„Letzte Freunde“ – Das Trilogie-Finale von Jane Gardam

Letzte Freunde von Jane Gardam

Letzte Freunde von Jane Gardam

Wie endet eine Trilogie, die mich mehr als ein Jahr meines Lesens begleitet hat? Wie verabschieden sich Charaktere aus meinen Gedanken, denen ich von Hongkong nach England gefolgt bin und die mir den Zeitenwandel zwischen dem Empire und dem modernen Großbritannien vor Augen geführt haben? Wie endet die Geschichte zweier Menschen, die den beiden ersten Büchern mit ihren Wesensmerkmalen zu ihren Titeln verholfen haben. Edward Feathers (Old Filth), Ein untadeliger Mann“ und seine Frau Betty, Eine treue Frau? Ich war gespannt auf das Finale von Jane Gardam: Letzte Freunde

Distinguiert, würde man ihn nennen. Jenen ehemaligen Kronanwalt und Richter des Britischen Empires, der in der Kronkolonie Hongkong deutliche Spuren hinterlassen hatte. Er blickt zurück auf eine bewegte Zeit, jener Edward Feathers, der im ersten Teil der Trilogie „Ein untadeliger Mann“ mein Lesen bereicherte. Old Filth, ein Spitzname, der ihm geblieben ist. Besonders in Anwaltskreisen und obwohl er eigentlich nicht sehr schmeichelhaft scheint, Edward Feathers hat was draus gemacht. Zumindest so lange, bis SIE starb…

„Nach Bettys Tod hörte Old Filth auf zu kokettieren. Sein Leben stürzte ein. Es wurde umständlicher. Er begann, zunächst langsam, die Deckel von vergangenen Ereignissen zu heben, die er als vernünftiger Mann mit gebildeten Freunden (er war Anwalt… der Krone gewesen) bislang geschlossen gehalten hatte.“

Letzte Freunde von Jane Gardam

Letzte Freunde von Jane Gardam

Um wen er jedoch trauert, das erschließt sich erst in der Fortsetzung, denn hier lässt uns Jane Gardam in die Gedanken- und Gefühlswelt von Betty Feathers schlüpfen. Sie kommt nun zu Wort. Ihr Leben an der Seite des distinguierten Richters konturiert sich von Seite zu Seite. „Eine treue Frausteht nun dem „Untadeligen Mann“ zur Seite. Und hier erwartet uns die Aufklärung dessen, was wir schon seit dem ersten Buch zu wissen glaubten, es aber (ebenso wie Old Filth) niemals aussprechen wollten. Treue ist ein weit gefasstes Ideal und gerade in der Ehe mit Edward wurde diese Tugend auf den Prüfstand der Moralvorstellungen von Betty gestellt.

Nein – Betty Feathers war alles andere als treu. Punkt. Basta! Wir wussten es. Wir haben es immer geahnt und hätten ihrem naiven Ehemann gewünscht, das untadelige Äußere nur einmal vergessen zu können, um Betty auf die Spur zu kommen. Alles ist mehr als klar. Aus ihrer Sicht werden wir Zeugen des ersten Kennenlernens der beiden. Aus ihrer Sicht erleben wir, was sie sich von dieser Beziehung verspricht und aus dem Mund ihrer besten Freundin vernehmen wir, wovor sich Becky am meisten fürchtet.

„Man sollte auch den Mond wollen. Lass dir keine Vierzig-Watt-Birne andrehen, nur weil sie hübsch aussieht. Du bleibst darauf sitzen, wenn sie ausgeht… und dann hockst du am Ende ewig im Dunkeln.“

Letzte Freunde von Jane Gardam

Letzte Freunde von Jane Gardam

Fehlt nur noch das Ende. Fehlt der finale Band. „Last Friends“. Letzte Freunde. Es musste so kommen, dass Jane Gardam die letzte Perspektive ihrer Trilogie dem Mann überlässt, der hier stets als das Synonym für Versuchung auftaucht. Ein Mann, der es ja fast geschafft hätte, Edward und Betty zu trennen. Ein Mann der mit einer geschenkten Perlenkette ein lebenslanges Band zum Herzen von Betty geknüpft hat. Ein ebenbürtig erscheinender Gegenspieler für Old Filth.

Der finale Band sollte diesem Terry Veneering gehören Letzte Freunde.

