Heul doch nicht, du lebst ja noch von Kirsten Boie

Heul doch nicht, du lebst ja noch von Kirsten Boie - Astrolibrium

Heul doch nicht, du lebst ja noch von Kirsten Boie

Oh natürlich. Gerade in den letzten Tagen, besonders am Tag des Gedenkens an die Opfer des Holocaust, las und liest man immer wieder, ob es nicht langsam genug sei. Ob man nicht andere Probleme habe. Ob es nicht an der Zeit sei, das Vergangene ruhen zu lassen. Den Holocaust zu den Akten zu legen. Oh natürlich. Bevorzugt fragen dies die Erben der rechten Ideologie, die heute nur von Hass und Spaltung leben. Jene, die sich als harmlose  Alternative bezeichnen, gegen Flüchtlinge und Migration ins Feld ziehen, und dann in plötzlicher Ermangelung ihrer eigentlichen Kernthemen, für Freiheit und gegen Diktaturen spazieren gehen.

Und genau hier stehe ich auf und halte die Stellung: Nein, es ist nicht genug. Jetzt fragen uns Kinder und Jugendliche, die Montagsspaziergänge erleben: Warum sagen die Leute „Man geht nicht mit Nazis“? Gerade jetzt braucht es Haltung, Meinung und relevante Literatur für Kinder und Jugendliche. Jetzt müssen sie kapieren, dass die ideologischen Wölfe von einst im Schafspelz von heute unterwegs sind, und andere als schlafende Schafe bezeichnen. Darum lese ich. Darum schreiben unsere Schriftsteller und Schriftstellerinnen Gegen das Vergessen und darum wird von mutigen Verlagen verlegt. Schließt euch an. Bewahrt Haltung und helft anderen dabei, sich zu orientieren. Lest und geht raus ins Leben. Erzählt von diesen Geschichten. Das ist meine Message in diesen Tagen. Bringt diese Erzählungen mit in die Schulen, macht sie zur Lektüre in den Fächern, die nicht ausgehöhlt werden dürfen. Ich habe euch vor wenigen Wochen „Dunkelnacht“ von Kirsten Boie ans Herz gelegt. Ich schrieb in meiner Rezension:

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Heul doch nicht, du lebst ja noch von Kirsten Boie

Dunkelnacht sprengt den Rahmen eines Jugendbuches. Dunkelnacht fordert viel von seinen Lesern und Leserinnen. Wer verstehen will, muss wissen, wer wissen will muss lesen. Wer liest, wird sich erschrecken, angewidert den Kopf abwenden und sich fragen, wie das nur geschehen konnte. Kirsten Boie hat viele Antworten in diesem Text verborgen. Manche augenscheinlich, andere wieder gut versteckt. Es ist gerade an der Jugend von heute, diese Antworten zu finden, und eigene Antworten für die Zukunft zu entwerfen. Und dann heißt es, dafür einzustehen.

Was in den letzten Kriegstagen in Memmingen geschah, gehört zu den sogenannten Endphasenverbrechen. In einer Phase der Auflösung war alles denkbar und erlaubt. In wenigen Wochen jedoch wäre der Krieg Geschichte. Dann, ja dann wäre doch alles im Lot. Das war die Hoffnung und so sieht heute unser Denken aus. Am Ende des Krieges steht der Frieden. In welchen menschlichen Verwerfungen sich dieser Nichtmehrkrieg allerdings abspielt, wird selten erzählt. „Heul doch nicht, du lebst ja noch“ bildet hier eine literarische Ausnahme. Kirsten Boie hat keinen Trümmerfrauenroman für Kinder und Jugendliche geschrieben. Sie hat sich nicht ins mehrfach ausgebombte Hamburg hineinversetzt, um den Aufbruch in eine neue Zeit zu erzählen. Nein, Kisten Boie lässt uns eine Trümmerwoche unmittelbar nach der deutschen Kapitulation erleben. Es sind die Tage vom 22. Juni bis zum 29. Juni 1945, die wir an ihrer Seite erleben. Tage, die wir in der Realität niemals erleben wollten. Glaubt mir.

