Alle Wege führen nach Rom. Zumindest in diesen Tagen und zumindest für alle Fans des 1994 verstorbenen US-Schriftstellers John Williams, der mit seinen Romanen den deutschen Buchmarkt erobert hat. „Stoner“ und „Butchers Crossing“ erzählen dabei eine ganz eigene Erfolgsgeschichte, die ihresgleichen sucht. In diesen Tagen erscheint sein wohl wichtigstes Werk in seiner gebundenen Form bei dtv und gleichzeitig wird die hochkarätig besetzte Hörspieladaption des Romans bei Der Hörverlag veröffentlicht.
Grund genug für beide Verlage, eine Blogtour ins Leben zu rufen, um alle Facetten und Hintergründe von „Augustus“ auf mehreren Etappen hinterfragen und beleuchten zu lassen. Ich selbst hatte die Ehre und das Vergnügen, die dtv-Cheflektorin Patricia Reimann für Literatur Radio Bayern zu interviewen. Sie ist die Entdeckerin von John Williams für unseren Sprachraum und ist vor diesem Hintergrund natürlich DIE perfekte Gesprächspartnerin, wenn es darum geht, Insiderwissen zu erfahren.
Ich lade Sie herzlich zu diesem Interview ein. Mit nur einem Klick gelangen Sie zum PodCast unseres Literatur-Radios und dann sollten Sie sich einfach in dieses Gespräch fallen lassen und den Weg nach Rom mit uns gemeinsam gehen. Sie erfahren nicht nur interessante Hintergründe zum Schreiben von John Williams. Ich hatte auch Fragen im Gepäck, die für alle Literaturfreunde von Interesse sind, wenn man sich für die Arbeit im Lektorat eines großen Verlages interessiert. Patricia Reimann ist keine Antwort schuldig geblieben. Im Gegenteil.
Kehren Sie doch einfach nach dem Interview in diesen Artikel zurück. Der Link ist direkt unter dem PodCast zu finden und ich entführe Sie dann gerne in meine Sicht zum Roman „Augustus“ und mit ein wenig Glück findet eine bibliophile Rarität den Weg in Ihr Bücherregal. Jetzt aber hinein ins Interview mit Patricia Reimann.
„AUGUSTUS“
Erster Kaiser Roms. Herrscher über das römische Reich zu Christi Geburt. Cäsars Adoptivsohn, Nachfolger und Rächer. Verfolger der Attentäter, Sieger vieler Schlachten und Verlierer ganzer Legionen im Teutoburger Wald. Triumphator im Inneren. Solist im Konzert der römischen Intrigen-Eliten. Friedensstifter, Usurpator. Allianzenschmied und Zufallsherrscher. Der Mensch Augustus blieb im Verborgenen.
„Augustus“. Hauptfigur des wichtigsten Romans aus der Feder von John Williams. Mit dem National Book Award ausgezeichnetes Hauptwerk des 1994 verstorbenen Autors. und Meilenstein der fiktional-biografischen Aufarbeitung des Lebens des mächtigsten Mannes seiner Zeit. Erstmals in deutscher Übersetzung verfügbar. Erstmals in epischer Hörspieladaption zu erleben. Erstmals wird das Leben des ersten römischen Kaisers so zum Teil unseres Lesensweges.
Wo liegt der Zauber dieses Romans? Warum ist er zeitgemäß und was unterscheidet ihn von anderen historischen Romanen? Ganz einfache Fragen und Antworten, die sich lesend und hörend von selbst erschließen. „Augustus“ ist kein historischer Roman. Es handelt sich nicht um ein Geschichtsbuch, das auf jeder Seite um Authentizität bemüht ist. Wir lesen kein Buch für dessen Verständnis man in die Tiefen der Sekundärliteratur einsteigen muss. Und doch strahlt gerade dieser Roman den wahrhaftigen Hauch einer längst vergangenen Zeit aus.
Aus heutiger Sicht war John Williams seiner Zeit weit voraus. Er konstruierte sein Buch auf eine Art und Weise, die erst in den letzten Jahren für Aufsehen sorgte. Nicht jedoch auf dem Buchmarkt, sondern in der Geschichte des investigativen Journalismus. John Williams ist der Edward Snowden des römischen Reiches. Sein Werk liest sich an keiner Stelle wie ein lupenrein erzählter Roman. Er legt seinen Lesern das WikiLeaks in seiner antiken Ausprägung in die Hände und erzielt eine fulminante Wirkung.
