„Der Turm der blauen Pferde“ von Bernhard Jaumann

Der Turm der blauen Pferde von Bernhard Jaumann - AstroLibrium

Der Turm der blauen Pferde von Bernhard Jaumann

Ich denke, ich muss wirklich niemandem erklären, zu welchem Kunstwerk ich eine tiefe emotionale Bindung aufgebaut habe. Kenner der kleinen literarischen Sternwarte wissen, welche Kunstgalerie in München ich als Kraftraum meines Geistes bezeichne und ein paar wertvolle Menschen durften mich schon zu einem Gemälde begleiten, das für mich viel mehr ist, als nur ein Bild. Ich habe Biografien des Schöpfers dieses Werks gelesen, wurde von lieben Menschen mit Büchern beschenkt, die mir den Hintergrund seines Schaffens näherbrachten und nicht zuletzt meine Tochter begleitete mich in die Städtische Galerie im Lenbachhaus, durchquerte mit mir das lichtdurchflutete Foyer und stattete einem besonderen Pferd einen emotionalen Besuch ab. Das Blaue Pferd von Franz Marc war und ist für mich der magische Anziehungspunkt meines Lebens.

Ich schrieb sehr viel über diesen Fluchtpunkt, seine Bedeutung und die Bücher, die mir im Lauf der Zeit über den Lebensweg gelaufen sind. Von Else Lasker-Schüler bis hin zu Florian Illies, von einem Skizzenbuch aus dem Felde bis zu einem Maler, der in den Krieg zog. Facettenreich verliefen meine Annäherungen an dieses Gemälde im Zusammenhang mit seiner Entstehungsgeschichte und vor dem Hintergrund der tiefen Bedeutung des Blauen Pferdes für mich selbst. Man darf hier gerne von einer sakralen Beziehung zu einem Kunstwerk sprechen. Mein Pferd. Nur für mich gemalt. Das ist ein Gefühl, dem ich mich oft hingebe, wenn ich in stiller Ehrfurcht vor ihm verharre. Nur im Lesen bin ich vorsichtiger, nähere mich selten in Romanen und bevorzuge schon eher stilsichere Sachbücher. Ich brauche keine Fantasie, wenn es um Franz Marc geht. Ich laufe über, wenn ich mich in sein Schaffen fallen lasse.

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Der Turm der blauen Pferde von Bernhard Jaumann

Und doch wurde ich mehr als hellhörig, als ich auf den den Roman „Der Turm der blauen Pferde“ von Bernhard Jaumann aufmerksam gemacht wurde. Es ist wie ein Tunnelblick auf das gute Lesen, wenn sich mein Gesichtsfeld verengt, und ich schon im Klappentext und der Inhaltsbeschreibung nach Spuren einer intelligenten Verarbeitung kunstgeschichtlicher Fakten und gut durchdachten fiktionalen Settings suche. Ich muss gestehen, dass ich gerade in diesem Sujet extrem anspruchsvoll bin. Ich fühle vielleicht zu intensiv, ich weiß vielleicht zu viel und ich erwarte mehr, als es mit zusteht. Und hier kommt nur ein Kunstkrimi ins Spiel. Der erste Fall und der Auftakt einer ganzen Reihe. Geschrieben von einem Schriftsteller, der sich bereits einen guten Namen gemacht hat. Bernhard Jaumann, Friedrich-Glauser- und Deutscher Krimipreisträger. Klingt gut. Zu gut? Ich musste es herausfinden.

Der Turm der blauen Pferde. Welches Bild von Franz Marc wäre geeigneter für eine kriminalistisch fundierte Story, als dieses? Keins. Die Ausgangssituation dieses Buches ist durch die Geschichte des Bildes vorgegeben. Zwei Jahre nach dem Blauen Pferd in Sindelsdorf von Franz Marc im Jahr 1913 gemalt. Nach seinem Tod vor Verdun im Jahr 1916 im Besitz seiner Witwe Maria. 1919 an die Nationalgalerie Berlin verkauft und dort ausgestellt. Klingt eigentlich nach dem normalen Weg eines Gemäldes. Bis hierhin. Bis es 1937 von den Nationalsozialisten als „entartet“ deklariert wurde. Blaue Reiter waren der braunen Kunst zu expressionistisch. Der Turm der blauen Pferde wurde danach in der Ausstellung „Entartete Kunst“ als abschreckendes Beispiel ausgestellt. Jedoch nur kurz. Auf Intervention seiner Kameraden aus dem Ersten Weltkrieg wurde das Bild aus der Ausstellung entfernt. Diese Verunglimpfung sollte ihm erspart bleiben.

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Der Turm der blauen Pferde von Bernhard Jaumann

Was dann mit dem großformatigen Bild geschah? Man riss es sich unter den Nagel. Wer? Na, immerhin der zweite Mann im Staat. Hermann Göring, der offensichtlich sehr gut wusste, welche Gemälde (ob entartet oder nicht) sich später einmal bestens an den Mann bringen ließen. Der Rest der Geschichte ist bekannt. 1945 verendete die braune Ideologie und mit ihr ging verloren, was ihre Gralshüter angehäuft hatten. Der Turm der blauen Pferde ist seit 1945 spurlos verschwunden. An Legenden und Spekulationen ist nicht gespart worden. Aufgetaucht ist das Gemälde bis heute nicht. Das sind die Fakten und daran ist nicht zu rütteln. Bernhard Jaumann rüttelt nicht. Er holt seine Leser an der Stelle ab, an der das Bild verschwand. Hier beginnt seine fiktionale Geschichte, die auf solideren Füßen nicht stehen könnte. 

Zeitsprünge aus den letzten Kriegstagen im Chaos eines untergehenden Reiches bis in unsere Zeit kennzeichnen die Struktur seines Kriminalromans. Dabei erfindet er eine plausible Schar an Protagonisten, die aus der Zeit in unser Lesen gefallen sind. Er spinnt einen unsichtbaren Faden weiter, erzählt eine Familiengeschichte, die sich wohl so zugetragen haben könnte, wenn… Ja, wenn der Turm der blauen Pferde doch nicht ganz von der Bildfläche verschwunden wäre. Jetzt ist es wieder da. 2018. Farbenfroh und unversehrt. Als wäre es niemals fort gewesen, gelangt es jetzt in den Besitz eines Kunsthändlers, der es für vergleichsweise spottbillige drei Millionen Euro erstanden hat. Eine absolute Legende kehrt zurück. Ein Beben in der Kunstszene ist vorprogrammiert. Es ist die Sensation auf dem Kunstmarkt. Wenn es echt ist. Und genau hier kommt die Kunstdetektei von Schleewitz ins Spiel.

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Der Turm der blauen Pferde von Bernhard Jaumann

Und was für ein Spiel. Mit Rupert von Schleewitz, Klara Ivanovic und Max Müller lässt Bernhard Jaumann ein grandios eingespieltes und pfiffiges Team auf die Kunstszene in München los. Ihr Job? Keinesfalls die Echtheit des Kunstwerks beweisen. Dafür gibt es ja Institute und renommierte Kunsthistoriker. Nein. Es geht vielmehr um die Provenienz des Bildes. Die Herkunftsgeschichte, die bis zum Jahr 1945 lückenlos nachweisbar ist. Die Detektei wird vom neuen Besitzer des Gemäldes auf die Erforschung des Verbleibs der blauen Pferde nach 1945 angesetzt. Und wenn dieser lückenlos geklärt werden und bis zum jetzt aufgetauchten Bild zurückverfolgt werden kann, dann ist es zweifelsohne das Original. Mit Rupert, Klara und Max tauchen wir in eine unglaublich spannende und frisch erzählte Geschichte ein, die nicht nur Kunstfreunde begeistern wird. Hier ist nicht Kunsttheorie der Schwerpunkt der Betrachtung, hier geht es um die Menschen, die den Pferden seit 1945 begegnet sein können. Es geht um die Motive, das Bild zu verbergen und natürlich um den wahren Grund, der jetzt zum Verkauf führte.