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Wer auf der Suche nach altersgerechten Antworten auf die oben genannte Frage ist, warum man nicht mit Nazis spazieren geht, dem sei dieser Roman empfohlen. Ja, zugegeben, es ist auch für 14jährige Lesende harter Stoff, weil Kirsten Boie keinen leichten Weg mit uns geht. Dieses Buch stinkt, es ekelt uns an, wir haben Angst, sehen einer ungewissen Zukunft ins Auge, vertrauen niemandem, sind chancenlos und tragen dabei auch noch eine Vergangenheit in uns, die wir wohl nicht wieder loswerden. Wenn man sich auf diesen Roman einlässt, wird man selbst zum Jugendlichen in einer Stadt, die einer Trümmerwüste gleicht. Die tägliche Versorgung gleicht einem Glücksspiel und ein unbeschwerter Alltag findet nicht statt. Keine Schule, keine Hoffnung, keine Zukunft. So sieht es aus für die Teenager, die uns Kirsten Boie an die Seite schreibt. Da ist der ehemalige Hitlerjunge Hermann, der in den schäbigen Resten einer Uniform die Reste seiner einstigen Autorität zu finden sucht. Sein Vater, Kriegsinvalide, zerstört die Idylle des Friedens und macht aus Hermann einen Jungen, der nur dazu taugt, seinen Vater in der Ruine des Hauses zur Toilette zu tragen. Oftmals zu spät. Alles stinkt. Da bleibt der burschikosen Traute nichts anders übrig, als zu stehlen, um von den Jungs in der Straße wahrgenommen zu werden. Sie, die kaum noch Platz für sich hat, weil doch in der Wohnung der Eltern Flüchtlinge aus dem Osten einquartiert sind.

Da sind Jungs, die auf der Flucht nach Hamburg ihre Geschwister verloren haben. Da wird mit einem Fußball des großen Bruders gespielt, der inzwischen gefallen ist und da sind die amerikanischen Soldaten, die in der Trümmerwüste Patrouille fahren. Nichts in Hamburg fühlt sich normal an, nichts schmeckt nach Frieden. Und über allem hängt der Beigeschmack des verlorenen Krieges. In Hermann toben die Schlachten intensiv, hat er doch so an alles geglaubt, was die Partei und alle ihm vorgebetet haben. Aus seiner Sicht werden wir mit dem Vokabular des Dritten Reichs konfrontiert. Schmarotzer am Volkskörper, Untermenschen, Volkssturm. Schwer zu ertragen. Es ist eine Gruppe, die sich langsam in das neue Leben findet. Mit allen Verletzungen, offenen Wunden in ihren Seelen und in den Seelen ihrer Familien und vor dem Hintergrund einer Stadt, in der man kaum noch überleben kann. Als dann ein Junge zu ihnen stößt, der in keines der Bilder passt, die hier ständig aus dem Rahmen fallen, bricht ein emotionaler Krieg im Frieden aus.  Die letzten Wände beginnen zu wanken. Jakob taucht auf. 

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Es ist dieser Jakob, den gerade jetzt niemand wahrhaben will. Er hat sich in den Trümmern versteckt. Er wurde von den Nazi-Tätern an den Rand einer Gesellschaft gedrängt, die sich als reinrassig bezeichnete. Sein Fehler: Die jüdische Mutter. Hier zeigt sich das Opferbild des Nationalsozialismus in der Trümmerwelt einer Ideologie, die gescheitert ist. An Jakobs Familie zeigt sich die schrittweise Entrechtung und die gnadenlose Verfolgung der jüdischen Bevölkerung. Rassegesetze, Rassenschande und jüdische Versippung lesen sich hier wie Todesurteile. Jakobs Vater stirbt, seine Mutter wird deportiert. Er bleibt zurück. Er macht sich unsichtbar. Fürchtet sich täglich davor entdeckt zu werden und doch treibt ihn der Hunger zurück ans Licht und in die Arme der Jugendlichen, die hier Fußball spielen. Hier zieht Kirsten Boie alle Register der Verdrängung und des Nichtwissens über die Opfer. Hier geht sie mit der Jugend und mit der Geschichte ins Gericht. Wie konnte man nur glauben, wie konnte man nicht sehen… wie konnte man wegschauen… wie konnte man mithelfen… Diese Fragen brennen diesem Roman ihren Stempel auf.