Unkommentiert reiht John Williams scheinbar authentische römische Dokumente aneinander. Lediglich mit Zeitangaben und der jeweiligen Quelle gekennzeichnet liest man sich durch Befehle, Memoranden, Briefe, Tagebücher, Briefe und Chroniken einer Zeitschiene, die bei Julius Cäsar beginnt und am Ende allen Lesens mit dem Ende der Kaiserzeit seines Nachfolgers gipfelt. Jeder kommt zu Wort. Freunde, Feinde, Sklaven, Legionäre, Wegbegleiter und Chronisten ihrer Zeit. Selbst Julia, Augustus` Tochter, ist in diesen Dokumenten präsent.
Als Leser wird man in eine äußerst aktive Rolle katapultiert. Man weiß stets mehr, als jede der handelnden Figuren. Nur man selbst besitzt die Deutungshoheit über die Relevanz der Aufzeichnungen und nur der Leser ist in der Lage, ein Mosaik entstehen zu lassen, das sich Steinchen für Steinchen zu einem Panorama der Zeit entwickelt. Es ist unglaublich spannend, alle Handlungsfäden selbst in der Hand zu halten und selbst zu entscheiden, wem zu glauben ist und wem nicht. John Williams agiert aus dem Off seines eigenen Romans und führt seine Leser von Seite zu Seite näher an den Point of no Return. An jenen Punkt, an dem man nicht mehr anders kann, als Augustus ewige Gefolgschaft zu schwören.
Der Whistleblower John Williams gewährt tiefe Einblicke. Er lässt ein lebendiges Bild der Menschen entstehen, die in der römischen Antike lebten, liebten und agierten. Dabei entsteht aus den unterschiedlichen Perspektiven heraus die Idee, wie jener Mann gewesen sein mag, der heute nur als Kaiser überliefert ist. Diese Idee ist brillant, voller Vitalität und geistreich. Seinen Höhepunkt erreicht dieser Roman an der Stelle, an der Augustus selbst zu Wort kommt. Am Ende aller Bilder, die man sich von ihm gemacht hat. Am Ende der Gerüchte, scheinbaren Fakten und Illusionen. Beim Lesen der Zeilen aus seiner Hand hat man das Gefühl, ihn schon ewig zu kennen. Williams gelingt ein großer literarischer Wurf, mit dem er sich und seiner Leitidee treu bleibt. Die einzige und unverfälschte Wahrhaftigkeit des menschlichen Geistes wird bei allen Zufällen des Lebens greifbar. Augustus wird real.
Ein großer Roman in frischer Sprache. Voller Begriffe, die aus ihrer Zeit gefallen zu sein scheinen, entstauben ein Genre und machen es zu einem besonderen Erlebnis in unserer Zeit. Das Buch zu lesen ist die eine Seite des Genusses. Es zu hören bedeutet einen weiteren Kosmos der Sprachgewalt von John Williams zu erleben. Jede einzelne Rolle innerhalb des Buches wurde in der episch angelegten Hörspieladaption von Der Hörverlag mit brillanten Sprechern besetzt, die diesen Figuren echtes Leben verleihen. Zu lesen, wenn Augustus` Tochter Julia sagt:
Mein Vater nannte mich immer „Mein kleines Rom“
ist an der Stelle des Romans weltbewegend. Sie zu hören ist eine andere Welt. Wenn Jule Böwe in der Rolle der Julia diese Worte mit brechender Stimme spricht, dann ist es um den Hörer geschehen. Dieses absolute Kunststück gelingt allen Sprechern der ganz großen und auch der kleinen Rollen in dieser Produktion. Lesen und hören. Mehr kann ich nicht empfehlen. „Augustus“ ist es wert, sich ihm mit allen Sinnen zu nähern. Ein Gesamtkunstwerk aus literarischer Vorlage von John Williams, der Übersetzung von Bernhard Robben und der Auswahl der Hörbuchsprecher. Großes Kopfkino.
Hier die Stationen der Blogtour in einer Übersicht
Und last but not least sein Debüt „Nichts als die Nacht“ – Der Kreis ist geschlossen.