Weder antiquiert, wissenschaftlich oder theoretisch gehen die Detektive vor. Sie haben ihre eigenen Methoden, der Wahrheit auf die Spur zu kommen. Egal wie schwer der Nachweis der Provenienz ist, sie finden Mittel und Wege, den Kreis der verdächtig erscheinenden Folgebesitzer des Gemäldes immer mehr einzugrenzen. Lokalkolorit im besten Sinne zeichnet ein ganz eigenes Bild der Menschen in dem Landstrich, in dem sich die Spur des Gemäldes verlor. Das Berchtesgadener Land färbt auf den Turm der blauen Pferde ab. Hier entwickelt sich ein grandioses Puzzlespiel, in dem die Teilchen langsam zueinander finden, jedoch nie ganz richtig ineinanderpassen. Erfrischend und spannend erzählt, durchdacht und intelligent konstruiert und voller Liebe zum Detail zu Papier gebracht. Kunstgeschichte kann nicht nur spannend sein. Sie ist es. Beutekunst ist ein relevantes Thema und derart modern und expressionistisch verpackt, findet man neben dem perfekten Zugang zum Buch auch einen Zugang zur Kunst von Franz Marc.

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Das wesentliche Verdienst von Bernhard Jaumann liegt jedoch für mich in einem anderen Aspekt seines Romans. Er holt mich als beseelten Marc-Jünger ab und lässt mich zum Teil eines Bildes werden, das ich bisher nur auf Postkarten betrachten durfte. Die Liebe zur Kunst schwingt in jeder Sequenz dieser Geschichte durch und hinterlässt tiefe Spuren beim Leser. Hier geht es nicht nur um Werte, Summen oder Beute. Hier ist die Kunst, ihre Wirkung und jene Faszination, die sie auslöst, der wahre Kern eines in sich geschlossenen Romans. Jaumann schreibt mir aus der Seele, dass es möglich ist, dass ein Bild von seinem Betrachter Besitz ergreift. Er lässt Raum für Leidenschaft und Liebe zu einem Gemälde. Er formuliert meine Sehnsüchte, die besagen:

„… dass jedes Bild, das etwas wert war, nur für einen einzigen Menschen gemalt worden sein könnte. Was für alle taugt, taugte für niemanden.“

Hier finde ich mich wieder. Jeden Schaffensprozess, jedes Betrachten und Staunen hat Bernhard Jaumann zu einem höchst individuellen Erleben erhoben. Liebhaber von Stilrichtungen und Kunstformen unterschiedlichster Art hebt er über eine Interpretation der einzelnen Bilder heraus. Er macht Kunst ohne schlechtes Gewissen genießbar und verleitet dazu, nicht nur Ausstellungen zu besuchen, sondern selbst zu malen. Darüber hinaus gibt er uns einen Ratschlag mit auf den Weg, wenn wir wirklich von Angesicht zu Angesicht einem Meisterwerk gegenüberstehen:

„… Ein Bild merkt, wenn es wirklich betrachtet wird. Nur dann zeigt es, was es zu zeigen hat. Nur dann beginnt es zu sprechen.“

Das wird nicht mein letzter Fall der Kunstdetektei von Schleewitz bleiben. Sicher nicht. Bitte mehr davon.

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Weitere Artikel zu Franz Marc, dem Blauen Pferd, dem magischen Jahr 1913 und dem Kraftraum meines Geistes finden Sie hier:

1914 – Ein Maler zieht in den Krieg [Der Blaue Reiter vor Verdun]
Das Blaue Pferd von Franz Marc – Ein Besuch
Klee & Kandinsky – Nachbarn, Freunde, Konkurrenten
Else Lasker-Schüler und Franz Marc – Eine Brieffreundschaft
Franz Marc – Skizzenbuch aus dem Felde“ – Eine Suche
Else Lasker-Schüler – In Memoriam
1913 – Der Sommer des Jahrhunderts„ von Florian Illies
1913 – Der Sommer des Jahrhunderts“ geht weiter
1913 – Was ich unbedingt noch erzählen wollte“ – Florian Illies
Deutschland – Erinnerungen einer Nation“ [Neil MacGregor]

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„Franz Marc – Skizzenbuch aus dem Felde“ – Eine Suche

Franz Marc – Skizzenbuch aus dem Felde

Ich liebe Bücher, die sich den existenziellen Lebensfragen in aller Tiefe widmen. Ich folge gerne autobiografisch angehauchten Lebenslinien, die darüber hinaus Fragen beantworten, die mich auch über das eigentliche Lesen hinaus beschäftigen. Fragen, in denen ich Muster erkenne, die andere Bücher aufrufen, mit dem gerade Erlesenen eine literarische Einheit einzugehen und gemeinsam nach Antworten zu suchen. Was macht ein Krieg aus den Menschen? Wie verändern sich Bedürfnisse, Begabungen? Wie geht man mit diesen Extremsituationen um und was bleibt am Ende des Weltenbrandes von demjenigen übrig, der in ihn verwickelt wurde? Wenn die Balance verlorengeht und der pure Überlebenswille regiert, dann verlieren andere Lebensbereiche an Bedeutung…

Die Bedürfnispyramide wird neu geordnet. Eines der ersten Opfer ist die Kultur. Wer täglich um sein Leben kämpft, braucht keine Bilder oder Romane, kein kreatives Feuer und keine Fantasie. Was macht dies nur mit einem Künstler? Vernichtet es ihn oder ist es eher so, dass genau diese Extremsituationen benötigt werden, um am Ende wie ein Phoenix aus der Asche ins Licht der Erkenntnis fliegen zu können. Was wäre ein Ernst Jünger ohne seine Erlebnisse im Ersten Weltkrieg? Gäbe es Remarque ohne Schlacht und hätte Hemingway den Nobelpreis gewonnen, ohne sich ganz bewusst als Reporter in den Krieg zu stürzen? Was trieb den Maler Franz Marc an, sein Blaues Pferd hinter sich zu lassen, um vor Verdun von einem braunen Ross geschossen zu werden? Was wäre die Literatur oder die bildende Kunst ohne die Grenzerfahrung Krieg?

Franz Marc – Skizzenbuch aus dem Felde

Aus literarischer Sicht erkennen wir die Einflüsse dieser Extreme auf Autoren in den autobiographisch angehauchten Romanen, die „post bellum“ (nach dem Krieg) entstehen. Traumatisierungen werden deutlich, ein anderer Blick auf die Welt und eine neue Lust am Leben sind diesen Werken gemein. Hier ist es die bewusste Flucht in die anarchische Daseinsebene, die zu einer neuen Wahrnehmung führt. Das haben Kriege mit Drogen gemeinsam. Künstler berauschen sich. Kein Klischee, wenn man sich sehr aufmerksam in einer Kulturwelt umschaut, die bewusstseinserweiternd wirken möchte. Oft kann diese Erweiterung erst herbeigeführt werden, indem sich Maler, Sänger oder Schriftsteller selbst auf die Meta-Ebene der Wahrnehmung katapultieren. Beispiele für diese Theorie finden wir in allen Bereichen des künstlerischen Schaffens.

