„Jenseits von Afrika“ von Tania Blixen – Ein wahres Seelenbuch

Jenseits von Afrika - Afrika, dunkel lockende Welt - Tania Blixen

Jenseits von Afrika – Afrika, dunkel lockende Welt – Tania Blixen

Über Afrika wollte ich immer so gerne schreiben. Über jenen dunklen Kontinent, der so viele Spuren in der Literatur hinterlassen hat und uns alle mit seiner Wildheit und Farbenpracht seit Anbeginn des Lesens fasziniert. Ich wollte dort beginnen, wo für mich als Leser die tiefe Wahrnehmung Afrikas begann. Ich wollte schon immer einmal über eines meiner absoluten Seelenbücher schreiben und von dort aus den weiten Bogen bis in die heutige Zeit spannen.

Ich hatte einen Blog in Afrika. In diesem Leitartikel zu meiner Lesereise habe ich bereits skizziert, wie die ersten Stationen dieser Reise aussehen werden, wohin es mich verschlägt und mit welchen Gefühlen ich auf gepackten Lesekoffern sitze. Wobei ich mir schon jetzt darüber im Klaren bin, dass es eine manchmal schwierige und in jeder Beziehung emotionale Reise sein wird. Ein bibliophile Safari der ganz besonderen Art, zu der ich heute in das erste Buch aufbreche, das eigentlich dafür verantwortlich ist, dass ich am nächtlichen Firmament über dem dunklen Kontinent nach Fixsternen am Bücherhimmel Ausschau halte.

Es beginnt dort, wo alles begann. Bei Tania Blixen, die 1937 mit ihrer AutobiografieAfrika – Dunkel lockende Welt die Vorlage für den legendären Film Jenseits von Afrikalieferte. Es beginnt bei jener dänischen Autorin, die unser Bild vom kolonialen Afrika so sehr geprägt hat, wie kaum eine zweite Schriftstellerin. Eine Frau, die viel gegeben hat, um ihre Freiheit in einem von Männern dominierten Land zu finden, dabei in jeder nur denkbaren Beziehung scheiterte und ihr Leben in Buchform zum ewigen Bestseller machte.

Ich hatte einen Blog in Afrika - Eine Lesereise - Tania Blixen

Jenseits von Afrika – Afrika, dunkellockende Welt – Tania Blixen

Wer erinnert sich nicht an diese ersten Worte ihres großen Lebensberichtes:

“Ich hatte eine Farm in Afrika… Am Fuße der Ngong Berge…”

Wer erinnert sich nicht an diese wehmütige Einleitung, diesen so sehnsuchtsvollen Satz, der viel mehr verrät als verbirgt? Wer sieht sie nicht körperlich vor sich, diese von Krankheit gezeichnete, seelisch verletzte Dänin, die in ihrer Heimat wie eine fremde wirkte und dort eigentlich niemals mehr richtig angekommen ist, nachdem sie in Afrika alles aufgeben musste? Sich selbst eingeschlossen.

13 Jahre lang blieben die Transportkisten und Koffer aus Afrika verschlossen. Zu schmerzhaft wäre es wohl für Tania Blixen gewesen, die Artefakte ihrer vergangenen Träume erneut zu berühren, ihren Duft zu atmen und den Trennungsschmerz körperlich fühlbar zu machen. 13 Jahre lang zehrte sie von ihren Erinnerungen, sah die Bilder der Farm vor sich und träumte nur noch davon, dass die Einwohner Afrikas einen ebenso sehnsüchtigen Blick nach Dänemark richten würden. Einen suchenden Blick nach der „Memsahib“, die sich so sehr für sie eingesetzt hatte.

Ob die Kikuyo wohl ein Lied singen würden, in dem sie vorkommt, eine der vielen Fragen, die sie sich so oft stellte. Eine Frage, die unbeantwortet blieb. Vielleicht hat sie ihren Schmerz durch das Schreiben ihres Buches bekämpft und Afrika auf diese Weise mit in ihre Heimat Dänemark genommen. Wenn Massai auf ihren Wanderungen neue Weidegründe erreichten, gaben sie den neuen Bergen, Seen und Tälern die Namen der Orte die sie zuletzt verlassen hatten. So veränderte sich zwar die Landschaft in der sie lebten, nicht aber das Gefühl für Heimat. Vielleicht war Tania Blixen schreibend eine weiße Massai und sah die wundervollen Ngong Berge vor sich liegen, während sie im eiskalten Skandinavien über ihre wahre Heimat schrieb.