Und dann saß ich da im kurzen Lesehemd, denn Jane Gardam hatte wohl nie den Plan, meinen Leseerwartungen entsprechen zu wollen. Sie erzählt hier vom prallen Leben und so wie sie sich ihrer eigenen Geschichte ausliefert, so sind es auch jetzt die Überraschungen und Wendungen, die das Leben in ihrer Trilogie widerspiegeln. Allein der erste Satz des Schlussbandes steht für einen ganz besonderen Schlussakkord, der mein Lesen in diesem Erzählraum verändern sollte.

„Die Titanen waren nicht mehr.“

Letzte Freunde von Jane Gardam

Letzte Freunde von Jane Gardam

Wie in einem epischen Theaterstück verändert Jane Gardam die große Bühne der Trilogie vor dem Finale, lässt ihre Protagonisten abtreten und zelebriert diesen letzten Schlussvorhang mit zwei Trauerfeiern in London. Edward Feathers (Old Filth) und Terry Veneering sind nicht mehr. Betty war ihnen vorausgegangen und nun sitzen wir da und fragen uns, wie man die Handlung eines Buches vorantreiben kann, dem die Personen fehlen, die uns bis hierhin gebracht haben. Ein Abgesang auf eine Trilogie?

Nein. Sicherlich nicht, denn genau in diesem Fehlen liegt der Reiz dieses finalen Aufzugs. Jane Gardam erweitert die Perspektive des Betrachters um jene Randfiguren, die wir zwar bisher wohlwollend zur Kenntnis genommen haben, die aber im Verlauf der Handlung eher unwichtig erschienen. Doch wie im wahren Leben, bleiben am Ende der Geschichte diejenigen übrig, die als „Letzte Freunde“ ihre Erinnerungen an die viel zu früh Verstorbenen kultivieren.

Aus diesem Blickwinkel erleben wir das Beziehungsgeflecht von Edward, Betty und Terry völlig neu. Wir rücken ab von Bildern, die in unserer Vorstellung verankert sind. In „Letzte Freunde“ reisen wir zurück zu den Wurzeln der Geschichte, erkennen Irrtümer und Irrwege und finden uns neu, weil wir Charaktere neu erleben dürfen. Dabei scheint alles nur neu zu sein, denn wir sehen auch ein Muster, das sich auch über die Cover der drei Bücher zieht und am Ende zu einem großen Geflecht vereint.

Letzte Freunde von Jane Gardam

Letzte Freunde von Jane Gardam

Jane Gardams Trilogie findet mit „Letzte Freunde“ einen würdigen Abschluss. Es ist ein Finale, das so nicht erwartet werden konnte und deutlich aufzeigt, wie wichtig die Menschen sind, die eine Lebensgeschichte nur tangieren. Die Peripherie gerät plötzlich ins Rampenlicht und durch diesen Kunstgriff der Blickwinkelerweiterung realisiert man die Tiefe der Spuren, die Edward, Betty und Terry im Leben ihrer Freunde hinterlassen haben. Man erinnert sich nur an das Gute. Man verdrängt Peinlichkeiten und Abwege. Man bereinigt das Leben an seinem Ende um den Faktor „Unzulänglichkeit“.

Ich bereinige am Ende der Trilogie die moralischen Sichtweisen von richtig oder falsch, die immer wieder für die Lebensweisen von  Menschen hergenommen werden, die sich in ihrem Leben einfach nur darauf fokussieren wollten, sich selbst treu zu sein. Man soll nicht über Tote lästern. Diesem Anspruch werden „Letzte Freunde“ gerecht. Anstatt zu verurteilen hinterfragen sie sich, sehen mit welchen Konventionen Edward, Terry und Betty gebrochen haben und vielleicht gelingt es auch ihnen, neue Wege zu finden.

Es ist nie zu spät.

Ich bin noch nicht am Ende angelangt, was Jane Gardam betrifft. Das Glück hat mir einen limitierten Buchschatz in die Hände gespielt. Geheime Briefe aus der 5Plus- Edition schließt eine kleine Lücke im Leben von Jane Austen, die den Liebhabern der großen Schriftstellerin bis heute keine Ruhe lässt. Eine Reise nach Devon, eine völlig geheime Liebe und der plötzliche Tod des Mannes, den Jane Austen dort traf. Wilde Spekulationen ranken sich um diese Episode. Jane Gardam löst sie nicht auf, aber sie schrieb die geheimen Briefe, die es niemals gab….

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