Dieses Thema treibt mich seit Jahren um. Es beschäftigt mich, weil es sich mir aus heutiger Sicht nicht erschließt, wie man sich freiwillig in ein martialisches Szenario, wie einen Weltkrieg begeben kann, um Inspiration aus Blut zu gewinnen. Ich verstehe nicht warum man alles hinter sich lassen kann und sogar das eigene Leben riskiert, um eine neue Sicht auf die Welt zu bekommen. Am Beispiel des Malers Franz Marc versuchte ich mich schon oft damit auseinanderzusetzen, was sich ein Künstler davon versprach, frontal im Fronterlebnis neue Fronten des Schaffens auszuloten. Ich nähere mich dem Thema niemals aus theoretischer, wissenschaftlicher (wie auch?) oder soziokultureller Sicht. Ich versuche es emotional, weil meine Bindung an die Werke von Franz Marc in jeder Beziehung eine rein gefühlsmäßige ist.

Franz Marc – Skizzenbuch aus dem Felde

Was trieb den Schöpfer des „Blauen Pferdes“ freiwillig in den Ersten Weltkrieg? Warum schreckten ihn die Fronterlebnisse nicht ab? Warum trennte er sich von seinen expressionistischen Meisterwerken, um neue Impressionen zu finden? Was trieb ihn an, sein Blaues Pferd hinter sich zu lassen, um in der Nähe von Verdun von einem brauen Pferd geschossen zu werden? Und letztlich ist es die Frage, ob er die Sehnsucht nach seinem Meisterwerk im Gepäck hatte, als er Zeuge des großen Schlachtens wurde? Es gab wenige Antworten auf meine Fragen. Selbst im emotionalen Zwiegespräch mit dem Blauen Pferd im Lenbachhaus blieb alles um mich herum stumm. Nur eines steht für mich fest. Es wartet dort seit mehr als 100 Jahren auf die Rückkehr seines Schöpfers.

Viele Künstler verloren angesichts des Krieges schnell alle Illusionen und wurden zu erbitterten Pazifisten. Keine Spur mehr vom Pathos der eigenen Freiwilligkeit, keine Spur mehr von der Bewusstseinserweiterung. Nach dem Krieg kamen sie allesamt auf den Boden der Tatsachen zurück. Bei Franz Marc war dies anders. Für ihn büßten die Schlachten nichts von ihrer magischen Anziehungskraft ein. Distanziert und entrückt ist die Position zu sehen, in der er sich sah. Wie ein Betrachter eines Schlachtengemäldes blickt er fasziniert auf die Details des Sterbens. Anders kann man die Feldpostbriefe an seine Frau nicht lesen. Die morbide Faszination klingt verstörend…

Franz Marc – Skizzenbuch aus dem Felde

„Der Leichengeruch auf viele Kilometer im Umkreis ist das Entsetzlichste.
Ich kann ihn weniger vertragen als tote Menschen und Pferde (zu) sehen.
Diese Artilleriekämpfe haben etwas unsagbar Imposantes und Mystisches.
Ich bin körperlich sehr wohl, der Rotwein hält meinen Magen zusammen. Rheumatismus kenne ich nicht mehr.“

Wie Franz Marc „post bellum“ gemalt hätte? Eine nicht zu beantwortende Frage. Er starb am 4. März 1916 während eines Erkundungsritts nahe Verdun. Ein Granatsplitter traf am Kopf. Franz Marc verblutete. Bis zum heutigen Tag wusste ich nicht, dass auch an diesem Tag ein Skizzenbuch in seinen Satteltaschen steckte. Viel habe ich über ihn gelesen, stand vor vielen seiner Bilder. Stellte mir viele Fragen, doch als ich vor einigen Tagen das „Skizzenbuch aus dem Felde“ in einer Buchhandlung entdeckte, wollte ich kaum glauben, welcher Schatz sich da plötzlich in meinen Händen befand. Es war klar, wonach ich suchte. Nur eine Frage stand für mich im Vordergrund. Hatte Franz Marc in diesen Kriegsjahren die Sehnsucht nach seinem Blauen Pferd im Herzen? War es bei ihm, als er fiel? Eine Frage, die mir endlich beantwortet wurde.

Franz Marc – Skizzenbuch aus dem Felde

Das „Skizzenbuch aus dem Felde“ ist ein schmales und zugleich sehr wertvolles Bändchen aus dem Sieveking Verlag. Es beinhaltet 36 Bleistiftzeichnungen, die er in den Monaten März bis Juni 1915 geschaffen hatte. Es ist ein künstlerisches Testament, das jetzt in meinen Händen liegt. Ein magisches und beklemmendes Gefühl, in ihm zu blättern. Fast so wie ein geheimes und nicht für meine Augen bestimmtes Tagebuch zu lesen. Die kleinen Skizzen sind keine Skizzen. Es sind vollständig gestaltete Gemälde, denen nur die Farbe fehlt. Es sind so typische Marc-Impressionen, wie wir sie weltweit bewundern dürfen. Ich sehe viel in diesen Skizzen. Unruhe, Rastlosigkeit und fliehende Tiere, die vor dem Krieg noch in sich ruhten. Ich sehe einen wachsamen Fuchs, nicht mehr ruhend. Springende Rehe, aufgeschreckte Hirsche. Verstört dreinblickende Tiere und eine abstrakte Formenvielfalt, die manchmal an Kandinsky erinnert. Und dann…

Dann kann ich nicht mehr… Bei all den Unterschieden zu früher, in all der ruhelosen Spannung, nach all den Formen und Strukturen der Unruhe sitze ich plötzlich vor einer Skizze, die mich in allem Hoffen bestätigt. Es ist so, als würde mir Franz Marc zurufen „Siehst Du… es war immer bei mir.“ Es sind drei Pferde. Ausschau haltend, wachend und weidend. Zum Sprung und zur Flucht bereit. Unverkennbar edle Geschöpfe, deren Sinne bis auf Äußerste geschärft sind. Und über diesen drei Pferden thront majestätisch das Ebenbild des Blauen Pferdes, das mir so viel bedeutet. Beruhigend, in sich ruhend und erhaben. Unverwundbar. Fragment schrieb Franz Marc über diese Zeichnung. Ein Bruchstück. Ein unvollendetes Kunstwerk. Ein Überbleibsel. Und was für eins. Danke.

Franz Marc – Skizzenbuch aus dem Felde – Begegnungen

Man möge mir den subjektiven Umgang mit diesem Sujet verzeihen. Er ist der rein emotionalen Bindung an das wichtigste Gemälde meines Lebens geschuldet. Ich kann nicht anders. Ich verweile oft im Lenbachhaus, betrachte mein Pferd, bin ihm dankbar für seine beruhigende Ausstrahlung, die mir in schweren Zeiten Kraft gegeben hat. Und nicht zuletzt habe ich durch dieses magische Wesen viele Menschen kennengelernt. Im Leben, wie in der Literatur. Ich schrieb viele Artikel, die ohne das Blaue Pferd niemals das Licht der Welt erblickt hätten. Ich habe es meiner Tochter vorgestellt und mir dabei vorgestellt, was ich ohne diesen Ruhepol getan hätte, als es ihr nicht gut ging. Ich habe Franz Marc viel zu verdanken und stehe in seiner Schuld. Das mag vieles erklären.