Jenseits von Afrika – Afrika, dunkel lockende Welt – Tania Blixen

Jenseits von Afrika – Afrika, dunkel lockende Welt – Tania Blixen

Die tiefe Erzählung, die auf diesem schmerzhaften Weg der Erinnerung entstand, gehört heute zu den großen Klassikern der Weltliteratur und fast jeder Leser den man fragt, wer das Buch „Afrika, dunkel lockende Welt“ geschrieben hat, antwortet mit vielsagendem Blick: „Karen Blixen“, oder wie sie hier in Deutschland eher bekannt ist „Tania Blixen“. Doch ist es wirklich ihr Buch, das die Zeit überdauert hat, oder ist es eher die Verfilmung Jenseits von Afrika von Sydney Pollack mit Meryl Streep und Robert Redford in den Hauptrollen?

Ist es wirklich eine grandiose Literaturadaption, die viele Leser nachträglich zum Lesen verführte? Wenn man sich heute die Wahrnehmung von Karen Blixen in der Öffentlichkeit anschaut, dann muss es so sein. Die meisten Menschen bringen ihren Namen unmittelbar mit dem ihrer großen und unerfüllten Liebe Denys Finch Hatton, den Großwildjäger, Buschpiloten und britische Gentleman in Zusammenhang, der das Leben der angeheirateten dänischen Adeligen völlig durcheinander brachte. Und doch finden wir in ihrem eigenen Lebenswerk kaum greifbare Belege für die tiefe und extrem emotionale Bindung zu einem Mann, der alles suchte, nur keine Verpflichtungen.

Diesbezüglich kommt „Afrika, dunkel lockende Welt“ recht spröde daher, wenn man auf der Suche nach Liebesbeweisen oder Belegen für die unglaubliche Romantik im Film sucht. Hier zog sich Tania Blixen, die geborene Erzählerin, in ihren eigenen Erzählraum zurück und lange Zeit nach der Veröffentlichung ihres Buches erklärte sie in Interviews, dass sie nur den Teil der Geschichte niedergeschrieben hatte, der ihr selbst gehörte. Und so schwelgt sie ausgiebig in ihrem Buch in der unberührten Natur, in den tiefen Erinnerungen an ihre Kikuyu und an Menschen, die sie beschreiben konnte, ohne sie und sich selbst zu verletzen.

Jenseits von Afrika – Tania Blixen - Ein Grab in Rungstedlund

Jenseits von Afrika – Tania Blixen – Ein Grab in Rungstedlund

Spätere Erzählungen, Briefe und Gespräche boten wesentlich mehr Einblick in ihr Seelenleben und doch lebt ihr gesamtes Buch von der unaussprechlichen Sehnsucht nach einem Land, das ihre eigentliche Heimat wurde. Aus ihrer Vision, sich in Afrika zu etablieren wurde schnell die Mission, etwas für die unterdrückten Ureinwohner zu tun. Schulen, eigenes Land und die Akzeptanz der Kolonialherren schrieb sie sich auf ihre Fahne und dies in einer kolonialen Epoche, in der Afrika maximal ausgebeutet wurde. Von allen europäischen Großmächten. Sie gab sehr viel… es blieb ihr wenig.

Unmoralisch war diese außereheliche Verbindung der verheirateten Baronin zum Großwildjäger sicherlich. Zumindest in dieser Zeit Grund für gesellschaftliche Ächtung und doch bleibt von den beiden Liebenden die Überlieferung, dass die intellektuelle Hochspannung zwischen ihnen die tiefe Erotik ihrer Liebesbeziehung ausmachte. Tania Blixen rechtfertigte diese Beziehung durch ihre Theorie, dass zwei unabhängige Seelen sich für alle Zeit lieben können, während sie auf parallelen Kursen leben und sich niemals endgültig begegnen.

Und doch prallten die beiden Lebenswege so heftig aufeinander, dass Tania mit ihrem Besitzanspruch und dem Streben nach Exklusivität genau den Mann aus ihrem Leben vertrieb, der ihr alles bedeutete. Denys Finch Hatton war auf der Flucht vor jeder festen Bindung und jeglicher Form von Verpflichtung. Er wollte am Ende seines Lebens nicht am Ende des Lebens eines anderen Menschen ankommen.

