Narbenkind von Erik Axl Sund (Thriller-Trilogie-Mitte)

Narbenkind von Erik Axl Sund

Narbenkind von Erik Axl Sund

Als ich den Auftaktband der schwedischen Victoria-Bergmann-Trilogie schloss, war mir klar, dass ich mit dem Krähenmädchen nur die Spitze des Psychothriller-Eisbergs gesichtet hatte. Das Autorenduo Erik Axl Sund hat mich im Lesen gefesselt und oftmals durch die extrem drastischen Schilderungen der Verbrechen abgeschreckt. Ein Effekt, der durchaus beabsichtigt war – dem Wutschreiben gegen Gewalt sollte das Wutlesen folgen. Bei mir hat es sich eingestellt und ich schloss meine Gedanken zum „Krähenmädchen“ mit folgenden Worten:

Diese Trilogie ist kein Kinderspiel! Die Beschreibungen der misshandelten Jungs sind extrem und drastisch. Traumatisierungen verdienen in diesem Roman ihren Namen und auch aus der Perspektive des Täters heraus ist die Schilderung des Grauens nichts für schwache Nerven. Das muss man schon ganz genau wissen, wenn man sich auf das “Krähenmädchen” einlässt. Sagt nicht, ich hätte euch nicht gewarnt!

Passt auf euch auf beim Lesen, seid tapfer und haltet durch.

Und nun verweise ich auf die Titelbilder zu diesen Artikeln. Im „Krähenmädchen“ ging die Saat der beiden schwedischen Autoren langsam auf. Im „Narbenkind“ erwacht sie und wächst zu einem komplexen Feld mit gemeinsamen Wurzeln. Und ich freue mich schon sehr darauf, wenn diese furchtbare Saat im Schattenschrei ihre ersten Früchte trägt. Auch, wenn es eine grausame Ernte wird…

Narbenkind von Erik Axl Sund

Narbenkind von Erik Axl Sund

Dem Goldmann Verlag ist es zu verdanken, dass diese Wartezeit, völlig untypisch für Trilogien, nur kurze Zeit währte, denn schon zwei Monate nach dem ersten Teil folgt nun das Narbenkind und bereits im November werden wir mit dem „Schattenschrei“ das Ende dieser außergewöhnlichen Trilogie erlesen dürfen. Der Erfolg dieser Verlagsstrategie ist an der Platzierung des Krähenmädchens in den unterschiedlichen Bestsellerlisten und im Feedback der Leser zu erkennen. Der Auftaktband hat in jeder Beziehung Maßstäbe gesetzt. Und nun bleibe ich mir selbst treu und warne erneut vor dieser Buchreihe. Sie ist nichts für schwache Nerven…

Den Mittelband einer Thriller-Trilogie zu rezensieren birgt die Gefahr, zu viel zu verraten. Besonders Leser, die sich bisher noch nicht dazu durchringen konnten, das „Krähenmädchen“ zu lesen, könnten durch das „Spoilern“ der Handlungsstränge den Spaß daran verlieren, in eine solche Trilogie überhaupt einsteigen zu wollen. Ich werde nicht spoilern, nichts verraten und im Schwerpunkt darauf eingehen, ob die Fortsetzung meinen hohen Erwartungen nach dem Lesen des Auftaktbandes gerecht wird. Ich war mehr als gespannt…

Und so beginnt dan „Narbenkind“ genau da, wo das „Krähenmädchen“ endete. Grausame Morde an illegalen Flüchtlingskindern sind bisher ungeklärt. Dem Ermittlerteam um Jeanette Kihlberg ist es nicht gelungen, dem Täter auf die Spur zu kommen. Die Polizei in Stockholm hat zwar Fakten und Indizien gesammelt, aber das grausame Morden konnte nicht unterbunden werden. Das hinterlässt tiefe Narben bei der Kommissarin, deren Privatleben gerade in einer tiefen Krise steckt. Sie sah sich selbst schon auf dem besten Weg, den Fall zu klären und die Psychologin Sofia Zetterlund schien in jeder Beziehung zur wertvollsten Hilfe zu werden.

