Es wäre ein wohl Aufsehen erregender physischer Auftritt in Frankfurt gewesen. Kanada, das Ehrengastland der diesjährigen Buchmesse hätte nicht nur Autoren und Bücher im Gastland-Pavillon präsentiert. Lebensgefühl, Vielfalt, Einzigartigkeit und viele weitere Überraschungen standen auf dem Programm. Und unsere Verlage hatten sich auf diesen besonderen Ehrengast perfekt eingestellt. Die kanadische Literatur hätte in diesem Jahr einen besonderen Stellenwert bei ihren Messeauftritten gehabt. Nun bleibt „nur“ noch ein digitaler Auftritt. Jetzt sitzen wir vor den Computern und sind froh, dass wir zumindest auf diesem Wege einen Hauch von Kanada und Buchmesse inhalieren können. Aber ganz virtuell möchte ich nicht bleiben. Kanadische Literatur zum Greifen nah. Das ist das Motto dieses Artikels. Rezension und Verlosung auf einen Streich.
Beginnen möchte ich mit meiner Rezension zu einem Roman, der mich in ein mehr als urwüchsiges, unerforschtes und wildes Kanada entführt hat. Neufundland zu Beginn des 19. Jahrhunderts. Die abgelegene Insel im Nirgendwo, ein unwirtlicher Ort, an dem das Überleben zu dieser Zeit täglich einer Zerreißprobe gleicht und ein Jagdgebiet, das dem Menschen alles abverlangt. Ob im Wasser oder an Land. „Die Unschuldigen„ von Michael Crummey ist ein zutiefst empathischer Abenteuerroman, der zwei Geschwister in den Mittelpunkt stellt, die hier auf sich allein gestellt sind. Fernab von jeder Zivilisation und von den Eltern nur unzureichend auf das Leben vorbereitet. Dabei wissen sie mehr über die Natur, die sie umgibt, als über die Natur des Menschen, der sie hier schutzlos ausgeliefert sind.
Es ist die urwüchsige Erzählung eines modernen Jack London, die uns gefangen nimmt und zu den Gefährten zweier Geschwister macht, die eigentlich viel zu jung sind, um so schnell erwachsen zu werden, wie es die Umstände und die Natur erfordern. Es ist ein Michael Crommey, der sich in einen bildhaften Erzählrausch schreibt, der mich alles fühlen ließ, was er beschreibt. Einsamkeit, Verzweiflung, Kälte, Trauer, Hoffnung und die wilde Schönheit einer Insel, die sich für die beiden Kinder nur ganz selten von ihrer schönsten Seite zeigt. Ada und Evered mussten ihre Eltern begraben, ihre Mutter in der eisigen Erde, den Vater auf See. Sie treten ein Erbe an, das sie kaum meistern können. Fischfang unter härtesten Bedingungen, um den Fang dann einem Händler zu verkaufen, der einmal im Jahr mit seinem Schiff auftaucht. Ihr Lohn? Vorräte für das nächste Jahr.
In diesem Kreislauf der Abhängigkeit werden wir Augenzeugen der Entwicklung der beiden Geschwister. Bruder und Schwester arrangieren sich mit dem Leben, mit den Gegebenheiten und mit der Einsamkeit auf Neufundland. Sie wollen bleiben, wollen überleben, verweigern sich den Angeboten, doch aufs Festland zu ziehen. Hier sehen sie die Heimat. Auf alles sind sie vorbereitet. An jeder Aufgabe wachsen sie. Die Eltern haben sie widerstandsfähig gemacht. Keiner würde schaffen, was den beiden Kindern gelingt. Nur auf eines sind sie nicht vorbereitet, eines hat ihnen niemand erzählt, einen Rat konnten die Eltern ihnen nicht mit auf den Weg geben. Ein Rat, den sie beide jetzt dringend benötigen. Als Ada zwölf und Evered vierzehn Jahre alt sind, werden sie von etwas überrollt, das wir heute als Pubertät bezeichnen. Für die Geschwister entwickeln sich die plötzlich aufkommenden Gefühle füreinander zu einer Zerreißprobe. Niemand hat sie vorbereitet und niemand hat sie gewarnt, dass es gefährlich sein könnte, wenn Bruder und Schwester sich aneinander verlieren.