Als sich die Elemente Afrikas gegen Tania Blixen zu verschwören schienen, ihre Plantage im Monsun versank, ihre Kaffee-Rösterei in den lodernden Flammen aufging und auch ihre eigene Syphilis-Erkrankung ihr nachhaltig zu schaffen machte, stürzte Denys Finch Hatton auf einem seiner Flüge über den dunklen Kontinent ab. Tania sagte selbst über diesen Tag, dass Gott herausgefunden hatte was sie am meisten liebte. Das Grab in den Bergen ist wohl das emotionalste und bewegendste Kapitel in ihrem Lebensbericht „Afrika, dunkel lockende Welt“.

Jenseits von Afrika – Afrika, dunkel lockende Welt – Tania Blixen

Jenseits von Afrika – Afrika, dunkel lockende Welt – Tania Blixen

Und so wurde die afrikanische Erde zur Summe der Erfahrungen und Verluste, aber auch zur Tinte, in die Tania Blixen ihre Feder tauchte, um darüber zu schreiben. Es entstand ein unglaublich tief erzähltes Buch über eine Zeit, auf die man heute mit einem verklärt romantischen Blick zurückschaut. Und doch ist es ein Blick, der unsere Augen schärft für den steten Niedergang der kolonialen Ansprüche, die fortschreitende Zerstörung der Natur und die ungewöhnlichen Lebensbedingungen, die hier Menschen verändern können.

Der Manesse Verlag hat „Afrika, dunkel lockende Welt“ in wundervollen Ausgaben bis zum heutigen Tag im aktuellen Programm. Dieses kleine große Buch ist immer eine Reise wert und doch erzielt es seine grandiose Tiefenwirkung erst in Verbindung mit der authentisch umgesetzten Verfilmung „Jenseits von Afrika“. Als Sekundärliteratur kann ich die Bücher Schatten wandern übers Gras und Tania Blixen – Ihr Leben in Dänemark und Afrika (beides DVA-Verlag) ans Herz legen. Ersteres beinhaltet einige Kurzgeschichten, die in größerem zeitlichen Abstand zu Tania Blixens Leben in Afrika entstanden sind und im zweiten Buch finden sich ausführliche biografische Angaben mit den originalen Fotos aus dieser Zeit. Eine informative und emotionale Reise für sich, die man als Liebhaber antreten sollte.

Meine literarische Safari nach Afrika geht bald weiter. „Lady Africa von Paula McLain (Aufbau Verlag) bringt mich bald zurück an den Fuß der Ngong Berge. Sie schreibt über Lady Beryl Markham, eine Freundin von Tania Blixen und eine Geliebte von Denys Finch Hatton. Im Film taucht diese reale Figur übrigens als Felicity auf. Ich freue mich sehr auf die Begegnungen und weitere Flüge über diesen Kontinent. Vom Gestern bis ins Heute. Es beginnt mit einem Flug über die Flamingos und endet für mich lesend vor Lampedusa.

Ende 2017 hat der Design-Paradigmenwechsel bei Manesse Tania Blixen erreicht. Die neuen kleinen Klassiker nicht nur im neuen Gewand. Die Berge sind wieder da!

Manesse Bibliothek – Jenseits von Afrika – Das ist kein Gebirge

„Rosenlippenmädchen – leichtfüßige Jungs“… folgt mir

Ich hatte einen Blog in Afrika - Eine Lesereise - Hier geht es weiter

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Eine weitere Farm…

Er kommt so harmlos und idyllisch daher, dieser Roman. Er spricht uns bereits in den Momenten an, in denen wir ihn betrachten, berühren und ganz plötzlich von ihm in Assoziationen verwickelt werden, die sich ausbreiten, wie ein Flächenbrand. Es ist der Titel dieses Buches, der uns träumen lässt. Es ist der Titel, der Erinnerungen an einen Roman weckt, der zum Lebenswegbegleiter und Wegweiser in unserem Lesen wurde. Es sind Bilder, die wir sehen, ohne auch nur eine einzige Zeile gelesen zu haben. „Die Geschichte einer afrikanischen Farm“ von Olive Schreiner lässt uns sofort an einen Roman denken, der so autobiografisch und authentisch war, wie man es sich wünscht. Ein Buch, das mit einem emotionalen Satz beginnt, den wohl jeder Buchliebhaber dem Werk zuordnen kann, zu dem er gehört. „Ich hatte eine Farm in Afrika„. (weiterlesen)

Olive Schreiner - Die Geschichte einer afrikanischen Farm - Astrolibrium

Olive Schreiner – Die Geschichte einer afrikanischen Farm