Northanger Abbey von Jane Austen – Das Hörspiel

Northanger Abbey von Jane Austen - AstroLibrium

Northanger Abbey von Jane Austen

Sie ist ebenso legendär, wie geheimnisvoll. Ihr Name steht für die große Literatur in einem zeitlichen Kontext, der es Frauen eher schwermachte, die Feder zu erheben, um sich Gehör zu verschaffen. Die Rede ist von Jane Austen. Es gibt große Lücken in der Biographie der großen Schriftstellerin, die bis heute nicht geschlossen werden konnten. Im Rätselhaften liegt hier die Faszination begründet. Ich las „Vernunft und Gefühl“ und zelebrierte auf meinem Blog ihren 200. Todesstag. Was für mich in Jane Gardams „Die geheimen Briefe“ mit der geheimnisvollen Affäre der jungen Jane begann, setzte sich schon wenig später mit ihren Briefen fort. „Ich bin so gütig, Dir wieder zu schreiben“ ist extrem aufschlussreich, weil ich auch in diesem Buch auf ihr dreijähriges Schweigen stieß, das so viel Raum für Spekulationen über ihr verborgenes Liebesleben bietet. Hat Jane Austen sich selbst Modell gestanden für Romane, die man mit ihr verbindet? Lesen wir heute ihre eigene Geschichte, bestens verborgen im Korsett der Zeit und zwischen den Falten der Reifröcke ihrer Romanfiguren? Wir werden es wohl nie erfahren…

Auch in dem feinen kleinen Reclam-Brevier „100 Seiten Jane Austen“ findet man kaum Greifbares zum autobiografischen Aspekt ihres Schreibens. Dafür wird man jedoch in lustig komprimierter Form auf Stand gebracht und kann locker jede Frage zu ihr beantworten, wenn man mal auf dem heißen literarischen Stuhl sitzt. Für mich steht jedoch fest, dass ich ihr vielleicht Hof gemacht hätte. Die Faszination für diese Frau ist ungebrochen. Ein Abendessen an ihrer Seite, ein Gespräch mit ihr und alle Zweifel am Wahrheitsgehalt von „Stolz und Vorurteil“ würden sich wohl in Luft auflösen. Ich fand im Hause Der Hörverlag neue Nahrung für meine Leidenschaft. Ein echtes Hörspiel in optisch ansprechender Aufmachung erregte meine Aufmerksamkeit. Das CD-Case mit Funkel-Glitzer-Faktor und einem Booklet passen zum Thema. Britisch, adelig und voller Seitenhiebe auf die pseudo-royale High Society zur Zeit der Jahrhundertwende 1798 / 1803.

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Northanger Abbey von Jane Austen

In dieser Zeit schrieb sie Northanger Abbey“. Und wie sie schreib. Keine Lovestory und kein Herzschmerz, keine intensive tiefenpsychologische Auseinandersetzung oder paartherapeutische Seelenstudie. Nein. Es ist fast satirisch, wie sie die Handlung ihres Romans in ein Szenario einbettet, das nicht nur tiefes Schmunzeln verursacht. Ich treffe auf die junge Catherine Moreland. Kein Mädchen aus bestem Hause. Sicher nicht die beste Partie auf dem hart umkämpften Heiratsmarkt, aber eine lebenslustige aufrechte und weltoffene junge Frau, mit der man gerne ein paar Pferde gestohlen hätte. Und sie liebt Gruselromane. Je schauriger, je besser. Je verworrener, desto lieber. Kapitelweise saugt sie den Schauder auf und lässt sich in ihrer Fantasie beflügeln. Bezaubernd…

Als sie von guten Freunden der Familie zu einem Ausflug nach Bath eingeladen wird und sich dort in den extrem charmanten Henry Tilney verliebt, gerät ihre heile Welt aus den Fugen. Im Widerstreit der Gefühle wird sie nun zum Spielball einer Gesellschaft, in der es gilt, mehr zu scheinen als zu sein. Hier zelebriert man das adelige Lebensgefühl einer privilegierten Upper Class. Hier stellt man sich und seinen schier unermesslichen Reichtum zur Schau. Nicht gerade die Welt, in der Catherine Moreland verhaltenssicher und souverän agiert. Es kommt ihr vor, wie in einem Traum. Und als sie dann auch das Interesse eines weiteren vielversprechenden Mannes weckt, weiß sie nicht, wie sie sich zu verhalten hat.