Michael Crummey verliert sich nicht in dieser Erzählung. Er schreibt nicht um den heißen Brei herum. Er gibt seinen Protagonisten den Freiraum, sich zu entwickeln und ihre eigenen Fehler zu machen. Er erzählt von Verlangen, von Scham und Nähe. Vom Trost der ersten Berührungen, von der brutalen Eifersucht, die plötzlich aufkommt, als die Schiffe nicht mehr nur vorbeifahren, sondern anlanden und erste Besucher in das Leben der Heranwachsenden einbrechen. Die Seeleute sind zotig, trunken und vulgär. Die Männer so verwegen, wie sie es in dieser Gegend sein müssen, um zu überleben. Und doch lässt Michael Crummey viel Raum für die Grandezza von Menschen, die es mit Ada und Evered wirklich gut meinen. Hier wird aus einer guten Geschichte ein großer Roman. Hier wird aus dem Strandgut, das an ihrem Strand landet ein echter Hoffnungsschimmer für eine gemeinsame Zukunft. Hier wird ein Fernrohr, das sie an Bord eines Wracks finden, das Fenster zu einer neuen Welt.
Wir gehen den Fragen des Lebens auf den Grund, Wir stellen uns der Frage, ob es die Eltern sind, die ihre Kinder auf das wahre Leben vorbereiten, oder ob Resilienz das Ergebnis ganz anderer Prozesse ist. Wir blicken hinter die Vorhänge des Schlafraums und beobachten die Unsicherheit der Geschwister im Umgang miteinander und blicken doch niemals verschämt zur Seite, weil uns der Autor nicht zu Voyeuren macht. Es ist die Erzählkunst des Autors, einem authentischen Roman ein Setting zu verleihen, dem wir Glauben schenken. Es ist aber auch seine große Kunst, nichts peinlich werden zu lassen, was im reinsten und unverfälschten Gefühl zweier Menschen nicht als peinlich empfunden wird.
Freude und Scham. Scham und Freude. Das waren die Währungen der Welt. Und beide wurden gleichermaßen ausgezahlt.
Das vielleicht größe Abenteuer eines Bücherjahres, in dem wir beharrlich auf der Suche nach Romanen sind, die unseren moralischen Kompass neu ausrichten.
Lesenswert ist auch Constanzes Sicht auf die Unschuldigen: „Zeichen & Zeiten„.
Die Messestadt Frankfurt hätte sich sehr auf Michael Crummey gefreut, wir Leser und Besucher hätten uns gefreut. Und doch habt ihr eine Möglichkeit, die kanadische Literatur des Bücherherbstes in einem Buchpaket zu euch nach Hause zu lotsen. Der Eichborn Verlag hat die Aktion #eichborncanlit ins Leben gerufen und stellt im Netz, im Buchhandel und auf den eigenen Verlagsseiten vier Neuerscheinungen kanadischer Autoren und Autorinnen vor, die in Frankfurt am Messestand im Brennpunkt gestanden hätten. Natürlich gehört auch „Die Unschuldigen“ von Michael Crummey dazu. Dank des Eichborn Verlages habe ich die Möglichkeit, eines dieser Buchpakete zu verlosen. Was ihr tun müsst, um die kanadische Bücher-Flagge in eurem Bücherregal zu hissen? Ganz einfach.
Schaut euch die Bücher des Buchpakets genau an. Es handelt sich um:
„Die Unschuldigen“ von Michael Crummey
„Tagebuch einer furchtbar langweiligen Ehefrau“ von Marie-Renée Lavoie
„So nah den glücklichen Stunden“ von Anaïs Barbeau-Lavalette
„Washington Black“ von Esi Edugyan
Ein wundervoller Genremix, der den Facettenreichtum der kanadischen Literatur unter Beweis stellt. Vom bewegenden Abenteuer zweier Geschwister auf Neufundland über die Rache einer gelangweilten Ehefrau bis zum Jahrhundertroman einer Künstlerin und zuletzt zu einer Geschichte der Sklaverei auf Barbados. Hier ist garantiert für jeden Geschmack, für jede Lesestimmung und jeden bibliophilen Leser etwas dabei. Und nun nichts wie los, um eure Chance zu wahren, das gesamte Paket zu gewinnen.