Jetzt werde ich das Blaue Pferd mit einem Skizzenbuch besuchen. Ich werde ihm davon erzählen und ihm zeigen, dass es niemals vergebens gewartet hat. Ich kann nun berichten, wie wichtig Franz Marc diese Skizzen waren. Das Nachwort zu diesem Buch von Michael Semff ermöglicht einen eher versachlichten Zugang zu den Zeichnungen. Wobei der Autor hier nicht für Kunsthistoriker oder Wissenschaftler schreibt. Nein auch er muss sich wohl den Vorwurf gefallen lassen, emotional berührt worden zu sein. Nein. Das ist keine Kritik. Das ist ein Prädikat, das diesem Nachwort Nachdruck verleiht. Ich würde mich freuen, euch auf meine Welt des Blauen Reiters, des Blauen Pferdes und das „Lenbachhaus als Kraftraum meines Geistes“ neugierig gemacht zu haben. Ich muss los. Ich bin verabredet. Mit einem Pferd. Unglaublich oder?

Franz Marc – Skizzenbuch aus dem Felde

Hier geht es mit Franz Marc weiter, weil Florian Illies mehr vom
Sommer des Jahrhunderts 1913“ erzählt.

Und Bernhard Jaumann mach den „Turm der blauen Pferde“ zum Kriminalfall für die Kunstdetektei von Schleewitz. Für Fans der blauen Pferde ein MUSS.

Franz Marc – Skizzenbuch aus dem Felde

Ein neues Kunstwerk vom Sieveking Verlag: Christo and Jeanne-Claude. Paris!

Christo and Jeanne Claude. Paris! - Astrolibrium

Christo and Jeanne Claude. Paris!

Else Lasker-Schüler und Franz Marc – Eine Brieffreundschaft

Else Lasker-Schüler und Franz Marc - Eine Freundschaft in Briefen

Else Lasker-Schüler und Franz Marc – Eine Freundschaft in Briefen

Dies ist die Geschichte einer ganz besonderen Beziehung, die alles war, nur keine Beziehung im klassischen Sinne. Es war keine Liaison, keine Liebesgeschichte und es war mit Sicherheit keine Verbindung, die auf Lust, Anziehungskraft oder Leidenschaft in sexueller Hinsicht beruhte. Es war viel mehr. Ich schreibe hier über zwei Menschen, die einander viel zu schreiben hatten. Zwei Künstler, die in ihrer Zeit gleichwohl verehrt, als auch verachtet wurden. Eine Schriftstellerin und einen Maler, deren Lebenswege durch eine außerordentliche gegenseitige Zuneigung miteinander verwoben waren. (Hören)

Eine Freundschaft in Briefen und Bildern – Diesen Artikel können Sie hören…

Else Lasker-Schüler und Franz Marc

Sie, die mäßig erfolgreiche aber sprachgewaltige deutsch-jüdische Autorin, deren avantgardistische und expressionistische Texte im frühen zwanzigsten Jahrhundert für den traditionellen Leser einen Quantensprung in der Literatur darstellten. Ihre Sprache polarisierte, Ihre Texte ließen sich nur schwer veröffentlichen und bei aller Leidenschaft für das geschriebene Wort war es ihr fast unmöglich, sich eigenständig über Wasser zu halten. Else Lasker-Schüler.

Else Lasker-Schüler und Franz Marc - Eine Freundschaft in Briefen

Else Lasker-Schüler und Franz Marc – Eine Freundschaft in Briefen

Er, der Maler, der versuchte die Grenzen des Gegenständlichen zu sprengen, sich von Zwängen der traditionellen Malerei zu lösen und sein Heil in der Flucht suchte und eine ganz eigene Blaue Welt erschuf, in der Formen und Farben dominierten, sich aber niemals gänzlich vom Dargestellten lösten. Auch er polarisierte, wurde von der Kritik in der Luft zerrissen und doch kämpfte er nicht jenen einsamen Kampf einer Else Lasker- Schüler. Er scharte Gleichgesinnte um sich und erhob seinen Kunststil zur Stilrichtung. Er war Mitbegründer des „Blauen Reiters“ und nichts steht so sehr für sein Schaffen, wie das Blaue Pferd das im Münchner Lenbachhaus zu bestaunen ist. Franz Marc.

Die Kunst vereinte die beiden kreativen Geister. Wie sollte es auch anders sein? Franz Marc wurde von Versöhnung, einem Gedicht Else Lasker-Schülers, inspiriert. Er illustrierte es als Holzschnitt und bat sie indirekt darum, es als Versuch anzusehen, ihre Worte zu verbildlichen. Ihre Antwort muss den guten Franz Marc tief ins Mark getroffen haben, denn Else schrieb nicht im Klartext, sondern in einer eigenen poetisch-lyrischen Anwandlung, die einen Briefwechsel in Gang setzte, der auch aus heutiger Sicht zu den wohl künstlerischsten Dialogen gezählt werden muss, die je zwischen einem Maler und einer Dichterin geführt wurden.

„Ich bin Jussuf, Prinz von Theben“… so stellte SIE sich IHM vor. „Sind sie auch so schmerzlich verloren wie ich?“

Else Lasker-Schüler und Franz Marc - Eine Freundschaft in Briefen

Else Lasker-Schüler und Franz Marc – Eine Freundschaft in Briefen

Heute würden wir das vielleicht Rollenspiel nennen. Heute wirkt dieser Dialog fremd und unwirklich, in der Zeit des künstlerischen Aufbruchs jedoch fanden zwei Suchende zueinander und in ihren jeweiligen Antworten die Entsprechung der eigenen Sehnsucht. Franz Marc antwortete auf seine Weise. Er schrieb Postkarten, die er für Else illustrierte und ihnen damit kunstgeschichtlich einen unschätzbaren Wert verlieh. Ein Selbstbildnis zeigt ihn in zärtlicher Umarmung mit seinem Blauen Pferd, das er Else nun voller Stolz präsentiert. Sie antwortete:

„Der blaue Reiter ist da – ein schöner Satz, fünf Worte – lauter Sterne…“

Von 1912 bis 1916 dauerte dieser magische Briefwechsel in Wort und Bild. Immer wenn Franz Marc lesen musste, dass der arme Prinz von Theben am Leben zweifelt, in Armut versinkt und darüber klagt, dass die Welt ihn nicht versteht, schickt er ein Bild als Trost, versehen mit aufmunternden Worten. Die Sammlung der Postkarten des Blauen Reiters zeigt einen Querschnitt durch all seine Schaffensphasen. Sie beinhaltet Werke, die es heute nicht mehr gibt. Der Turm der blauen Pferde gilt seit 1945 als verschollen und nur die wundervolle Miniatur auf der Karte an Else zeigt, wie das Gemälde gestrahlt haben muss, bevor es von Hermann Göring als entartetes Kunstwerk geraubt wurde…

Else Lasker-Schüler und Franz Marc - Eine Freundschaft in Briefen

Else Lasker-Schüler und Franz Marc – Eine Freundschaft in Briefen

Das Kunstbuch „Else Lasker Schüler – Franz Marc. Eine Freundschaft in Briefenaus dem Prestel Verlag ist ein wahrer Kunstschatz. Es beinhaltet alle Briefe, Postkarten und Hintergründe, die diesen außergewöhnlichen Künstlerdialog zu einem Ereignis für den Leser werden lassen. Chronologisch werden wir zu Zeugen des Aufschwungs und der Krisen, die immer weiter um sich greifen. Wir sitzen gefühlt mit Else Lasker-Schüler am Schreibtisch und bewundern die vielen Miniaturen des Blauen Reiters, schauen ihr beim Schreiben ihrer Briefe über die Schulter und erkennen von Wort zu Wort und von Bild zu Bild, wie wichtig dieser Austausch für beide ist. Melancholie strahlte selten so bunt.

