Wochen nach dem ersten fröhlichen Betrachten immer wieder Fragen auf, ob denn die entdeckten Tiere im Bilderbuch seien, oder ob man tatsächlich eine neue „Art“ entdeckt habe. Und voller Stolz werden dann zuhause „Die Zutraulichen“ oder „Die Verschmusten“ oder „Die Nie-Alleine-Flieger“ gemalt und ins Buch gelegt.

Walross, Spatz und Beutelteufel – Das große Sammelsurium der Tiere“ von Adrienne Barman, – 2015 erschienen im Aladin Verlag – ist eines der viralsten und nachhaltigsten Bilderbücher, das ich in freier Wildbahn beobachten durfte. Es lebt, lädt ein zum „Spinnen“ und ordnet dabei ganz spielerisch die Tierwelt neu. Was ich noch nicht beurteilen kann, sind die Auswirkungen dieses Denkens auf die Biologielehrer in der Zukunft. Ich muss schon jetzt herzhaft lachen, wenn ich nur daran denke, wenn ein Schüler behauptet, dass im aktuellen Biologiebuch einige wichtige Kategorien einfach fehlen:

„Die Gladiatoren“ zum Beispiel… „Die habe ich nämlich selbst gefunden… damals, als ich noch Bilderbücher las…“

Walross, Spatz und Beutelteufel von Adrienne Barman

Walross, Spatz und Beutelteufel von Adrienne Barman

Ein Wort zu den erwachsenen Fans dieses Bilderbuches: Darwin war gestern, Barman ist heute. Im Biologie-Unterricht haben wir vieles gelernt. Artenvielfalt, Genetik, Gattung oder den Unterschied zwischen morphologischem und biologischem Artbegriff. Diese Kriterien sind wissenschaftlich fundiert, historisch untermauert, korrekt und sicher auch extrem hilfreich, um Paarhufer von Einzelhufern zu unterscheiden. Aber es macht keinen Spaß! Probieren Sie es einfach aus. Am besten nicht allein und lassen Sie sich von diesem Sammelsurium verzaubern. 

Editorial:

Ich danke Adrienne Barman für die Überlassung der enzückenden Autorenfotos, die so schön zu diesem Buch und dem Artikel passen. Ganz besonders danke ich auch für die Geduld, meine holprigen französischen Fragen in aller Seelenruhe und mehr als freundlich zu beantworten!

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[Bilderbuch] „Vampi – Die kleine Vampirfledermaus“

Vampi - Die kleine Vampirfledermaus von Sandra Baumgärtner

Vampi – Die kleine Vampirfledermaus von Sandra Baumgärtner

Manchmal kommt man als Literaturblogger zu einem Buch, wie die Jungfrau zum Kind. Man hatte es nicht auf der Liste, hat noch nie davon gehört und plötzlich ist es da und schaut einen ein wenig vorwurfsvoll an, als wollte es sagen: „Hier bin ich. Und was stellen wir beiden Hübschen jetzt an?“ Diesem besonderen Buch-Charme kann man sich einfach nicht entziehen und im Laufe meines langen Bloggerlebens habe ich festgestellt, dass es keinen Zufall gibt.

Bücher wollen gefunden werden und wenn wir es nicht schaffen, dann nehmen sie ihr Glück selbst in die Hand oder ergreifen die Chance mit dem eigenen Lesebändchen. Oder… Und auch das kommt vor… Sie schicken jemanden vor, der uns ganz heimlich mit einem Buchvirus infiziert, gegen den es nur ein einziges Heilmittel gibt: LESEN.