Es ist bewegend, den Weg dieser Jugendlichen zu verfolgen. Es ist erschütternd zu sehen, wie tief Vorurteile und Hass sich verankern können. Es ist grandios zu erkennen, welche Auswege es aus der Ausweglosigkeit gibt. Es macht Mut zu lesen, dass es auch in dunkelsten Zeiten Hoffnung geben kann. Und es ist ein Beispiel für uns alle, nicht zur Seite zu schauen, wenn Menschen ausgegrenzt, beschimpft und verfolgt werden. Kein Grund rechtfertigt das. Weder die Herkunft, noch die Religion, noch Geschlecht der die sexuelle Neigung. Diejenigen, die diesen Hass verbreiten, haben kein anderes Thema. Sie sind klein, wenn sie niemanden finden, den sie zum Underdog machen können. In all ihren Worten schwingt diese Ausgrenzung mit. Die Jugendlichen von heute müssen lernen, was wirklich gesagt wird, wenn die alten Begriffe wieder salonfähig werden. In diesem Roman finden sie Klartext zu damals und damit auch einen Leitfaden für heute. Macht euch eure eigenen Bilder. Lasst nicht zu, dass die Hermanns von heute erneut ihr Unwesen treiben können. Geht euren Weg.

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Heul doch nicht, du lebst ja noch von Kirsten Boie

Wer nach diesem Roman immer noch glaubt, alternative Patrioten würden gerade und ausgerechnet gegen eine Diktatur auf die Straße gehen, dem ist kaum noch zu helfen. Wer darüber hinaus auch noch der Meinung sein sollte, Impfgegner hätten das Recht, das nationalsozialistische Kennzeichen für Personen, die nach den Nürnberger Gesetzen von 1935 rechtlich als Juden galten, zu tragen, sollte sich einfach überlegen, welche Chancen die Opfer von damals hatten, sich selbst zu retten? KEINE. Es ist die Verharmlosung der Taten der Nazis, es ist das Aneignen eines Opfer-Narratives, das im Moment salonfähig wird. Augen auf.

Heul doch nicht, du lebst ja noch“ – Prädikat besonders empfehlenswert – Ein Buch, das seinen Weg in die Schulen finden sollte, damit nicht wieder Länder in Brand gesetzt werden müssen, bevor man bereit ist, umzudenken. Danke, Kirsten Boie. 

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Heul doch nicht, du lebst ja noch von Kirsten Boie

Blicke ich am Ende dieser Zeilen in die Ukraine, dreht sich mir der Magen um. 

Dunkelnacht von Kirsten Boie

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Dunkelnacht von Kirsten Boie

Was geht in einer versierten und etablierten Kinder- und Jugendbuchautorin vor, wenn sie in diesen Tagen, in unserem Land, in diesem gesellschaftlichen Szenario um sich blickt und politische Tendenzen und Automatismen erkennt, die an die Geschichte des Nationalsozialismus in Deutschland erinnern? Was geht in einer Autorin vor, die in ihrem gesamten Schaffen immer wieder an die Jugend der Welt appellierte, niemanden aufgrund seiner Herkunft, seiner Hautfarbe, seiner Religion oder seines Geschlechtes auszugrenzen oder anders zu behandeln? Welche Kriege toben in ihr, wenn sie merkt, dass es gerade jetzt an der Zeit ist, erneut und eindringlich Farbe zu bekennen, Flagge zu zeigen und in aller Deutlichkeit mit ihren Mitteln gegen die Verführung einer Jugend anzukämpfen, die ihr so sehr am Herzen liegt. Was geht da in Kirsten Boie vor?