Für Else Lasker-Schüler waren die Miniaturen lebensrettend. Sie konnte viele ihrer Texte nur veröffentlichen, weil sie die kleinen Bilder von Franz als Illustrationen beifügte und abdrucken ließ. Und für Franz waren ihre Briefe häufig die einzigen Lichtblicke, die ihn aus dem Tunnelblick des Künstlers befreiten und ihn mit diesem literarischen Spiel inspirierten. In jeder Hinsicht, eine kreative Win-Win-Situation. Das großformatige Buch wird dieser besonderen Beziehung in besonderem Maße gerecht. Es hat bei mir Lücken geschlossen, von denen ich schon nicht mehr dachte, dass sie jemals zu schließen sind und es hat Gefühle losgetreten, die nur angesichts der originalen Handschriften und der Vielzahl der Bilder zu einer Woge des Staunens ausufern konnten.

Else Lasker-Schüler und Franz Marc - Eine Freundschaft in Briefen

Else Lasker-Schüler und Franz Marc – Eine Freundschaft in Briefen

Ich sah mein Blaues Pferd erstmals als Fohlen, fühlte die verlorene Einsamkeit einer Schriftstellerin, die erkennt, dass sie vom Schreiben allein nicht leben kann. Ich erlebte die tiefe gegenseitige Wertschätzung und spürte die Aufrichtigkeit einer Freundschaft, die für fremde Augen wie eine wild-romantische Liebesbeziehung wirken musste. Und ganz zuletzt stürzte ich mit Else Lasker-Schüler in das tiefste Loch, in das man stürzen kann. Als Franz Marc am 4. März 1916 vor Verdun zu Tode kam, war sie es, die ihm mit ihrem Nachruf ein emotionales Denkmal setzte. Sie war es, die den Briefwechsel fiktiv fortsetzte und einen Briefroman entstehen ließ, der ihre Freundschaft überhöhte.

„Der Blaue Reiter ist gefallen, ein Großbiblischer, an dem der Duft Edens hing.
Über die Landschaft warf er einen blauen Schatten…
wo der Blaue Reiter ging, schenkte er Himmel.“

(Else Lasker-Schüler)

Das größte Geschenk dieses Buches ist für mich, dass auch der Briefroman unter dem Titel „Der Malik“ vollständig mitveröffentlicht ist. Hier finden wir am Ende tiefe Spuren eines gemeinsamen Schaffens, einer gemeinsamen Freundschaft und vielleicht auch Spuren von mehr. Das jedoch ist Privatsache und sollte es für immer bleiben. Ich bin jedoch fest davon überzeugt, dass diese Leidenschaft in Wort und Bild eine tiefere Basis haben musste. Man kann dies lesen, sehen und fühlen, wenn man das Herz am rechten Fleck hat. Ich betrachte „Eine Freundschaft in Briefen“ als mein wichtigstes Buch in der Annäherung an zwei Künstler, die bis heute unvergessen sind.

Ich muss dem blauen Pferd davon erzählen

Else Lasker-Schüler und Franz Marc - Eine Freundschaft in Briefen

Else Lasker-Schüler und Franz Marc – Eine Freundschaft in Briefen

Oh nein. Ich bin diesem Buch nicht selbst auf die Spur gekommen und es ist kaum noch zu finden in der großen Welt des Buchhandels. Es ist ein Geschenk, das mich fast sprachlos gemacht hat. Anja von Zwiebelchens Plauderecke hat meine Bibliothek zu Franz Marc um dieses zentrale Herzenswerk reicher gemacht und mich gleich mit dazu. Als Liebhaber der Kunst von Franz Marc kann man ohne dieses Buch leben, es macht nur keinen Sinn. Dieser Sinn wurde mir geschenkt. Ich werde das Buch beim nächsten Besuch im Lenbachhaus bei mir haben. Mein Kraftraum des Geistes wurde um eine Ebene erweitert. Einfach danke…

Und Bernhard Jaumann mach den „Turm der blauen Pferde“ zum Kriminalfall für die Kunstdetektei von Schleewitz. Für Fans der blauen Pferde ein MUSS.

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Das Lenbachhaus – Der Kraftraum meines Geistes

Das Lenbachhaus - Der Kraftraum meines Geistes

Das Lenbachhaus – Der Kraftraum meines Geistes

Eigentlich sollte man ja denken, dass der Zufluchtsort für einen Büchermenschen eine Bibliothek oder eine kleine verschwiegene Buchhandlung wäre. Vielleicht wäre dies bei mir sogar der Fall, würde ich nicht in der Nähe von München wohnen und hätte ich nicht zufällig 1913 – Der Sommer des Jahrhunderts von Florian Illies gelesen, und wäre ich nicht dort auf die Spur eines ganz besonderen Blauen Pferdes gestoßen.

Dann wäre sehr vieles in meinem Leben anders gelaufen, denn ich hätte mich mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit nicht auf die Suche nach einem Gemälde begeben. Ich hätte wohl niemals die Städtische Galerie im Lenbachhaus besucht und würde sie heute nicht als meinen „geistigen Kraftraum“ bezeichnen. Oft werde ich in den letzten Wochen danach gefragt, was diese Galerie für mich bedeutet und warum es ausgerechnet das Blaue Pferd von Franz Marc ist, das mich immer wieder magisch anzuziehen scheint.

Manche Fragen lassen sich gar nicht so leicht beantworten. Diese eigentlich schon, auch wenn ich in diesem Zusammenhang viel von meinem Innenleben preisgeben muss. Ich halte solche Reservate für unglaublich wichtig. Gerade in unserer heutigen Zeit. Sie helfen dabei, den geistigen „Reset-Knopf“ zu finden, entschleunigen, dienen der Erdung und machen den Kopf frei für die kreativen Ideen jenseits unseres Alltags. Vielleicht kann man mich etwas besser verstehen, wenn man sich in meine Bildwelt hineinversetzt. Vielleicht hilft es, mich dorthin zu begleiten. Mit meinem Tunnelblick das Licht am Ende desselben zu sehen.

Das Lenbachhaus - Der Kraftraum meines Geistes

Das Lenbachhaus – Der Kraftraum meines Geistes – Jetzt mit Jahreskarte

Die Eingangshalle des Lenbachhauses wartet mit einer Lichtinstallation auf, die in München ihresgleichen sucht. Als würden ein Regenbogen in immer kleiner werdenden Segmenten vom Himmel regnen, bleibt man auch beim wiederholten Besuch atemlos stehen, erhebt den Blick und fühlt sich, wie in einer Tropfsteinhöhle aus Spektralfarben. Ein Stalaktit aus leuchtenden Farben ragt in den Vorraum und verdrängt ihn zugleich. Beruhigend und erhaben wirkt diese Begrüßung auf den Besucher. Eine Erleuchtung, die für mich immer wieder einem Wunder gleicht.