Tom Daut ist so ein Vorgeschickter. Ein sehr geschickter Vorgeschickter und doch war auch er auf der Leipziger Buchmesse der Fügung hilflos ausgliedert, die mich mit einem Kinderbuch in Verbindung brachte, als er zu singen begann. Ja, richtig gelesen. Tom Daut gab mir für Literatur Radio Bayern ein exklusives Interview und brillierte in all seinen Facetten. Als Autor des eigenen Sinistra-Projekts, als Sprecher bei eigenen Lesungen, als Visionär, was seine literarische Zukunft betrifft, als leidenschaftlicher Büchermensch und nicht zuletzt als Hörbuchsprecher.

Tom Daut - Das exklusive Buchmesseinterview - Vampirfledermaus

Tom Daut – Das exklusive Buchmesseinterview

Um das Radio-Interview anhörlicher zu machen (sagt man doch so), bat ich ihn ganz einfach, seine Hörbuchstimme zum Besten zu geben und auch auf diesem hörbaren Wege zu zeigen, was ihn als Künstler ausmacht. Als er dann das Buch aus der Tasche zog und kurz erklärte, worum es ging, konnte ich kaum glauben, was er erzählte.

Vampi – Die kleine Vampirfledermaus von Sandra Baumgärtner, erschienen im Papierverzierer Verlag, ist eine ganz besondere Geschichte für Kinder und spielt im Trier zur Zeit der Römer. Vampi lebt im Stadttor Porta Nigra und begibt sich nachts zu seinen blutsaugenden Ausflügen in die Stadt, was ihr eine Menge Ärger einbringt.

Weiter kam Tom nicht. Meine Gedanken schweiften ab, als Tom Daut das Vampi-Lied aus dem wundervoll illustrierten Lese- und Bilderbuch lauthals zu singen begann. Meine Gedanken waren schon abgewandert. Was Tom nicht wusste, und was in diesem Moment wirklich wie eine buchige Fügung auf mich wirkte, ist die Tatsache, dass ich in Trier geboren wurde und dieser Stadt immer noch sehr verbunden bin.

Jetzt in Leipzig in ein Bilderbuch zu schauen, in dem ich alle markanten Punkte aus meiner eigenen Vergangenheit erkannte, war schön und ein wenig unheimlich zugleich. Als ich dann auch noch erfahren durfte, dass Sandra Baumgärtner in Trier lebt und schreibt, war völlig klar, dass ich über dieses Buch berichten muss. Ganz besonders, weil die kleine literarische Sternwarte treue Leser in Trier aufzuweisen hat. Also auf nach Augusta Treverorum.

Lasst uns römische Tuniken anziehen, lustige Sandaletten tragen und folgt uns zum Stadttor, das noch heute das Wahrzeichen von Trier ist: DER PORTA VAMPIRA… (öhm… Nigra, dachte ich, aber das ist historisch nicht mehr ganz haltbar, wenn man Vampi Glauben schenken darf!). Und ich glaube ihr! Punkt. Vorschusslorbeeren sind das wahrlich nicht, denn Lorbeerkränze müssen sich Bücher ganz ehrlich verdienen. Da reicht es nicht, dass sie aus meiner Heimat kommen. Auch römischen Statthaltern wurden die Lorbeeren nicht eben nachgeworfen.

Also mitten hinein in „Vampi – Die kleine Vampirfledermaus“. Und Augen auf, es wird historisch, blutig, spannend, lehrreich und einfach zum Brüllen komisch, denn Vampi mischt die Römer auf. Fast so, wie Asterix und Obelix, nur halt mit Flügeln und so richtig blutdürstig. Also nicht ganz schlimm blutdürstig. Eben nur so zum Eigenbedarf und so ein kleiner Vampi-Biss haut doch einen Römer nicht um. Oder?

Vampi - Die kleine Vampirfledermaus von Sandra Baumgärtner

Vampi – Die kleine Vampirfledermaus von Sandra Baumgärtner

Weit gefehlt. Seit sich Vampi dazu entschlossen hat, die Porta Nigra, das mächtige Stadttor, zu seiner Wohnhöhle zu machen und von dort zu nächtlichen Ausflügen zu starten und ein wenig Blut zu tanken, breitet sich die Legende vom Monster schnell aus. Das Stadttor wird nur noch als Porta Vampira bezeichnet und die Besucher bleiben aus. Und mit den Besuchern fehlen dem römischen Statthalter Augustus nun auch noch die wichtigen Einnahmen, ohne die man so eine Stadt echt nicht am Leben erhalten kann.