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Northanger Abbey von Jane Austen

Es wird kompliziert. Rauschende Bälle werden besucht, zarte Beziehungen geknüpft, es wird geflirtet und getratscht. Es ist alles geboten, was das junge Herz begehrt. Man verabredet sich und versucht sich gegenseitig zu verkuppeln. Dreieckskonstellationen haben Hochkonjunktur. Und mittedrin die unbescholtene Catherine, die versucht allen Erwartungen gerecht zu werden. Als ihr Bruder ins Spiel kommt, der sich in eine junge Dame verliebt, wird von ihr erwartet, deren Bruder zu treffen. Überkreuz verheiratet es sich am besten. Da kommt der junge Henry Tilney gerade recht, der Catherine auf den Landsitz seiner Familie einlädt. Northanger Abbey.

Geheimnisumwittert, düster und so schaurig wie in ihren Gruselromanen vermischt sich Fantasie mit Realität. Ihre Offenheit und ihr Interesse am alten Familiengeheimnis der Tilneys brüskieren jedoch ihren Gastgeber, einen ehrenwerten General. Dass jener das junge Mädchen jedoch kurzerhand vor die Tür setzt, ist nun auch für uns mehr als überraschend. Jane Austen hat natürlich eine Erklärung auf Lager. Sie lässt uns nicht im Regen stehen mit jener armen enttäuschten Catherine. Eine federleichte und spitze Satire auf den Jahrmarkt der Eitelkeiten der Schönen und Reichen zu ihrer Zeit. Nicht ansatzweise so ernsthaft und tragisch, wie ihre anderen Bücher. Und doch so viel mehr als eine Fingerübung.

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Northanger Abbey von Jane Austen

„Northanger Abbey“ ist wie gemacht für ein Hörspiel. Allerdings impliziert allein der Begriff schon eine hohe Erwartungshaltung an eine solche Romanadaption. Hier ist sie absolut gelungen. Vierzehn brillante Stimmen, vier virtuose Musiker und ein Komponist. Unter der Regie von Silke Hildebrandt beginnt ein szenischer Zauber seine Magie zu entfalten. Die Musik von Jakob Diehl lädt einerseits dazu ein, fröhlich das Tanzbein zu schwingen, ist jedoch andererseits auch in der Lage den schaurigen Fantasien unserer jungen Catherine Moreland ein gruseliges Echo zu verleihen. Atmosphärisch brillanter geht es nicht. 

Wenn dann noch die Stimmen ihre eigene Klangfarbe entwickeln, kann man nicht mehr aufhören zuzuhören. Ulrich Noethen als Erzähler, Anna Drexler als Catherine, Max Bretschneider als Henry Tilney. Mehr muss man Hörbuchliebhabern nicht sagen, wenn man auf die hervorragende Besetzung des Hörspiels hinweisen möchte. Und was das Gruseln angeht, kommt man wirklich auf seine Kosten. Es ist Simon Scardanelly, der auf unnachahmliche Weise der britischen Gruselliteratur Leben einhaucht. Und das auch noch in der Originalfassung. Lassen Sie sich überraschen. Hier wird aus Austens Debüt-Roman ein echter Klassiker. Einziges Manko: Alles endet nach nur zweieinhalb Stunden. Ich hätte noch einige Wochen auf Northanger Abbey bleiben können. Es war gerade so schaurig schön. Kompliment…

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9 Gedanken zu „Northanger Abbey von Jane Austen – Das Hörspiel

  1. Es ist gefährlich sich wieder mit den liebsten Buchblogs intensiver zu beschäftigen. Es lenkt vom Studium ab.
    Jane Austen oft gelesen und immer wieder schön. Allerdings hab ich nicht so eine schöne Ausgabe im Regal stehen. Das Hörspiel, kurz reingehört hab ich schon, wird mich als nächstes begleiten. Im Moment höre ich noch Achtsam Morden von Karsten Dusse. Sehr amüsant.

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