Sonderbare Buchhandlungen, Buchläden zum Verlieben, Häuser der vergessenen Bücher… Was haben wir in den letzten Jahren nicht alles gelesen und geliebt, wenn es darum ging, in die besonderen Welten unserer bibliophilen Lieblingsorte abzutauchen? Einziges Problem bisher: Die beschriebenen heiligen Orte für Buchgläubige waren rein fiktiv und damit in der Realität nicht zu erreichen. Wie grausam kann die Welt sein, uns Lesenssüchtige nur im Bereich unserer Fantasie in diesen prunkvollen Hallen wandern zu lassen. (Diese Rezension können Sie auch bei Literatur Radio Bayern hören: hier)
Nach San Francisco, Broken Wheel und Brooklyn entführte uns der DuMont Verlag vor knapp zwei Jahren nach Wien. Und zwar in eine greifbare Buchhandlung. Eine aus Fleisch und Blut. „Meine wundervolle Buchhandlung„ von Petra Hartlieb entsprang nicht der reinen Vorstellungskraft. „Hartliebs Bücher“ ist die pure buchige Realität und die Geschichte dieser Tankstelle des Geistes gehört zu den absoluten „Must Reads“ in der Kategorie Bücher über Bücher.
„Meine wundervolle Buchhandlung“ ist die Geschichte einer Spontan-Idee, die dazu geführt hat, dass ein Lebenstraum plötzlich real wurde. Eine Buchhandlung, eröffnet und geführt von einer Schriftstellerin. Absolut spontan und ohne jeden Businessplan. Eine Story, die begeisterte und der ich in meiner kleinen literarischen Sternwarte viel Raum gegeben habe. Das Buch wurde zum Bestseller und zum ultimativen Weckruf für die Branche. Es zeigte, wie man die Welt ein klein wenig verändern kann und noch heute spürt man die Nachwirkungen dieser inspirierenden Idee.
Bisher dachte ich jedoch, es nur mit einem Einzelfall zu tun zu haben. Mit einer mutigen Buch-Pionierin, die sich auf ihre Fahne geschrieben hatte, nicht nur ihre Welt zu verändern. Den harten Kampf, der hinter dieser Vision steckte, hat sie schonungslos beschrieben. Windmühlen pflasterten ihren Weg. Online-Händler und eine nicht immer einfache Kundschaft erleichterten ihr das Leben nicht gerade. Selbst wenn man in der Branche schon einen guten Namen hatte. Aber ein Einzelfall ist dies beileibe nicht. Und wer der Skurrilität dieser Geschichte noch eins draufsetzen möchte, der sollte sich eine Stunde Zeit nehmen.
Denn mehr werden Sie nicht brauchen. Versprochen. Aber diese Stunde des guten Lesens kann Ihre Sicht auf die Welt unserer Herzensbuchhandlungen verändern. Ach, was sage ich? Sie wird diese Welt verändern. Der Atlantik Verlag veröffentlicht ganz kleine, aber feine Bücherschätze, die ich despektierlich als „Westentaschenliteratur„ bezeichne. Und das meine ich definitiv nicht abschätzig, denn diese Bücher beinhalten Geschichten, die man gerne am Lagerfeuer weitererzählen möchte. Und die man auch einfach so erzählen kann, weil ihr Umfang nicht jeden Rahmen sprengt.
In dieser Reihe der ganz großen Kleinen ist nun auch unter dem Titel „Aus Liebe zum Buch„ ein trojanisches Pferd unter den gebundenen Kurzgeschichten erschienen, das wir einfach durch unser Stadttor ziehen sollten, damit es unsere Herzen erobert. Es ist klein, zierlich und schmal, dieses Bändchen und es beinhaltet eine wahre Geschichte. Eine Geschichte, die unter dem Originaltitel „The bookstore strikes back“ nicht nur eine Stadt verändert hat, sondern viel mehr. Der Buchladen schlägt zurück erinnert an die famose Idee von Petra Hartlieb, sich einen Lebenstraum zu erfüllen.
Nur mit dem Unterschied, dass es sich bei der Frau, von der hier die Rede ist, um Ann Patchett handelt. Sie ist ebenso wie Petra Hartlieb eine Autorin. Ebenso wie Petra Hartlieb eine Liebhaberin kleiner inhabergeführter Buchhandlungen. Im Unterschied zur Wienerin jedoch wurde Ann Patchett 2012 vom Time Magazin auf die Liste der 100 einflussreichsten Menschen der Welt gesetzt. Ihre Bücher werden weltweit in über 30 Sprachen übersetzt, sie wurde mit dem PEN / Faulkner-Award ausgezeichnet, ist ein mehr als gefragter Gesprächspartner in Talkshows und bereist die Welt, um ihre Bücher vorzustellen. UND – Ann Patchett wohnt in Nashville.
Was also, wenn eine Frau von diesem Format feststellt, dass man ihre Bücher in Heimatort nicht mehr kaufen kann? Was also, wenn sie bemerkt, dass man nicht nur ihre Bücher nicht mehr kaufen kann, sondern gar keine mehr? Was, wenn Ann Patchett realisiert, dass aus den Buchhandlungen ihrer Jugend zuerst große Ketten wurden, die dann in noch größere Warenhäuser integriert wurden und letztlich ganz verschwanden?
Und was, wenn sich genau diese Ann Patchett nicht mit diesem Zustand zufrieden gibt und beschließt, mit ein paar ambitionierten Freunden einen Buchladen in Nashville zu eröffnen?