Kommentiert diesen Artikel bis zum Sonntag, den 18. Oktober um 20:00 Uhr und schreibt mir einfach, was euch mit Kanada verbindet. Unter allen Teilnehmer*innen wird das Buchpaket verlost. Ihr dürft euren Freunden gerne von dieser Aktion erzählen und sie in den sozialen Medien teilen. Auf jeden Fall solltet ihr uns, falls ihr gewinnt, mit auf eure Lesereise nehmen und unter #eichborncanlit ein paar Impressionen teilen. Ich drücke jetzt ganz fest die Daumen.
Meine Schwiegertochter hätte wohl zur kanadischen Buchmessedelegation gehört. Tut weh, ist aber richtig so. Die langweilige Ehefrau hat sie mir im Original geschickt. Das Buchpaket wäre ein schönes Trostpflaster. Liebe Grüße
Kanada steht ganz oben auf meiner Reisewunschliste, denn ich verbinde damit atemberaubende Naturlandschaften, sehenswerte Städte, Kultur und Gastfreundschaft – und aktuell den Indian Summer.
Oh Canada. Gänsehautland. Diese Bücher sind ein echtes Familien-Bundle. Würde mich echt freuen, meiner spannenden Ehefrau die langweilige zu schenken.
I’m from Vancouver. Living since a bunch of month in Heidelberg. Would be a good startup to become german native speaker. Ich wäre glücklich mit Büchern aus meinem Heimatland. Wie sagt man. Heimweh. Hugs.
Kanada – Wildnis – Rocky Mountains – unerreichbar – durch (Flugangst
und) Doofmann namens Corona!
Herzlichen Glückwunsch…
Ich sag nur Quarantäne. Ich hab Zeit. Da wäre Kanada echt ein Fluchtpunkt. Bleibt gesund. Und keine Sorge, alles nur zur Vorsicht.
Hallo,
also, mit Kanada verbinde ich Ahornsirup, Bären und eine Familienanekdote: ich lebte als Kind mit meinen Eltern in Kolumbien, aber eigentlich wollten meine Eltern damals nach Kanada, hatten sich dafür beworben 🙂
Schöne Grüße
Charlotte
Hallo, mit Kanada verbinde ich wunderschöne Landschaften, die Rocky Mountains….interessantes Essen….
viele Grüße Caren
Ich denke, wenn ich diese vier Bücher gelesen habe, verbindet mich einiges mit Kanada. Bisher ist da ein weißer Fleck. LG Petra
Als erstes kommt mir ein alter Film in den Sinn „Wie ein Schrei im Wind“.
Jean La Bete, der Trapper und Eve, die Stumme. Archaische Bilder, unberührte Wälder/Natur stehen für das wilde Kanada.
„Die Unschuldigen“ scheinen dieses Kanada zu kennen.
Ich muss Thoreau zitieren: „Ich wollte tief leben, alles Mark des Lebens aussaugen, so hart und spartanisch leben, dass alles, was nicht Leben war, in die Flucht geschlagen wurde.“
Mich verbinden mit Kanada diese Bilder im Kopf und warte auf den ‚Indian Summer‘.
Herzliche Grüsse und bleibt gesund!
Ahornsirup 😊 Kein Morgen ohne 😊 Dieses Buchpaket wäre perfekt für die kommenden langen Abende.
Hugs and kisses, Kate
Was mich mit Kanada verbindet, ist eine grosse Sehnsucht nach der Natur.
Ich habe Neufundland kurz kennengelernt bei Minus 20 Grad. Es war faszinierend.
Und den Indian Summer ganz in der Nähe der kanadischen Grenze durfte ich erleben. Ich kenne nichts Schöneres❤
Wenn ich jünger wäre, würde ich nach Kanaüda auswandern❤
Kanada ist für mich Natur und Freiheit, Land aber auch Leute. Das Land der zwei Sprachen.
Ich hatte schon mal das Vergnügen zwei kanadische Kameraden der Armee kennenzulernen. Die Mentalität der Kanadier ist toll. Ich hoffe mal das Land besuchen zu können. Meine Frau war schon öfters dort.