Wenn man sich dann vor Augen hält, dass diese Galerie unter der Herrschaft der Braunen Horden für die eckig kantig heroische arische Kunst genutzt wurde, weil alles nicht zur Nazi-Ideologie Passende als Entartete Kunst verbannt wurde, dreht sich dem Besucher noch heute der Magen um. Und doch ist das Lenbachhaus mit all seinen dort ausgestellten Werken das beste lebendige Zeichen für den Sieg des „Entarteten“ über die menschenverachtende Ideologie des Dritten Reichs. Der Blaue Reiter hat hier seine Heimat, Joseph Beuys dominiert eigene Räume und neben allem Abstrakten und Impressionistischen kommen auch die alten Meister zur Geltung.

Diese Vielfalt entspricht einer modernen Gesellschaft. Sie bietet Raum, öffnet die Herzen und lässt uns vorurteilsfrei genießen, was wir heute Kunst nennen. Die Galerie bietet die Möglichkeit, sich in unterschiedliche Werke zu verlieben, das Gesamtkonzept zu bewundern und auch die Freiheit, über einige Kunstformen zu lächeln. Dies jedoch voller Respekt, denn für platte Häme ist in diesem Ambiente und in der heutigen Zeit kein Platz mehr. Und sie wird nie wieder dort Platz haben. Hier wohnt die wahre Kunst. Und wir sind im bunten Wohnzimmer dieser Galerie herzlich willkommen.

Das Lenbachhaus - Der Kraftraum meines Geistes

Das Lenbachhaus – Der Kraftraum meines Geistes – Licht und Text

In ihrem nie veröffentlichten Vorwort für ihren Almanach zum Blauen Reiter hatten Franz Marc und Wassily Kandinsky schon 1912 die richtigen Worte für diese Vielfalt unter einem Dach gefunden, die auch heute wieder als Leitmotiv über die Ausstellung zum Blauen Reiter im Lenbachhaus stehen:

„Das ganze Werk, Kunst genannt, kennt keine Grenzen und Völker, sondern die Menschheit.“

Nichts sollte ausgeklammert werden, alles sollte seinen Platz bekommen, niemand sollte um seinen ganz individuellen Kunstgeschmack betrogen werden und Vorschriften waren den beiden Künstlern fremd. Diesem Leitmotiv hat sich auch heute noch das Lenbachhaus verschrieben. Die künstlerische Wahrhaftigkeit steht im Mittelpunkt und die direkte Nachbarschaft von Kunstwerken unterschiedlichster Stilrichtungen ergeben eine wundervolle Symbiose, die für ihren Betrachter den Begriff Kunst greifbar werden lässt.

Hier hat die einstige Avantgarde des Blauen Reiters mit ihrer visionären Kraft Spuren hinterlassen, die abseits der Kunstwissenschaft jeder modernen Gesellschaft gut zu Gesicht stehen würden. Und letztlich musste nur ein 1000jähriges dunkles Kapitel der deutschen Geschichte überwunden werden, um diese Saat aufgehen zu lassen und zur vollen Blüte zu bringen. Hier können wir von der Kunst lernen. Ob Expressionismus, Pop-Art, Kubismus, Impressionismus, Hinterglasmalerei, Realismus oder Kinderkunst. In der Vielfalt liegt die Einzigartigkeit.

Das Lenbachhaus - Der Kraftraum meines Geistes

Das Lenbachhaus – Der Kraftraum meines Geistes

Und doch möge man mir bitte bei aller Vielfalt verzeihen, dass ich bereits mit dem Betreten der Galerie fokussiert bin. Es ist ein Gefühl, als würde ich einen sehr guten Freund besuchen, der in einer modernen Wohngemeinschaft lebt. Einen Freund, der nicht aus dem Haus kommt, weil er einfach zu viele Verpflichtungen hat, obwohl er doch eigentlich den ganzen Tag nur rumhängt. Nur, dass mein Freund in diesem Fall das wohl bekannteste Pferd der Kunstgeschichte ist. Zwei Treppenaufgänge, ein Wegweiser mit der Inschrift „Der Blaue Reiter“ und ein kurzer Weg, gesäumt von den Klees, Kandinskys und Mackes dieser Welt führt mich zu ihm. Darf ich vorstellen:

Das Blaue Pferd von Franz Marc

Das Lenbachhaus - Der Kraftraum meines Geistes

Das Lenbachhaus – Der Kraftraum meines Geistes

In seiner Farbgebung spiegelt sich die ganze Geschichte eines Malers aus dem blauen Land, im sanft geneigten Kopf die Zuneigung, der er Gestalt verlieh und in der majestätischen Haltung der Respekt, mit dem es heute auf Besucher wartet. Und doch scheint dieses Pferd seit 1916 auf Franz Marc zu warten. Als verstünde es nicht, dass derjenige, der es erschuf, vom Sattel seines braunen Pferdes geschossen wurde, als er als grauer Reiter vor Verdun sein Leben ließ.

Sehr andächtig bin ich in seiner Gegenwart. Erinnere mich an Tage, an denen ich ihm hilflos gegenüber stand. Tage, an denen ich nur vergessen wollte, was ich zuvor in der Klinik am Bett meiner Tochter erlebte. Und ich denke an jenen Tag, an dem es sich zu bewegen schien. Den Tag, als Lena zurück ins Leben fand. Ich denke an einen Tag, an dem ich das Pferd mit anderen Augen sah, als ich fühlte, dort nicht alleine zu sein. Jenen Tag, als ich ihm erstmals begegnete. Nachdem ich alles gelesen hatte.

Das Lenbachhaus - Der Kraftraum meines Geistes

Das Lenbachhaus – Der Kraftraum meines Geistes

Ich denke an das München jener Zeit. An Else Lasker-Schüler, die ganz besondere Lebenszeichen von Franz Marc erhielt. Blaue Pferde, gemalt auf Postkarten. Pferde, die ihr zeigen sollten, was er malt. Mehr als bloße Skizzen, und viel später, als der Turm der blauen Pferde verbrannt war, konnte nur noch diese eine Karte bezeugen, wie sehr das Bild gestrahlt hat. Ich denke an ihre tiefen Worte, ihren Nachruf auf Franz Marc, als sie von seinem Tod erfuhr:

„Der Blaue Reiter ist gefallen, ein Großbiblischer, an dem der Duft Edens hing. Über die Landschaft warf er einen blauen Schatten… wo der Blaue Reiter ging, schenkte er Himmel.“

Ich denke an all jene, die mit Franz Marc im Ersten Weltkrieg fielen, wie August Macke. Denke an jene, die Zeugen der Entartung ihrer Kunst wurden und nicht erleben durften, dass ihre Vision letztlich siegte, wie Paul Klee und Wassily Kandinsky. Und ich denke daran, wie lange ich nun schon mit all den tiefen Gefühlen in genau diesem Raum, diesem Bild gegenüber stehe und das Gefühl habe, das blaue Pferd habe mehr als einhundert Jahre nur auf mich gewartet.

Und nun werde ich beginnen, Biographien über Franz Marc zu lesen, um mich auf weiteren Ebenen zu nähern. Reichhaltig ist das literarische Angebot, mit dem ich bei diesem Vorhaben unterstützt werde. Ich schreibe darüber und die Bücher werden mich hierhin begleiten. Ich weiß ja, wen ich fragen kann, wenn ich etwas nicht verstehe.