Man kann es sich ganz gut vorstellen, wenn man ihr aktuelles Buch zur Hand nimmt. Man kommt schnell dahinter, wenn man sich anschaut, mit welcher Verve sie sich einer Zeit angenommen hat, die auch sie nur vom „Hörensagen kennt. Oder sollte man hier besser vom „Verschweigen sagen, weil man der im Jahr 1950 in Hamburg geborenen vielseitig interessierten jungen Frau von einst ihre bohrenden Fragen zur Vergangenheit in Deutschland beharrlich nicht beantwortete? Ja, man spürt sofort, was in der vielfach ausgezeichneten Schriftstellerin vorgegangen sein muss, als sie in ihren Gedanken die ersten Spuren einer Geschichte aufspürte, die sich zum Ende des Zweiten Weltkrieges im bayerischen Städtchen Penzberg zugetragen hatte. Eine unerzählte Geschichte, die auch im heutigen veränderten Stadtbild kaum Spuren hinterlassen hat. Und doch eben eine Geschichte, die wie kaum eine andere geeignet ist, den Irrsinn einer ideologischen Verblendung aufzuzeigen. Der Titel dieses Buches zeigt, wie sich das Herz verkrampft.

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DUNKELNACHT

Mit diesem Titel werden schon die Weichen gestellt. Kein ausschweifender Roman, keine Geschichte, die nur vierundzwanzig Stunden erzählt und eine ganze Epoche nur als Kulisse missbraucht, keine Dokumentation mit uferlosen Quellenangaben und auch kein Erlebnisbericht aus der Sicht eines Protagonisten. Nein, Kirsten Boie schrieb eine Novelle, in der sie sich als allwissende Erzählerin alle Perspektiven aneignet, Zugänge zu den Gedanken aller Charaktere hat und auf allen Zeitebenen weiß, was passiert war, gerade geschieht und noch passieren wird. Dabei dient ihr eine wahre Begebenheit als Kern einer Erzählung, die sie mit Protagonisten anreichert, die erfunden sind und somit den Zugang zu den Geschehnissen erleichtern. Es ist diese distanzierte Nähe, die aus Zeitgeschichte einen Jugendroman werden lässt, der sich zur Pflichtlektüre für Schüler und Schülerinnen eignet, die im Alter von 15 Jahren sehr gut nachempfinden können, warum diese Geschichte relevant für ihre Gegenwart und Zukunft ist.

Es ist eine Geschichte von Schuld, Verantwortung, Opportunismus (also eine der wissentlichen Mitläufer) und Versagen. Es ist eine Geschichte, die sich in einer Zeit abspielt, in der die Machtstrukturen instabil und die Variablen des Handelns vielfältigst waren. Der Zweite Weltkrieg steht kurz vor seinem Ende. Die Nationalsozialisten sind an den meisten Fronten geschlagen und die Alliierten stoßen gegen Berlin vor. Auch in Bayern warten nun die ehemaligen Anhänger auf ihre Niederlage, ihre Gegner auf ihre Befreiung durch die Amerikaner. Ein größeres Ungleichgewicht der Kräfte ist nur kaum vorstellbar. Niemand weiß, was der morgige Tag bringt. Während man sich in Penzberg mit weißen Fahnen auf eine friedliche Übergabe der Stadt vorbereitet, sind es nicht die amerikanischen Soldaten, die einmarschieren. Es ist die Wehrmacht auf ihrem Weg in die Heimat. Allen Gerüchten und allen falschen Meldungen des Radios zum Trotz wird dieser 27. April 1945 nicht zum Tag der Befreiung in Penzberg. Ganz und gar nicht.