Mit Kanada verbinde ich in erster Linie wundervolle Landschaften, die wie geschaffen sind für Postkartenmotive. Und natürlich den Ahornsirup. Ich war leider noch nie dort, aber vielleicht darf ich mich ja literarisch dort aufhalten. Würde mich sehr freuen. 😊
Ich hatte mich auch sehr auf Kanada gefreut! Es ist mit den schönsten Jugenderinnerungen verbunden, denn mit 17 war ich 4 Wochen dort und erlebte einmalige Abenteuer! 😍
Ich lese gerade SWEETLAND vom Michael Crummey und befinde mich somit derzeit auch in Neufundland. 😄
Gleichzeitig genieße ich kanada über ANNE auf GREAN GABLES visuell. Das ist meine Herzensbücherreihe aus meiner Kindheit, als Buch und Filme! Wie du siehst, bin ich voll auf Kanada eingestimmt und würde mich deshalb auch von Herzen freuen, dieses grandiose Kanada-Buchpaket zu gewinnen! Ich habe nämlich noch keines dieser vier Bücher gelesen. ☺️
Herzliche Grüße mit schönen Erinnerungen an unsere Gespräche auf den Buchmessen!
monerl
Ich verbinde mit Kanada die Wrestling-Legende Bret „The Hitman“ Hart. Dieser stammt aus Calgary, Alberta und 1993, damals war ich ein 11jähriger Bengel, war er der Grund warum ich zum Wrestlingfan wurde und auch noch 27 Jahre später einer bin. 🙂
Ach, ich hatte mich auch sehr auf die Buchmesse und das Gastland Kanada gefreut …
Mit Kanada verbinde ich eine große Sehnsucht, da ich schon immer mal dorthin wollte, es bisher aber leider noch nie geschafft habe. Vielleicht klappt es ja eines Tages, und bis dahin vertreibe ich mir die Zeit mit kanadischen Autor:innen.
LG Kerstin
Kanada bereisen wird schwer. Kanada lesen ist einfacher. Ich mag gerne.
Mit Kanada verbinde ich Natur, „Weite“, Wälder, Gletscher und Schneelandschaften – ein Land, das ich gerne mal bereisen würde.
Aber auch kanadische Autoren habe ich schon gelesen und lerne gerne einen für mich neuen Autoren kennen. Das Thema interessiert mich auf jeden Fall.
Mit Kanada verbindet mich ein mir quasi unbekannter Teil meiner Familie. Ein jüngerer Bruder meines Opas ist kurz vor/während/kurz nach dem Krieg (leider kenne ich den genauen Zeitpunkt nicht) dorthin ausgewandert und hat dort eine Blaubeerfarm gegründet. Die gibt es heute noch, über Facebook wird man sogar informiert, wann man zum Blueberrypicking vorbei kommen kann. Der Bruder meines Opas ist in diesem Jahr verstorben, mein Opa ist schon seit ein paar Jahren tot und hat es nie geschafft, sich Kanada anzuschauen und die Familie seines Bruders dort zu besuchen. Auf dem ein oder anderen Familientreffen in Deutschland waren „die Kanadier“ aber mal zu Besuch. Tja, das Land soll toll sein, ich war noch nie dort. Aber dank Akte X, was ja anfangs dort gedreht wurde, und wovon ich früher ganz großer Fan war, wurde zumindest der mystische Teil der Landschaft in der Welt verbreitet 😉
Deine Rezension hat mich jetzt echt neugierig auf das Buch gemacht. Kanada ist für mich zu weit weg (Flugangst), aber gerade darum interessiert mich die Literatur dort und natürlich Bilder dieser wunderschönen Landschaft!
Ich danke für die rege Beteiligung. Das Fenster nach Kanada ist geschlossen, der / die Gewinner*in wurde von meiner Losfee gezogen und informiert. Wenn er / sie sich gemeldet hat werde ich das offiziell bekanntgeben. Und keine Sorge, ich habe noch weitere Aktionen in Planung. Euer literarischer Sternwärter.
Wir haben eine Gewinnerin. K. Nicolas darf sich über das Buchpaket freuen. Die Bücher kommen direkt vom Eichborn Verlag und ich würde mich sehr über ein Feedback freuen, wenn Kanada eingezogen ist…
Herzlichen Dank an alle Teilnehmer*innen. Da kommt noch mehr. Versprochen…
Juhuuuuu! Ein Hauch Buchmesse im Zuhause und ein Hauch der Rocky Mountains kommen ins Siebengebirge! Vielen vielen Dank, ich freue mich sehr – insbesondere in Corona-stay-at-home-Zeiten! Danke auch an den Verlag!
Dann viel Freude in den Rocky Seven Mountains.
Pingback: Michael Crummey – „Die Unschuldigen“ – ZEICHEN & ZEITEN