Narbenkind von Erik Axl Sund

Narbenkind von Erik Axl Sund

Die Ermittlung jedoch gerät ins Stocken. Man kommt nicht weiter, obwohl man durch Sofia Zetterlund auf einen Namen gestoßen ist, zu dem viele der  Spuren führen: Victoria Bergmann. Aber genau diese junge Frau scheint nicht zu existieren. Als Patientin mit multiplen Persönlichkeitsstörungen war sie bei Sofia in Behandlung, aber alle Versuche mit ihr in Kontakt zu treten scheitern. In Victorias Vergangenheit scheinen alle Schlüssel für die Aufklärung der Morde zu liegen.

Als die Kreise enger werden und sich langsam zu schließen beginnen, geschieht das Unfassbare. Die Staatsanwaltschaft stellt die Ermittlungen ein. Wer vermisst schon Kinder, die sich illegal im Land aufhalten? Wer sucht nach Flüchtlingen ohne Papiere, und gibt es nicht viel Wichtigeres zu tun in Anbetracht der täglichen Verbrechensrate in der schwedischen Hauptstadt? Völlig klar, dass man die Schwerpunkte neu definieren muss und da ist es nur logisch, wenn man vorerst nicht weiter versucht, diesen Morden auf den Grund zu gehen. Oder steckt mehr dahinter, als es den Anschein hat?

Als Leser würde man das Buch an dieser Stelle gerne an die Wand werfen. Das war so sehr vorherzusehen, nachdem die Verantwortlichen scheinbar wenig Interesse an der Aufklärung der grausamen Kindermorde an den Tag gelegt haben. Eben typisch für moderne Gesellschaften, dass diese Schicksale unter den Tisch fallen. Die laute Kritik der beiden Autoren an den Mechanismen unseres Wohlstands schreit geradezu aus dem Buch heraus. Sie bringen auf den Punkt, was häufig verschwiegen wird und erzielen dabei im Leser die erneute wütende Reaktion auf die sozialen Zustände, die es anzuprangern gilt. Ein Thriller mit Botschaft.

Narbenkind von Erik Axl Sund

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Der Leser bleibt mit seiner Empörung nicht allein, denn Jeanette Kihlberg wäre nicht die verbissene Ermittlerin, die wir schätzen gelernt haben, wenn sie diese Entscheidung akzeptieren würde. Nur sie hat den Überblick, der es ihr erlaubt, die nun plötzlich in Serie auftretenden Morde an Erwachsenen in einen Zusammenhang mit den toten Kindern zu bringen. Die Taten sind ebenso sinnlos, brutal und grauenvoll, reihen sich scheinbar ohne Zusammenhang aneinander, durchziehen alle sozialen Schichten des Landes und doch gibt es ein gemeinsames Glied in der Kette: Victoria Bergmann.

Was der Leser dann in diesem Trilogie-Mittelteil erlebt ist eine tiefenpsychologische Verfolgungsjagd einer Einzelgängerin, die sich zumindest noch auf einige gute Freunde bei der Polizei verlassen kann – und natürlich auf Sofia Zetterlund, die Psychologin, die ihr inzwischen mehr als ans Herz gewachsen ist. Was sie nicht weiß, ist dass sie fast schon ferngesteuert in ein Dr. Jekyll und Mr. Hide-Szenario“ getrieben wird, in dem nicht jeder der ist, der er zu sein scheint. Wem kann Jeanette wirklich trauen?

Ich arbeite mich durch die Ermittlungsakten, eile von Tatort zu Tatort und bin Jeanette sogar immer einen Schritt voraus. Ein Täter, der weder Rechts- noch Linkshänder zu sein scheint und dem darüber hinaus etwas fehlt, das ihn eindeutig identifizieren kann, gibt weiter Rätsel auf. Ich bin ihm auf der Spur und weiß schon jetzt, dass ich den Fall nur lösen kann, indem ich im November den Schattenschrei lese. Und genau das werde ich tun… Diese Morde lassen mir keine Ruhe.

Narbenkind von Erik Axl Sund - Mit einem Klick zum Krähenmädchen

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