Ein Hirngespinst? Eine Schnapsidee? Ein typisch amerikanischer Spleen?
Ganz weit gefehlt. In „Aus Liebe zum Buch“ erzählt die Bestsellerautorin von den Ursprüngen der Idee bis zu ihrer Realisierung. Sie schreibt von den Widerständen und dem Lachen hinter vorgehaltener Hand, wenn sie ihren Freunden davon erzählte. Und sie beschreibt jenen Moment, der nicht nur ihr Leben, sondern das einer ganzen Stadt veränderte: Eine große Talkshow im Fernsehen, die Vorstellung ihres neuen Romans, die ausufernde Begeisterung des Moderators und seine abschließende Empfehlung, das Buch doch am besten noch am gleichen Tag bei einem Online-Riesen zu bestellen und die magische Erwiderung von Ann Patchett:
„Nein… ! Nein… Nicht bei Amazon. Bestellen Sie bei Parnassusbook.net und ich signiere für Sie!“
Und Amerika nahm sie beim Wort.
Denn inzwischen war in Nashville die Buchhandlung „Parnassus“ wie Phoenix aus der Asche auferstanden. Ganz klein. Mehr als gediegen und doch schon der Treffpunkt belesener und erlesener Menschen, denen genau dieser Ort der Begegnung und des Austausches gefehlt hatte. Menschen, die im vertrauten Gespräch mit Buchhändlern die Orientierung im eigenen Lesen suchten. Menschen, die sich nicht durch einen Wust an Online-Rezensionen kämpfen wollten, um ganz einfach herauszufinden, welcher Roman zu ihnen passt.
Und Menschen, die sich nun erstaunt die Augen rieben, warum genau dieser kleine Buchladen die Titelseiten der großen amerikanischen Zeitungen beherrschte. Nur Ann Patchett war zu beschäftigt, sich darüber zu freuen. Sie signierte. Und wie sie signierte.
„The bookstore strikes back“ ist eine Liebeserklärung an den Buchhandel und eine Streitschrift gegen den drohenden Verlust dieser kleinen Bücher-Biotope. Er ist zugleich Mahnung an uns Leser und Käufer. Wir können selbst darüber entscheiden, bei wem wir einkaufen, wo wir uns beraten lassen und damit entscheiden wir unmittelbar über die Existenz der kleinen Buchhandlungen.
Bei gleichen Preisen und einem vergleichbaren Angebot im greifbaren Sortiment und im Online-Versand der kleinen Buchhandlungen entscheidet ein Besuch, ein Klick und ein Blick über Existenzen. Wir können verhindern, dass aus unserer Umgebung ein Nashville wird. Wir haben es in der Hand, auch wenn wir nicht prominent sind oder die Welt bewegen können. Wir können dem Trend Schub verleihen, dass inhabergeführte Buchhandlungen Zukunft haben.
„Aus Liebe zum Buch“ verleiht uns Schubkraft. Dieses Büchlein nimmt uns an die Hand und erzählt uns auf liebevoll sympathische Art und Weise von einem Traum, den Hindernissen und Steinen, die es zu beseitigen galt. Und es erzählt die Geschichte von Menschen, die tagtäglich hinter dem Tresen stehen, um ihre Liebe zum Buch an andere Menschen weitergeben zu können. Lesen Sie „Aus Liebe zum Buch“ und Schmunzeln Sie über die Revolution im Kleinen. Danach verlassen Sie das kleine Bändchen und werden Teil des Trends. Ein Besuch beim Buchhändler kann ihr Lesen retten.
Lesen Sie auch meine weiteren Liebeserklärungen an den Buchhandel in meinem kleinen literarischen Widerstandsnest. Und denken sie dabei immer daran… Amazon veranstaltet keine Lesungen, dekoriert keine Bloggerfenster und backt keine Plätzchen für die Kundschaft. Ihre Buchhändler schon!

Bücher über Bücher bei AstroLibrium… Die Reise geht weiter…
Meine Liebeserklärungen an den Buchhandel:
„Mein Schaufenster ist der Spiegel Deines Lesens„ – Der Start einer Kampagne
„Das Lob der guten Buchhandlung„ – Ein besonderer Rollentausch
„Buchschlusspanik oder wie ein Papierhaus mein Lesen rettete„ – Ein Tipp
„Meine wundervolle Buchhandlung„ von Petra Hartlieb
„Petra Hartlieb im exklusiven Buchmesse-Interview“ – Frankfurt 2014
„Das Haus der vergessenen Bücher„ von Christopher Morley
„Eine Buchhandlung auf Reisen„ von Christopher Morley
„Die sonderbare Buchhandlung des Mr. Penumbra„ von Robin Sloan
„Blätterrauschen„ von Holly-Jane Rahlens
„Ein Buchladen zum Verlieben„ von Katarina Bivald
PS: Ironie des Schicksals.
Nachdem Amazon in Seattle die erste eigene Buchhandlung eröffnet hat, plant der Online-Riese nach neuesten Pressemeldungen, nun selbst eine Buchhandelskette mit mehr als 400 Filialen zu etablieren. Beratung durch Buchhändler? Natürlich, aber wer dem Link folgt, wird auf den Fotos sehen, dass die umstrittenen Online-Rezensionen nun zu den Empfehlungen im Laden mutieren. Klingt schon ein wenig nach dem alten Heuschreckenprinzip. Zuerst dafür sorgen, dass die Buchhandlungen verschwinden und dann selbst den freien Markt besetzen. Bleibt gespannt.