Das Lenbachhaus - Der Kraftraum meines Geistes

Das Lenbachhaus – Der Kraftraum meines Geistes – Ein tiefer Moment

Das ist mein Kraftraum des Geistes. Hier bin ich fernab des Alltags völlig frei. Hier fühle ich tief in mich hinein und halte Zwiesprache mit einem Bild. Es ist magisch. Nicht viele Menschen haben mich dort erlebt. Einige ahnen nur, was dort passiert. Und doch gibt es Bilder von mir, die Julia ganz heimlich machte. Gut, dass meine Augen nicht zu sehen sind. Ich habe auch diesmal erneut von vielen Menschen gegrüßt. Ich habe über meine Gefühle geschrieben. Das Blaue Pferd hat mir dabei über die Schulter geschaut und ich soll schön grüßen. Vielleicht begleitet ihr mich mal, wenn ihr in München seid. Bis es soweit ist, könnt ihr in die folgende Dia-Show genießen. Und dann sehen wir uns.

Herzlich willkommen zur Bildergalerie und zur Bücherkette zum Lenbachhaus

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Die Bücherkette zu Franz Marc und dem Blauen Reiter auf AstroLibrium.
Die Biographien folgen noch… Der Leseweg im Kraftraum geht weiter.

Das Lenbachhaus - Der Kraftraum meines Geistes

Bücherkette zu Franz Marc und dem Blauen Reiter

Klee & Kandinsky – Nachbarn, Freunde, Konkurrenten

Klee & Kandinsky - Nachbarn Freunde Konkurrenten

Klee & Kandinsky – Nachbarn Freunde Konkurrenten

Nein. Ich bin kein ausgewiesener Kunstfachmann. Das sei hier vorausgeschickt. Ich bin ein Mensch, der sich zum Schönen hingezogen fühlt, der vielleicht spürt, wenn in der Kultur Geheimnisse verborgen sind, die es zu entdecken gilt und der sich emotional an Kunstwerke binden kann, so wie sie sich an mich binden. Daraus erwachsen keine Expertise, kein Sachverstand und keine analytische Begabung. Aber ich darf für mich in Anspruch nehmen, über meine tiefen Gefühle zu sprechen, wenn ich von Kunst berührt werde.

Ich darf für mich in Anspruch nehmen, mich in „meinem Lenbachhaus“ wohl und geborgen zu fühlen, weil es sich mit mir und meinem Bild von Kunst verwoben hat und sich nicht mehr lösen lässt. Ich las „1913 von Florian Illies und stieß auf Franz Marc. Ich las seine Zeilen, die er Else Lasker Schüler widmete, malte mit ihm die Pyramide der blauen Pferde, hinterließ ein einzelnes legendäres Blaues Pferd und ritt mit ihm in den kriegerischen Tod. Ich erlebte, was ihm selbst gottlob erspart blieb. Die Entartung seiner Kunst im Braunen Deutschland.

Ich las „1914 – Ein Maler zog in den Kriegund lernte gute Freunde von Franz Marc kennen. Künstler, die sein Schaffen beeinflussten, mit denen ihn mehr als der „Blaue Reiter“ verband und mit denen er wohl noch lange gemeinsam gewirkt hätte, wäre er nicht als Schöpfer der blauen Pferde im Ersten Weltkrieg von seinem Pferd geschossen worden. 1911 gründen Wassiliy Kandinsky und Franz Marc die Künstlergemeinschaft „Blauer Reiter“. Beide revolutionierten die Kunst einer ganzen Epoche und scharten Menschen um sich, die ihnen mit aller ihrer Kreativität folgen wollten. Paul Klee gehörte zu ihnen.

Klee & Kandinsky - Nachbarn Freunde Konkurrenten

Klee & Kandinsky – Nachbarn Freunde Konkurrenten

Hier entstanden tiefe Freundschaften fürs Leben. Freundschaften, die nicht einfach waren, weil eben die Menschen, die sie schlossen selbst nicht einfach waren. Die Kunst verband, trennte, führte auf Abwege, vereinte, konkurrierte und ließ Spielraum für Streit. Losgelöst vom gesellschaftlichen Kontext jedoch war diese Kunst nie. Provokation und Stilbruch. Beides war dem Blauen Reiter von der ersten Stunde an in die Wiege gelegt. Entsachlichung und Abstraktion waren Wesensmerkmale. Kunst darf das. Kunst kann das.

Als jedoch das Braun in Deutschland das Blau des Reiters überrannte wurde aus der erhofften Erneuerung der Kunst ihre Entartung. Versachlicht und ideologisiert wurde die Kunst. Braune Kunst. Nazi-Kunst. Instrumentalisiert. Arisiert. Jubelkunst. Führerkult-Kunst. Rassisch klinisch rein. Ur-Deutsch. Keine Welt, in der Kandinsky und Klee Platz hatten. Keine Welt mehr für ihre Bilder. Keine heile Welt mehr für ihre Leidenschaft und Begabung. Entartet. Aus der Art geschlagen gleichermaßen. Geschlagen und öffentlich exekutiert in den Kulturtempeln des Landes.

Flucht und Emigration blieben. Künstler retteten ihr nacktes Leben ins Ausland. Ihre Bilder beschlagnahmt und als entartet ausgestellt. Bloßgestellt. Kaltgestellt. Wer nicht ging, folgte bald seinen Bildern. Charlotte Salomon zum Beispiel. Von der nichts übrig blieb, außer ihren Bildern. Deportiert. Schwanger. Vergast. Ein Koffer mit besonderem Inhalt. C`est toute ma vie – Das ist mein ganzes Leben. Ihre Bilder.

Klee & Kandinsky - Nachbarn Freunde Konkurrenten

Klee & Kandinsky – Nachbarn Freunde Konkurrenten

Wenn ich heute das Lenbachhaus betrete, staune ich über das, was ich dort sehen darf. Es ist der Sieg der Kunst über die Zeit. Es ist die Manifestation des Entarteten, das heute das Braune verdrängt hat. Es ist der Beweis, was länger währt. Ideologie oder das Schöne. Hier hängen sie nun und warten still auf uns. All die Marcs, Klees, Mackes und Kandinskys, als wünschten sie sich, ihre Bildschöpfer hätten diese Strahlkraft noch erleben können. Auch ich wünschte mir, sie hätten es noch erlebt. Ihren Sieg und ihre Leistung, einer entarteten Gesellschaft den Weg zurück zur „Art“ gewiesen zu haben. Art = Kunst.

Marc und Macke fielen im Ersten Weltkrieg. Klee und Kandinsky starben im Exil noch bevor der Zweite Weltenbrand verraucht war. Nur Letztere haben ihre eigene Entartung erleben müssen. Ihre künstlerische Rehabilitation erfolgte viel zu spät. Sie hinterließen Gemälde, die Zeichen ihrer Zeit waren. Tiefe metaphorische Kunstwerke, die auch die Veränderungen ihre Schöpfer dokumentieren. Brauntöne, die sich düster einschleichen, als der Gleichschritt der gleichfarbigen Horden durch die Straßen hallte. Klee zeigt die Bedrohung symbolisch greifbar. Kandinsky blieb abstrakt. Beide malen Klartext.

Und für beide wäre es aus damaliger Sicht wohl unvorstellbar gewesen, was wir heute erleben dürfen. Das Münchener Lenbachhaus und sein Kunstbau stehen im Zeichen dieser beiden Künstler, die sich doch zuletzt als Ausgestoßene gefühlt haben mussten. Die Kunstgalerie widmet den beiden großen Malern und Weggefährten unter der treffenden Überschrift Klee & Kandinsky – Nachbarn, Freunde, Konkurrenten eine Sonderausstellung, die bis zum 24. Januar 2016 im Kunstbau zu bestaunen ist.