Also beschließt er, sich selbst um die Angelegenheit zu kümmern und denkt sich einen Plan aus, um die kleine Fledermaus endgültig aus der Stadt zu vertreiben. Mehr als den höhnischen Vampirfledermaus-Gesang erntet er allerdings nicht. Und doch zeigt sein Plan in gewisser Weise seine Wirkung, denn Vampis Wege, an römisches Blut zu gelangen, werden komplizierter.

Doch erst ein Versehen, aus dem ein Vampir-Unfall wird ist der Auslöser für die erste persönliche Begegnung zwischen Statthalter Augustus und dem wahren Übeltäter und Blutsauger. Oder stellen wir uns schon jetzt die Frage, wer hier eigentlich wer ist. Jedenfalls nimmt die Geschichte in diesem Augenblick eine wundervolle Wendung.

Vampi - Die kleine Vampirfledermaus von Sandra Baumgärtner

Vampi – Die kleine Vampirfledermaus von Sandra Baumgärtner

Ach herrlich. Mehr muss man eigentlich nicht sagen. Die liebevollen Illustrationen von Susanne Beneš (benSwerk) strahlen alles aus, was man sich nur von einem solchen modernen Bilderbuch erhoffen kann. Es wirkt warm, spannend, mystisch und dunkel, da wo es Dunkelheit verströmen soll. Und doch lässt es den Charakteren so viel Freiraum, dass es jedem Kind mühelos gelingt, in die Bilder zu springen und Teil der Handlung zu werden. Beneš spielt mit den Farben und Symbolen dieser Geschichte, wie Sandra Baumgärtner mit ihren Worten spielt.

Die Autorin erzählt ihre Geschichte mit einfachen Worten. Aber eben Worten mit ganz eigener Melodie. Sie vermittelt ganz nebenbei spielerisch, wie man so lebte vor mehr als 2000 Jahren, welche Bauten damals entstanden und wie wichtig ein solches Stadttor war. Wort und Bild erzählen eine gemeinsame Geschichte, als hätten beide gemeinsam das Licht der Welt erblickt. Gut und Böse sind für Sandra Baumgärtner keine bloßen Abziehbilder, sie betrachtet differenziert und zeichnet mit ihren Worten, was Susanne Beneš mit Bildern erzählt. Eine tolle Symbiose.

Ein Riesenspaß für die Kleinen. Und nicht nur die Kids, die aus Trier kommen, denn solche Bauwerke findet man ja in vielen Städten. Ein Mix aus Spaß, Unterhaltung und Wissen wartet hier darauf, endlich entdeckt zu werden. Und zum guten Schluss hat das kreative Buch bester Qualität auch noch einen tollen Mitmach- und Bastelteil zu bieten. Gemeinsam auf Entdeckungstour zu gehen ist ein absolutes Erlebnis und der Blick zur Porta Nigra wird fortan auch ein Blick zu Vampi sein.

Damit sich der Kreis zum Interview mit Tom Daut nun wieder schließt, sei darauf hingewiesen, dass man Vampi auch als Hörbuch genießen kann. Aber nehmt euch in Acht. Wenn ihr einmal gehört habt, wie Tom Daut mit Vampis Stimme singt, dann wollt ihr auch das Buch… Und umgekehrt. Genießt es.

Vampi - Die kleine Vampirfledermausvon Sandra Baumgärtner

Vampi – Die kleine Vampirfledermaus von Sandra Baumgärtner

Liebe Grüße nach Trier von einer buchigen Vorwitztuut.