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Hier holt Kirsten Boie nicht weit aus, sie agiert und schreibt präzise an der Timeline der wahren Ereignisse entlang und lässt uns fortan nicht mehr zum Luftholen kommen. Drei Jugendliche stellt sie in den Mittelpunkt ihrer Novelle. Drei Charaktere, die für alle stehen, die damals in Penzberg und an anderen Orten gelebt haben könnten . Es sind Marie, Schorsch und Gustl, aus deren Sicht wir die wichtigen Details erleben. Wobei der Schorsch eher hoffnungsvoll in Marie verliebt ist, während der Gustl das nicht von sich behaupten kann. In diesem Strudel der Gefühle verliert man leicht den Überblick, im Strudel der Geschichte verliert man sich nunmehr plötzlich ganz. Was eben noch in den baldigen Frieden zu münden schien, entpuppt sich nun als das letzte Aufflammen der Macht der Nazis in Penzberg. Nichts spricht mehr von der Übergabe der Stadt an die Eroberer. Jetzt hallen Parolen vom „Halten bis zum letzten Mann“ durch die leeren Straßen. Jetzt soll Geschichte geschrieben werden. Jetzt ist die Endzeit da. Es kommt zur DUNKELNACHT. Und Gustl ist mittendrin im letzten Aufgebot der Nazis. Werwölfe.

Kirsten Boie wertet und bewertet nicht. Sie erzählt und überlässt die Deutungshoheit ihren atemlosen Lesern und Leserinnen. Sie lässt allerdings keinen Zweifel an Wahrheit und Lüge, an Propaganda, Hass und Manipulation. Sie zwingt uns alle sehenden Auges in eine Mordnacht in Penzberg, die kaum vorstellbar ist. Endphasenverbrechen nennt man heute halbjuristisch, was damals nicht nur in Penzberg geschah. In den Wirren der letzten Kriegstage kam es vielerorts zu den wahnwitzigsten Taten der Nazis. Hier führt die Autorin alle psychologischen Parameter ins Feld, die zu den Ausschweifungen und letztlich zu den Morden führten. Angst, Rache, Eifersucht und Endzeitstimmung. Jedes Gefühl für sich schon tödlich genug. Die Kombination in der Dunkelnacht jedoch ist ein tödlicher Mix, dem man nicht entfliehen konnte. Der Ruf des Werwolfs erschallt…

„Hass ist unser Gebet, und Rache ist unser Feldgeschrei.“

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Dunkelnacht von Kirsten Boie

Angesichts der heutigen gesellschaftlichen Entwicklungen, angesichts der Parolen gegen Andersdenkende und der zunehmenden rechten Gewalt in unserer Gesellschaft, sind es gerade diese Geschichten, die in Erinnerung gerufen werden müssen. Es sind jene Ereignisse, die zeigen, wie leicht es Mitläufern gemacht wird, wenn sie das Gefühl haben, nur Befehlen zu folgen. Es sind genau jene wahren Geschichten, die uns heute noch zeigen, wie hilflos man sich in unsicheren Zeit fühlen konnte. Und doch war und ist es möglich, die richtigen Entscheidungen zu treffen, nicht auf der falschen Seite zu stehen, Mensch zu bleiben und nicht willenlos zum Täter oder Mittäter zu werden. Hier geht Kirsten Boie jeden erforderlichen Schritt, den man gehen muss, um uns heute zu erklären, was damals geschah, wie es geschehen konnte und wie nah wir erneut einer Gefahr ausgesetzt sind, rechten Populisten Glauben zu schenken.

Dunkelnacht sprengt den Rahmen eines Jugendbuches. Dunkelnacht fordert viel von seinen Lesern und Leserinnen. Wer verstehen will, muss wissen, wer wissen will muss lesen. Wer liest, wird sich erschrecken, angewidert den Kopf abwenden und sich fragen, wie das nur geschehen konnte. Kirsten Boie hat viele Antworten in diesem Text verborgen. Manche augenscheinlich, andere wieder gut versteckt. Es ist gerade an der Jugend von heute, diese Antworten zu finden, und eigene Antworten für die Zukunft zu entwerfen. Und dann heißt es, dafür einzustehen. Die Mordnacht von Penzberg kostete 16 Menschenleben. Die Spur der Hinrichtungen zog sich durch die ganze Stadt. Dabei gingen den Nazi-Schergen die Bäume für die Erhängung der willkürlich ausgesuchten Opfer aus. Nichts lässt Kirsten Boie im Verborgenen. Klartext ist Synonym für dieses Buch. Die deutsche Geschichte ist nichts für Zartbesaitetes. Das wird in diesem Buch mehr als klar. Dieses Sonnenklare besiegt die möglichen Dunkelnächte.