Klee & Kandinsky - Nachbarn Freunde Konkurrenten

Klee & Kandinsky – Nachbarn Freunde Konkurrenten

Wir waren dort. Wir haben Paul und Wassily besucht. Und wir waren begeistert. Wir, das sind meine Herzensblogger-Kollegin Julia von Ruby`s Cinnamon Dreams, die Schriftstellerin Brigitte Riebe (Die Pestmagd, Feuer und Glas) und natürlich ich, der Betreiber der kleinen literarischen Sternwarte AstroLibrium und Nichtkunstkenner. Wobei man aufrichtig sagen muss, dass es nicht nur diese Sonderausstellung war, die uns magisch anzog, sondern auch das Lenbachhaus an sich. Ein Besuch vor Ort, ohne die grandiose Lichtinstallation im Foyer zu bestaunen und dann meinem Blauen Pferd zu begegnen, wäre nicht vorstellbar.

Es beginnt also erneut dort, wo die Freundschaft der beiden Maler begann. In der Nähe des Künstlerviertels Schwabing und entgegen aller Unkenrufe von einst bilden ihre Kunstwerke in dieser Ausstellung eine echte Einheit, die doch unterschiedlicher nicht sein kann. Individualisten in ihrer Kunst, Visionäre und Grenzwanderer mit ihren ganz eignen Mitteln, Stilen und Schaffensphasen. Fasziniert betrachtet man die Bilder, liest die Erläuterungen oder lauscht ganz einfach dem Audio-Guide. Hier findet jeder seinen eigenen Weg, sich Paul Klee und Wassily Kandinsky zu nähern.

Bleibend ist eine solche Ausstellung nie, wenn auch ihr Eindruck sich im geneigten Auge des Betrachters manifestiert. Sehr gut nur, dass mir ein Buch zur Ausstellung die Möglichkeit bietet, den gesamten Kunstbau, das Lenbachhaus und alle Werke von Klee und Kandinsky, die dort in einen inhaltlichen Zusammenhang gerückt werden mit nach Hause zu nehmen. Klee & Kandinsky – Nachbarn, Freunde, Konkurrenten“ ist dabei mit seinen weit über 300 farbigen Abbildungen in Kunstdruck-Qualität alles, nur kein Ausstellungskatalog. Dieses großformatige und hochwertige Kunstbuch verkörpert den Dialog dieser beiden Künstler und bietet neben allen ausgestellten Gemälden eine unglaubliche Vielfalt, die es hier zu entdecken gilt. Eine bleibende Erinnerung aus dem Prestel Verlag!

Klee & Kandinsky - Nachbarn Freunde Konkurrenten

Klee & Kandinsky – Nachbarn Freunde Konkurrenten

1908 in Murnau beginnt eine Geschichte, deren Teil wir schon dann werden, wenn wir auch nur ein einziges Bild betrachten. Denn letztlich wurden sie für unsere Augen gemalt. Uns versuchen die beiden großen Avantgardisten aufzurütteln mir ihrer formlos schönen Kunst. Wir entdecken sehr viel in diesen Bildern. Wir können sie auch ohne Studium der Kunst unterschiedlichen Schaffensphasen zuordnen. Wir sehen die großen Unterschiede in ihrer eigenen Herangehensweise. Kandinsky abstrakt, teilweise scharf konturiert. Klee naturverbunden, detailverliebt.

Das Buch chronologisiert und macht transparent, was sich dem Auge verbirgt. Es blendet unverfälscht die wahren Menschen ein die hinter den Gemälden stehen. Es zeigt auf, wie beide lebten, liebten, lachten und auch verzweifelten. Zitate rücken Daten in den Rahmen, den sie sonst mit Bildern füllten. Sie erhalten scharfe Konturen, wobei sie eben diese zu verschleiern suchten. Dem Abstrakten der Kunst das Konkrete des Künstlers gegenüberzustellen. Das scheint die eigentliche Mission des Buches zu sein. Und sie gelingt.

Phasen des tiefen Lesens wechseln mit dem Staunen des Betrachters. Phasen des Staunens gehen in die kleine und präzise Recherche über. Und das Wundern wird erklärbar, indem beschrieben ist, warum einige Bilder von Kandinsky so ungewöhnlich für ihn zu sein scheinen, oder warum Klees Bauhausphase so quadratisch praktisch gut erscheint. Die Persönlichkeiten streben aus den Bilderrahmen hervor und treten in den Dialog, der vor mehr als 70 Jahren unterbrochen wurde. Mit diesem Buch holt man sich eine ganze Welt ins Lesezimmer und wird zum Besucher einer Vernissage, die man so schnell nicht vergisst.

Franz Marc - Das Blaue Pferd - Ein Dialog

Franz Marc – Das Blaue Pferd – Ein Dialog

Und doch sei mit Verlaub das Blaue Pferd am Rande noch erwähnt. Nach Paul und Wassiliy besuchten wir auch Franz. Und tief bewegt wie immer stand ich meinem Pferd gegenüber, das immer mit schief gelegtem Kopf auf mich zu warten scheint. Julia hat diesen Moment für mich festgehalten, ohne dass ich es bemerkte. Zu weit war ich weg in diesen Minuten. Zu intensiv auf einer Reise in die Vergangenheit und in die Gefühle, die mich mit diesem einzigartigen Bild verbinden.

In Gedanken brachte ich auch Paul Klee und Franz Marc wieder zusammen. Jenen Paul Klee ganz abseits der Ausstellung einem Gemälde von Franz Marc die letzte Ehre erwies, als er es auf unnachahmliche Weise restaurierte. Tierschicksale verbrannte zu einem Drittel, als es nach Franz Marcs Tod in einer Gedächtnisausstellung gezeigt wurde. Paul Klee fügte das zerstörte Drittel für seinen Freund wieder hinzu. Allerdings in deutlich abgedeckter Farbgebung. Die Grenze zwischen beiden Teilen des Bildes ist deutlich zu sehen. Paul Klee wollte allen zeigen, wie es vorher aussah. Das Territorium seines Freundes Franz Marc hat er dabei nicht betreten. Das ist wahre Größe.

Das war es. Fast. Was für ein Tag, was für eine Ausstellung und was für ein Buch, das bleibend eine Galerie in meinem Bücherregal eröffnet hat. Es war schön, dies nicht allein erlebt zu haben. Unvergesslich sind die Worte von Brigitte, die aus diesen Bildern Literatur entstehen lassen kann. Ihnen eine persönliche Dimension verleiht, die dann Geschichte erzählt. Und einzigartig waren die Momente mit Julia in den unendlichen Weiten des Lenbachhauses. Kind sein zu dürfen, dort wo es greifbar und ganz gewollt kitschig wurde. Erwachsen sein zu können, wo es historisch erhaben ist. Zweifeln zu dürfen, wo Beuys schier unerklärlich bleibt und weinen zu dürfen, dort wo mein Pferd auf mich wartete. Dafür danke ich – auch mit dieser kleinen Dia-Show..

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Es geht weiter im Lenbachhaus. Diesmal unter der Überschrift „Kraftraum meines Geistes„. Ganz neu ausgestattet mit Jahreskarte und im tiefen Dialog mit meinem Blauen Pferd.

Das Lenbachhaus - Der Kraftraum meines Geistes

Das Lenbachhaus – Der Kraftraum meines Geistes