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Dunkelnacht von Kirsten Boie

Kirsten Boie und Gudrun Pausewang gehen in ihren Geschichten Hand in Hand. „Der einhändige Briefträgervon Gudrun Pausewang beschreibt ebenfalls eines der tragischsten Kapitel in den letzten Kriegstagen. Ich habe dieses Jugendbuch aus gleich mehreren Gründen sehr oft verschenkt. Es ist die Geschichte, die aufrüttelt, es sind die unkalkulierbaren Zeiten, die uns nicht ruhen lassen und es ist die Tatsache, dass diese wundervolle Autorin ihre junge Leserschaft so ernst genommen hat, um ihr eine solche dramatische Geschichte anzuvertrauen. Dieses kraftvolle Vertrauen spüre ich auch bei Kirsten Boie und die Reaktion ihrer Leser und Leserinnen spricht Bände. Ich weise an dieser Stelle auf den „Buchpalast in München Haidhausen hin. Katrin Rüger war in unserer Buchhändlerinnen-Glockenbachwelle zu Gast in einem Gespräch über Buch und die Welt. Hier stellte sie „Dunkelnacht“ als Empfehlung für den Gabentisch vor.

Und nicht nur das. Die Bücherfresser (der Jugendleseclub der Buchhandlung trifft sich wöchentlich als Jugendjury des Deutschen Jugendliteraturpreises) haben nicht nur „Dunkelnacht“ für sich entdeckt, sie haben es rezensiert und Kirsten Boie in einem bewegenden Interview zu dieser Geschichte befragt. Hier findet ihr dieses Gespräch. Und erneut muss ich sagen: Nicht nur das. Derzeit befinden sich ungefähr 50 signierte Exemplare des Buches im Buchpalast. Frei nach dem Motto, wer zuerst kommt, liest zuerst. Ach ja. Sagte ich eigentlich schon: Und nicht nur das? Ich sage es jetzt zur Sicherheit ein letztes Mal: Eines der von Kirsten Boie signierten Exemplare gehört zu unserem Preisausschreiben der Buchhändlerinnenwelle… Wie Ihr das vom Buchpalast gestiftete Buch gewinnen könnt, erfahrt ihr hier

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Dunkelnacht von Kirsten Boie

Der neue Roman von Kirsten Boie ist da…

Was in den letzten Kriegstagen in Memmingen geschah, gehört zu den sogenannten Endphasenverbrechen. In einer Phase der Auflösung war alles denkbar und erlaubt. In wenigen Wochen jedoch wäre der Krieg Geschichte. Dann, ja dann wäre doch alles im Lot. Das war die Hoffnung und so sieht heute unser Denken aus. Am Ende des Krieges steht der Frieden. In welchen menschlichen Verwerfungen sich dieser Nichtmehrkrieg allerdings abspielt, wird selten erzählt. „Heul doch nicht, du lebst ja noch“ bildet hier eine literarische Ausnahme. Kirsten Boie hat keinen Trümmerfrauenroman für Kinder und Jugendliche geschrieben. Sie hat sich nicht ins mehrfach ausgebombte Hamburg hineinversetzt, um den Aufbruch in eine neue Zeit zu erzählen. Nein, Kisten Boie lässt uns eine Trümmerwoche unmittelbar nach der deutschen Kapitulation erleben. Es sind die Tage vom 22. Juni bis zum 29. Juni 1945, die wir an ihrer Seite erleben. Tage, die wir in der Realität niemals erleben wollten. Glaubt mir. Hier geht´s zur Rezension.

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